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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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10. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0412

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SAMMLUNGEN

ROTTERDAM. Die Befucher des Mufeums
BOIJMÄNS werden öfters durch kleinere Aus-
heilungen überrafcht, die der neue Direktor aus
den Schäden bedeutender Privatfammlungen zu
arrangieren beftrebt ift. So hatte von Ende
März bis Anfang Mai Dr. C. Hofftede de Groot
aus feiner reichen Handzeichnungenfammlung
177 Blätter dem Mufeum anvertraut. Unter
diefen befanden fich von Rembrandts Hand
nicht weniger als einige 70, die ein glückliches
Gefdiick den bekannten Rembrandtforfdher hat
zufammen bringen laffen. Die meiften find be-
reits in feinem Werke der Rembrandthandzeich-
nungen aufgeführt und bei Lippmann reprodu-
ziert. Die lebten Erwerbungen wurden durch
die kürzlich erfolgte Privatpublikation feiner
Rembrandthandzeichnungen bekannt. Ich glaube
daher auf eine eingehende Würdigung diefes
Teils der Äusftellung verzichten zu dürfen. Nur
eines möchte ich noch erwähnen, daß Dr. C.
Hofftede de Groot bereits 1906 feine
Rembrandtzeichnungen dem Niederlän-
difchen Staat gefchenkt hat, mit dem Vor-
behalt des Verfügungsrechts über fie während
feines Lebens. Von diefem hochherzigen Ge-
fchenk erhielt erft jeßt die Öffentlichkeit Kunde.
Die zweitgrößte Anziehungskraft auf der Äus-
ftellung üben die Handzeichnungen von Ad-
riaen Brouweraus, des genialften holländifchen
Bauernmalers. Hauptfächlich find es große, mit
dem Pinfel flott hingeworfene Kompofitionen mit
Bauern in der Kneipe. In diefen kommt die
eine bedeutende Seite Brouwerfcher Kunft, des
Künftlers hervorragendes Kompofitionstalent,
noch klarer als auf den Gemälden zum Aus-
druck. Und gerade dies Moment einer bewuß-
ten Kompofition berechtigt uns wohl zu der
Annahme, daß die Zeichnungen keine direkten
Studien nach dem Leben find. Wohl werden
fie durch die eine oder andere Kneipfzene, die
Brouwer miterlebt hat, angeregt fein, ihre Aus-
führung jedoch ift als freie Geiftesfchöpfung
anzufehen, was wohl bei den meiften althol-
ländifchen Zeichnungen der Fall fein wird. Viel
eher könnten die wenigen Federumrißzeichnungen
auf direktes Naturftudium zurückgehen, aber
ficher ift dies auch hier nicht. Den Rembrandt-
zeichnungen nicht allein fehr naheftehend, fon-
dern mehrere fogar übertreffend und keineswegs
künftlerifch geringer als die Blätter von Brouwer
ift eine Zeichnung von Adriaen van de Velde,
ein weiblicher Akt. Eine junge voll entwickelte
Frau fitjt faft ganz in Vorderanficht auf einem
Polfter und hat das eine Bein über das andere
gefchlagen. Sie ift auf hellgetöntem Papier mit
fchwarzer Kreide leicht fkizziert und mit weißer
Kreide gehöht. Es ift ein Kabinettftück durch

die ungezwungene Auffaffung und künftlerifch
elegante Technik. Von den übrigen Blättern
erwähne ich noch eine große Augenoperation
von Bäcker, einen fubtil ausgeführten Kavalier
von Ger. Terborch, die breitftrichigen Land-
fchaften von J. Lievens, mehrere Studien von
J. v. Gogen, die landfchaftlichen Zeichnungen
mit weitem Horizont von Ph. Köninck, einige
Blätter von Ä. Cugp, vor allem fein Panorama
von Dordrecht, das vielleicht als Vorftudie zum
Gemälde der Änficht von Dordrecht in der Samm-
lung Holford in London anzufehen ift. Die
beften Landfchaftsftudien find jedoch die kleineren
Zeichnungen von Jac. v. Ruisdael und E. v.
d. Velde. Zum Schluß mache ich noch auf die
lange Reihe von Zeichnungen von L. Doomer,
und Roel. Roghman aufmerkfam, die mehr
etnographifches Intereffe beanfpruchen. K. E.

ROUEN Die bifchöfliche Burg, deren Ge-
fchichte der Domherr Jouen foeben veröffentlicht,
wird als Mufeum eingerichtet werden. In diefer
Burg haben u. a. gewohnt: Louis de Luxem-
bourg, Guillaume d’Estouteville, Robert de Nor-
mandie, Philippe d’Älenpon ufw.

VENEDIG ln der Äccademia di Belle Ärti
wurden leßthin einige Säle neu geordnet. Vier
neue Räume, welche bisher als Bureau dienten,
find jeßt in gefdhmackvolle Kabinette umge-
wandelt und enthalten nach Epochen verteilte
Bilderfammlungen. Alle Secentiften, die in
der Galerie zerftreut waren, find neu vereinigt,
während der Saal, in dem fleh die Longhi
und Rofalba Carriera befinden, anfchaulicher ge-
ordnet wurde. Um das Rundbild G. B. Tiepolos
„Die heilige Helena, die das Kreuz entdeckt“
find faft alle die Bilder diefes Meifters und feiner
Schüler zu finden. Auch wurde im daneben
liegenden Korridor Tiepolos grandiofer Fries
etwas niedriger plaziert, fo daß man die ver-
blüffende Technik des Künftlers aus der Nähe
bewundern kann. In einem der vier neuen Säle
wurden alle Landfehafter des Settecento unter-
gebracht, darunter auch Hauptwerke Guardis und
Canalettos. Im zweiten Saale Bilder von Pi-
azzetta, Cignaroli und Feti, fo daß auch diefe,
bisher zerftreuten Werke, eine organifche Ein-
heit bilden. Im dritten treffen wir die Bilder der
Äccademia del settecento, die in der Akademie,
welche G. B. Tiepolo gründete, gemalt wurden
und alle in zwei Maßftäben gehalten find.
Schließlich werden uns im leßten, neuen Saal
alle akademifchen Werke gezeigt, die in napo-
leonifcher Zeit entftanden.

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