Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0374
DOI Heft:
9. Heft
DOI Artikel:Denkmalpflege und Städtebau
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0374
DENKMALPFLEGE UND STÄDTEBAU
oberhalb des Feftons ftebt ein Kreuz. Än
diefes Stuckgefims feßt [ich unmittelbar nach
oben mit einem 41 cm hohen Friesbande das
Mofaikbild des Äpfisgewölbes an. Es ift arg
zerftört, jedoch laßen feine Refte immerhin noch
die reiche Polydiromie eines entwickelten Flach-
bandmotives erkennen. Äls mufivifches Mate-
rial ift hier wie in den übrigen Teilen des
Bildes Marmor und Glas der verfchiedenften
Nuancen verwendet. Die unteren Teile des
Bildes find noch gründlicher als das Friesband
zerftört; hier find nur fpärliche Refte eines aus
gelblichen Stiften beftehenden Bodens zu fehen;
daneben die ausgefallenen Mosaikflächen, die
vor dem Änwurfe der fpäteren Verpußfchichten
mit einem Stuckmörtel bis an die Ränder er-
haltener Mofaikflächen heran ausgefüllt wurden.
Leßtere liegen in den oberen Teilen der Wöl-
bung und enthalten die wertvollften Partien des
Bildes: in der Ächfe der Äpfis ein prächtiges
Chriftusbild; erhalten ift Kopf, Hals, Änfaß der
Schulter und der Kreuznimbus des Heilandes.
Das Porträt zeigt den römifch-hellenifti fehen
Typus des bartlosen, jugendlichen Chriftus
(Äugendiftanz zwifchen den äußeren Äugen-
winkeln gemeffen 10,5 cm). Ein reicher Nimbus
aus Goldgrund mit farbigem und eingelegtem
Gemmenkreuz, das in allen Farben fpielt, gibt
dem jugendlichen Kopfe einen hoheitsvollen
Rahmen. — Von der Figur eines Heiligen, die
etwas tiefer zur Rechten des Heilandes fteht,
ift der Kopf mit einfachem Goldnimbus, der
Hals, die rechte Schulter, über die ein weißes
Gewand fällt, gut erhalten; das Bild zeigt das
Geficht eines älteren Mannes mit grauem,
vollen Barte, dichtem Kopfhaar und auffallend
niedriger Stirn. Das Porträt ift dem Individual-
typus der überlieferten Bilder des hl. Petrus
überaus naheftehend, fo daß die Deutung diefer
Geftalt mit diefem Heiligen gerechtfertigt er-
fcheinen wird, wenn man dazu noch an die
häupg in der Kunft des frühen Chriftentums
dargeftellte Gruppe Chriftus mit den beiden
Äpoftelfürften erinnert; möglicherweife wird fich
nach genauer Prüfung aller vorhandenen Refte
des Äpfisbildes der Nachweis erbringen laffen,
daß dasfelbe Chriftus, zu feinen Seiten Petrus
und Paulus, bei der Szene der traditio legis
vereint. (Nach dem Bericht des Konfervators
Gnirs an die Zentralkommifpon.)
ROM Im weiteren Verlaufe der Ausgrabungen
bei der Demolierung des Paiazzetto Venezia hat
man konftatiert, daß die eigentliche Humusfchichte
des Gartens nur etwa einen halben Meter ftark
war. Dann kommt eine dicke Mörteldecke, mit
der man die mittelalterlichen Bauten einfach zu-
deckte, als der alte Palazzettobau angelegt
wurde. In dem bis jeßt freigelegten Südweft-
viertel des Gartens ftieß man auf den Hof eines
Feftungsturmes, in dem man zwei runde Brun-
nenfchachte und neben jedem von ihnen einen
antiken, im Mittelalter wieder als Waffertrog
benüßten Sarkophag noch in situ fand. Der
größere ovale Sarkophag mit dem fich zweimal
wiederholenden Relief eines einen Hirfchen über-
fallenden Löwen und den bekannten ftrigelähn-
lichen Verzierungen ftammt aus dem 3. oder
4. Jahrhundert nach Chrifti und ift leider in drei
Stücke gebrochen zutage gekommen. Der klei-
nere, beffer erhaltene Sarkophag — es fehlt nur die
Rückfeite — ein Kinderfarkophag, ift oblong und
zeigt auf der Front in der Mitte die Gruppe von
Eros und Pfyche, rechts und links nahe den
Ecken je einen auf die umgeftürzte Fackel fich
ftüßenden trauernden Eros, an den Schmalfeiten je
einen Greifen. Die Arbeit diefes Sarkophages
gehört ungefähr dem Ende des zweiten Jahr-
hunderts nach Chrifti an. Die öfterreichifche Re-
gierung hat fich entfchloffen, nicht bloß den Garten
des Paiazzetto bis zum heutigen Straßenniveau
niederzulegen, fondern dann noch tiefer bis auf
das antike Niveau hinabzugehen. Dadurch wer-
den große topographifche Fragen des alten Rom,
fo vor allem die der Saepta Julia, ihrer Löfung
nähergebracht und die ganze wißenfchaftliche
Welt muß fich der öfterreichifchen Regierung in
hohem Grade verpßichtet fühlen. Die leßtere
gedenkt alle Funde in einem eigenen zu grün-
denden Paiazzetto Venezia-Mufeum unterzu-
bringen. Ludwig Pollak.
TÜFFER (Steiermark) Die in einzelnen
Teilen bis ins 13. Jahrhundert zurückreichende
Pfarrkirche genügt dem Kultusbedürfniße nicht
mehr; ihr Bauzuftand ift nicht entfprechend;
eine Eweiterung läßt fich nach Anficht der lo-
kalen Faktoren nicht durchführen und ein Neu-
bau an einem andern Plaße fcheint aus ßnan-
ziellen Gründen und wegen der ungünftigen
Lage der verfügbaren Baupläße ausgefchioßen.
Man beabsichtigt daher, die Kirche zu demolieren.
Vom Standpunkte der Denkmalpßege muß auf
die Erhaltung der Baugruppe Turm, Presbyterium
und der beiden feitlichen Kapellen befonderes
Gewicht gelegt werden, da diefe Bauteile, ab-
gefehen von ihrer gefchichtlichen Bedeutung,
einen hervorragenden malerifchen Reiz befißen.
Die Zentralkommiffion regt daher die Veran-
lagung eines künftlerifchen Wettbewerbes an,
um ein entfprechendes Projekt, welches einer-
feits den kirchlichen Anforderungen, anderer-
feits den Wünfchen der Denkmalpßege ent-
spricht, zu erlangen.
324
oberhalb des Feftons ftebt ein Kreuz. Än
diefes Stuckgefims feßt [ich unmittelbar nach
oben mit einem 41 cm hohen Friesbande das
Mofaikbild des Äpfisgewölbes an. Es ift arg
zerftört, jedoch laßen feine Refte immerhin noch
die reiche Polydiromie eines entwickelten Flach-
bandmotives erkennen. Äls mufivifches Mate-
rial ift hier wie in den übrigen Teilen des
Bildes Marmor und Glas der verfchiedenften
Nuancen verwendet. Die unteren Teile des
Bildes find noch gründlicher als das Friesband
zerftört; hier find nur fpärliche Refte eines aus
gelblichen Stiften beftehenden Bodens zu fehen;
daneben die ausgefallenen Mosaikflächen, die
vor dem Änwurfe der fpäteren Verpußfchichten
mit einem Stuckmörtel bis an die Ränder er-
haltener Mofaikflächen heran ausgefüllt wurden.
Leßtere liegen in den oberen Teilen der Wöl-
bung und enthalten die wertvollften Partien des
Bildes: in der Ächfe der Äpfis ein prächtiges
Chriftusbild; erhalten ift Kopf, Hals, Änfaß der
Schulter und der Kreuznimbus des Heilandes.
Das Porträt zeigt den römifch-hellenifti fehen
Typus des bartlosen, jugendlichen Chriftus
(Äugendiftanz zwifchen den äußeren Äugen-
winkeln gemeffen 10,5 cm). Ein reicher Nimbus
aus Goldgrund mit farbigem und eingelegtem
Gemmenkreuz, das in allen Farben fpielt, gibt
dem jugendlichen Kopfe einen hoheitsvollen
Rahmen. — Von der Figur eines Heiligen, die
etwas tiefer zur Rechten des Heilandes fteht,
ift der Kopf mit einfachem Goldnimbus, der
Hals, die rechte Schulter, über die ein weißes
Gewand fällt, gut erhalten; das Bild zeigt das
Geficht eines älteren Mannes mit grauem,
vollen Barte, dichtem Kopfhaar und auffallend
niedriger Stirn. Das Porträt ift dem Individual-
typus der überlieferten Bilder des hl. Petrus
überaus naheftehend, fo daß die Deutung diefer
Geftalt mit diefem Heiligen gerechtfertigt er-
fcheinen wird, wenn man dazu noch an die
häupg in der Kunft des frühen Chriftentums
dargeftellte Gruppe Chriftus mit den beiden
Äpoftelfürften erinnert; möglicherweife wird fich
nach genauer Prüfung aller vorhandenen Refte
des Äpfisbildes der Nachweis erbringen laffen,
daß dasfelbe Chriftus, zu feinen Seiten Petrus
und Paulus, bei der Szene der traditio legis
vereint. (Nach dem Bericht des Konfervators
Gnirs an die Zentralkommifpon.)
ROM Im weiteren Verlaufe der Ausgrabungen
bei der Demolierung des Paiazzetto Venezia hat
man konftatiert, daß die eigentliche Humusfchichte
des Gartens nur etwa einen halben Meter ftark
war. Dann kommt eine dicke Mörteldecke, mit
der man die mittelalterlichen Bauten einfach zu-
deckte, als der alte Palazzettobau angelegt
wurde. In dem bis jeßt freigelegten Südweft-
viertel des Gartens ftieß man auf den Hof eines
Feftungsturmes, in dem man zwei runde Brun-
nenfchachte und neben jedem von ihnen einen
antiken, im Mittelalter wieder als Waffertrog
benüßten Sarkophag noch in situ fand. Der
größere ovale Sarkophag mit dem fich zweimal
wiederholenden Relief eines einen Hirfchen über-
fallenden Löwen und den bekannten ftrigelähn-
lichen Verzierungen ftammt aus dem 3. oder
4. Jahrhundert nach Chrifti und ift leider in drei
Stücke gebrochen zutage gekommen. Der klei-
nere, beffer erhaltene Sarkophag — es fehlt nur die
Rückfeite — ein Kinderfarkophag, ift oblong und
zeigt auf der Front in der Mitte die Gruppe von
Eros und Pfyche, rechts und links nahe den
Ecken je einen auf die umgeftürzte Fackel fich
ftüßenden trauernden Eros, an den Schmalfeiten je
einen Greifen. Die Arbeit diefes Sarkophages
gehört ungefähr dem Ende des zweiten Jahr-
hunderts nach Chrifti an. Die öfterreichifche Re-
gierung hat fich entfchloffen, nicht bloß den Garten
des Paiazzetto bis zum heutigen Straßenniveau
niederzulegen, fondern dann noch tiefer bis auf
das antike Niveau hinabzugehen. Dadurch wer-
den große topographifche Fragen des alten Rom,
fo vor allem die der Saepta Julia, ihrer Löfung
nähergebracht und die ganze wißenfchaftliche
Welt muß fich der öfterreichifchen Regierung in
hohem Grade verpßichtet fühlen. Die leßtere
gedenkt alle Funde in einem eigenen zu grün-
denden Paiazzetto Venezia-Mufeum unterzu-
bringen. Ludwig Pollak.
TÜFFER (Steiermark) Die in einzelnen
Teilen bis ins 13. Jahrhundert zurückreichende
Pfarrkirche genügt dem Kultusbedürfniße nicht
mehr; ihr Bauzuftand ift nicht entfprechend;
eine Eweiterung läßt fich nach Anficht der lo-
kalen Faktoren nicht durchführen und ein Neu-
bau an einem andern Plaße fcheint aus ßnan-
ziellen Gründen und wegen der ungünftigen
Lage der verfügbaren Baupläße ausgefchioßen.
Man beabsichtigt daher, die Kirche zu demolieren.
Vom Standpunkte der Denkmalpßege muß auf
die Erhaltung der Baugruppe Turm, Presbyterium
und der beiden feitlichen Kapellen befonderes
Gewicht gelegt werden, da diefe Bauteile, ab-
gefehen von ihrer gefchichtlichen Bedeutung,
einen hervorragenden malerifchen Reiz befißen.
Die Zentralkommiffion regt daher die Veran-
lagung eines künftlerifchen Wettbewerbes an,
um ein entfprechendes Projekt, welches einer-
feits den kirchlichen Anforderungen, anderer-
feits den Wünfchen der Denkmalpßege ent-
spricht, zu erlangen.
324