Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0408
DOI Heft:
10. Heft
DOI Artikel:Rundschau - Sammlungen
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0408
SAMMLUNGEN
werte Bereicherung bedeutet und einer kleinen,
tonigen „Flußlandfchaft“ von Saloraon van
Rujsdael (Schenker: Colnaghi-London).
Den Befchluß mögen 3 Outfider bilden: ein
kuriofer „Blinder Geiger“ von David Wilkie
(Skizze zu einem größeren Bild), in dem Nieder-
ländifches, Franzöfifches und Englisches in Sonder-
barer Mifchung Sich vereinigen, ein treffliches
Frauenbildnis des biederen Nie. Neufchatel
gen. Lucidel (Schenker: Douglas-London) und
ein kräftiges miniaturartiges Gemälde auf Kupfer
von Guercino „Der hl. Sebaftian von der hl.
Irene gepflegt“ (Schenker: Franke-Berlin).
Die beiden einzigen plaftifchen Stücke der
Floragabe kommen wieder der altdeutfchen Ab-
teilung zugute: J. S. Goldfchmidt-Frankfurt ftif-
tete eine anmutige Gruppe der „Anbetung der
Könige“ um 1520, Ä. S. Drey einen fixenden
hl. Nicolaus von Bari mit Stifter, der als „Art
des Loy Hering“ angefprochen wird.
Alles in allem eine Äusftellung von über-
rafchendem Reichtum und ungewöhnlich hoher
J. J. NIEDERMAYER,
Wiener Porzellangruppe
Wien, Öfterr. Mufeum
für Kunft und Induftrie
Bedeutung für den Ausbau des Kaifer Friedrich-
Mufeums und des zukünftigen „Deutfchen Mu-
feums“. H. Voss.
NEUERWERBUNGEN DES ÖSTER.
MUSEUMS FÜR KUNST UND IN-
DUSTRIE IN WIEN Seit den lebten be-
deutenden Erwerbungen auf der Auktion Lanna
hat diefes Inftitut neuerdings einige keramifche
Objekte feinen Sammlungen einverleibt, die ein
über das gewöhnliche Maß hinausreichendes
Intereffe in Änfpruch nehmen. Eines davon ift
eine fignierte unbemalte Wiener Porzellangruppe
von J. J. Niedermayer (fiehe nebenftehende
Abbildung). Sie war früher Eigentum des Wiener
Kunftfammlers G. Eißler und wurde von Dr.
E. W. Braun in „Kunft und Kunfthandwerk“,
Jahrg. XIII, Heft 1 befprochen. Niedermayer
war bekanntlich 1747 als Modellmeifter an der
Fabrik angeftellt worden, und ftand in feiner
früheren Eigenfchaft als Zeichenlehrer an der
Wiener Akademie in engfter Beziehung zur
ftrengen, fchulmäßigen Richtung, die auch in
feinen Modellen fehr deutlich zum Ausdruck
kommt. Die erwähnte Gruppe gehört in die
Serie der Taten des Herkules und ftellt deffen
Kampf mit Antäus dar. Am Sockel befindet
fich die mit dem Stift in die noch weiche Maffe
eingravierte Signatur: Joh: Jos: Nidermeij jnv:
Die zwei leßten Buchftaben des Namens find
durch die Glafierung unkenntlich geworden. Die
Gruppe ift die erfte von ihm fignierte Plaftik,
die man kennt, und wird durch diefe fonft nicht
übliche Zutat vom Meifter felbft als ein Stück
bezeichnet, dem er befondere Bedeutung bei-
legt. Diefe dürfte vor allem in dem gewiffen-
haften Äktftudium zu fuchen fein, das der Gruppe
zugrunde liegt, fowie in der ungewöhnlichen
Sorgfalt der Ausführung, die fo weit geht, daß
z. B. in dem geöffneten Munde des Antäus
fogar die Zähne genau fichtbar werden, was
in nur um Weniges fpäteren Ausformungen nicht
mehr der Fall ift. Da die Gruppe fowohl die
eingepreßte wie die Blaumarke aufweift, ift ihre
Entftehung in der Zeit des Überganges von der
einen zur anderen Bezeichnungsweife, alfo 1749,
außer Zweifel. Allem Änfcheine nach haben
wir eine erfte Ausformung, ein vorbildliches
Probeftück, vor uns, darauf deutet außer den
angeführten Eigenheiten auch der Umftand hin,
daß zweierlei Ausformungen bekannt find. Auf
der unferen hängt das linke Bein des Antäus,
infolge des auf die Lenden, durch die Umklam-
merung von feiten des Herkules ausgeübten
Druckes, fchlaff herab, während das rechte, einer
erfolglofen Gegenwehr entfprechend, gerade weg-
358
werte Bereicherung bedeutet und einer kleinen,
tonigen „Flußlandfchaft“ von Saloraon van
Rujsdael (Schenker: Colnaghi-London).
Den Befchluß mögen 3 Outfider bilden: ein
kuriofer „Blinder Geiger“ von David Wilkie
(Skizze zu einem größeren Bild), in dem Nieder-
ländifches, Franzöfifches und Englisches in Sonder-
barer Mifchung Sich vereinigen, ein treffliches
Frauenbildnis des biederen Nie. Neufchatel
gen. Lucidel (Schenker: Douglas-London) und
ein kräftiges miniaturartiges Gemälde auf Kupfer
von Guercino „Der hl. Sebaftian von der hl.
Irene gepflegt“ (Schenker: Franke-Berlin).
Die beiden einzigen plaftifchen Stücke der
Floragabe kommen wieder der altdeutfchen Ab-
teilung zugute: J. S. Goldfchmidt-Frankfurt ftif-
tete eine anmutige Gruppe der „Anbetung der
Könige“ um 1520, Ä. S. Drey einen fixenden
hl. Nicolaus von Bari mit Stifter, der als „Art
des Loy Hering“ angefprochen wird.
Alles in allem eine Äusftellung von über-
rafchendem Reichtum und ungewöhnlich hoher
J. J. NIEDERMAYER,
Wiener Porzellangruppe
Wien, Öfterr. Mufeum
für Kunft und Induftrie
Bedeutung für den Ausbau des Kaifer Friedrich-
Mufeums und des zukünftigen „Deutfchen Mu-
feums“. H. Voss.
NEUERWERBUNGEN DES ÖSTER.
MUSEUMS FÜR KUNST UND IN-
DUSTRIE IN WIEN Seit den lebten be-
deutenden Erwerbungen auf der Auktion Lanna
hat diefes Inftitut neuerdings einige keramifche
Objekte feinen Sammlungen einverleibt, die ein
über das gewöhnliche Maß hinausreichendes
Intereffe in Änfpruch nehmen. Eines davon ift
eine fignierte unbemalte Wiener Porzellangruppe
von J. J. Niedermayer (fiehe nebenftehende
Abbildung). Sie war früher Eigentum des Wiener
Kunftfammlers G. Eißler und wurde von Dr.
E. W. Braun in „Kunft und Kunfthandwerk“,
Jahrg. XIII, Heft 1 befprochen. Niedermayer
war bekanntlich 1747 als Modellmeifter an der
Fabrik angeftellt worden, und ftand in feiner
früheren Eigenfchaft als Zeichenlehrer an der
Wiener Akademie in engfter Beziehung zur
ftrengen, fchulmäßigen Richtung, die auch in
feinen Modellen fehr deutlich zum Ausdruck
kommt. Die erwähnte Gruppe gehört in die
Serie der Taten des Herkules und ftellt deffen
Kampf mit Antäus dar. Am Sockel befindet
fich die mit dem Stift in die noch weiche Maffe
eingravierte Signatur: Joh: Jos: Nidermeij jnv:
Die zwei leßten Buchftaben des Namens find
durch die Glafierung unkenntlich geworden. Die
Gruppe ift die erfte von ihm fignierte Plaftik,
die man kennt, und wird durch diefe fonft nicht
übliche Zutat vom Meifter felbft als ein Stück
bezeichnet, dem er befondere Bedeutung bei-
legt. Diefe dürfte vor allem in dem gewiffen-
haften Äktftudium zu fuchen fein, das der Gruppe
zugrunde liegt, fowie in der ungewöhnlichen
Sorgfalt der Ausführung, die fo weit geht, daß
z. B. in dem geöffneten Munde des Antäus
fogar die Zähne genau fichtbar werden, was
in nur um Weniges fpäteren Ausformungen nicht
mehr der Fall ift. Da die Gruppe fowohl die
eingepreßte wie die Blaumarke aufweift, ift ihre
Entftehung in der Zeit des Überganges von der
einen zur anderen Bezeichnungsweife, alfo 1749,
außer Zweifel. Allem Änfcheine nach haben
wir eine erfte Ausformung, ein vorbildliches
Probeftück, vor uns, darauf deutet außer den
angeführten Eigenheiten auch der Umftand hin,
daß zweierlei Ausformungen bekannt find. Auf
der unferen hängt das linke Bein des Antäus,
infolge des auf die Lenden, durch die Umklam-
merung von feiten des Herkules ausgeübten
Druckes, fchlaff herab, während das rechte, einer
erfolglofen Gegenwehr entfprechend, gerade weg-
358