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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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9. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0365

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SAMMLUNGEN

Das bedeutendfte Stück das wir diefes Mal
Herrn Nemes zu verdanken haben, ift das Tobias
und den Engel darftellende Bild von Karel du
Jardin. Das Werk befand [ich als Depofit fchon
vor zwei Jahren in der Galerie. Ich berichtete
davon in den Heften 7—8 des erften Jahrganges
der Monatshefte als von dem Werke eines unbe-
kannten Niederländers. Die Signatur wurde feit
dem unter der Übermalung des Hintergrundes
entdeckt.

Diefes Bild zeichnet fich vor allem durch die
Kraft der Modellierung und den Glanz der Farben
aus, deren Zufammenwirkung eine fehr ange-
nehme, kühle Harmonie erzeugt. Die Figuren
zeugen von einer ftarken italienifchenEinwirkung.
Sie find im Sinne des Ägoftino Caracci aufgefaßt.

Ein kleines Bild (nach einer unhaltbaren Än-
ficht von Joos van Cleef) das Herr Nemes voriges
Jahr in Frankreich erwarb, ftellt die Halbfigur
der Königin Maria von Ungarn in fchwarzem
Kleide und weißer Haube dar. Die Dargeftellte
wendet fich nach rechts und hält die Handfchuhe
in der Rechten. Das Gegenftück, der königliche
Gemahl Ludwig II., befindet fich in der Brüffeler
Galerie und geht dort als das Werk eines Un-
bekannten. Das Bild macht nicht den Eindruck,
als ob es nach dem Leben gemalt worden wäre.
Die Farben find dem konventionellen Rosatone
ganz unterordnet. Die harmonifche Bearbeitung
und die Konzentration in der Erfaffung des
Charakters erheben aber das Werk in die Reihe
der fchäßenswerteften hiftorifchen Porträts.

Ein lebensgroßes Knieftück, das Bildnis des
Markgrafen Francesco Sforza-Pallavicini, wurde
im Stile Tizians von einem unbekannten Vene-
zianer gemalt. Der berüchtigte Generalkommissär
von Siebenbürgen ift darauf in einem gold-
befchlagenen, fchwarzen Prachtharnifch zu fehen.
Das Porträt entftand, nach dem Zeugnis der In-
fchrift, nach dem 1585 erfolgten Tode des Dar-
geftellten.

Die zwei letzterwähnten Werke hätten eigent-
lich in der hiftorifchen Galerie ihre Pläße.

Die Galerie moderner Meifter erhielt endlich
durch die Schenkung des Herrn Nemes, auch
einen fehr bedeutenden Zuwachs in dem skizzen-
haften Gemälde von Michael v. Munkäcsy —
„Prüfung in einer Dorffchule“ — das neulich in
der Berlin er ungarifchen Husftellung zu fehen war

Herr Marcel Nemes übergab noch der Galerie
zur Äusftellung einige Bilder die zu den
Perlen feiner Sammlung gehören und von großem
Kunftverftändnis und Sammlerglück ihres Be-
flßers Zeugnis ablegen.

Voriges Jahr erwarb er aus[franzöflfchem Beflß
ein Werk Giampetrinos, das den Meifter auf
der Höhe feines Schaffens zeigt. Es ift darauf

die fißende Kniefigur der Madonna, mit dem
nackten Kinde im Schoße dargeftellt. Der Jefus-
knabe hält Kirfchen in der Hand. Die Mutter
trägt ein rotes Gewand mit grünen Ärmeln
und blauem Mantel. Die dunkle Wand des
Hintergrundes öffnet fich links und läßt die Äus-
ßcht auf eine heitere, bergige, mit Wafler und
Burg belebte Landfchaft frei. Der größte Reiz
des Bildes befteht in dem von zartem Lächeln
belebten Kopfe der Muttergottes und der luftig
weichen Modellierung der Inkarnation, die durch
einen warmen, rotbraunen Ton erzeugt wurde.

Ein Interieur von Nicolaes Maes (figniert und
datiert: „N. Maes 1655.“) ftammt aus der Periode
des Künftlers, in der er noch von Rembrandt
ftark beeinflußt war. Die Darftellung zeigt die
fißende Figur einer Frau mit ihrem Kinde auf dem
Schoße und eine Magd, die am Boden knieend
mit Kleidern befchäftigt ift. Leßtere ift in braunem
Anzug dargeftellt, während die Hausfrau rote
Ärmel und blaugrünen Rock trägt. Die für den
Meifter charakteriftifche Farbenfkala wird durch
den Kontraft der goldgelben Beleuchtung mit
dem grünlich-grauen Hintergründe komplettiert.

John Smith führt diefes Bild von Maes unter
Nummer 4 feines Katalogs an. Es befand fich
feiner Zeit in der Sammlung Calonne.

Die Karnevalfzene von Goya, die aus der
Sammlung D. Euftaquio Lopez in den Befiß von
Mr. Cherfils-Biarritz gelangte, wurde von Herrn
Nemes gleichfalls angekauft und jeßt als Deposit
im Budapefter Mufeum ausgeftellt. (Die Repro-
duktion des Bildes ift in Lafonds Werk auf
Seite 6 zu finden. Loga bringt es unter Nr. 479
feines Katalogs.)

Die Kunftfreunde Ungarns find Herrn Nemes
zu großem Danke verpflichtet. Seine Sammel-
tätigkeit hat einen großen Stil, der unter den
bei uns herrfchenden Verhältniffen befondere
Anerkennung verdient. Herr Nemes ift ein fcharf-
fichtiger Kenner, der für die Wertung von
Kunftwerken einen vorzüglichen Blick hat. Mit
dem Sinne für das Bedeutende paart fich
bei ihm auch eine feltene Unermüdlichkeit in
der Jagd nach Kunftwerken. — Sein größtes
Verdienft befteht aber darin, daß in ihm ein
mächtiger Rivale der ftaatlichen Kunftpflege ent-
ftand. Sein Talent und feine Unabhängigkeit
befähigen ihn die größten Refultate eben dort
zu erreichen, wo die Kräfte des verantwortungs-
vollen und langfamen ftaatlichen Apparats ver-
jagen. Auch für die Zukunft dürfen wir von
begeifterten Kunftfreunden wie Herr Marcel
Nemes die Leiftungen erwarten, die vielfach
gebundene Beamten und fchwerfällige Kom-
miffionen nicht aufweifen können.

Zoltän v. Takäcs

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