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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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11. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

heitliche Behandlung eines Baublocks nachkom-
men können. Eine folche einheitliche Behand-
lung eines Baublocks wird auch am erften auf
Dispens von baupolizeilichen Beftimmungen
rechnen können. Ein fchönes Beifpiel dafür ift
das Modell für die Bebauung eines dreieckigen
Blocks in offener Bauweife von Schulße-Naum-
bürg in Köln, wo fowohl die Anlage von Ter-
raffenmauern gegen die Straße wie die Abweichung
vom Fluchtlinienplan gegen die Bauordnung ver-
ließen, aber aus künftlerifchen Rückfichten ge-
nehmigt wurden.

Eine befondere Gruppe bilden dieÄrbeiter-
anfiedlungen. Das Problem, das derDeutfche
Werkbund fehr energifch angefaßt hat: nicht
nur billige, fondern auch anftändige Möbel,
diefes Problem hat fich zur Wohnungsfrage er-
weitert. Man kann nicht tüchtige Menfchen mit
Gewerbe und Induftrie feft verbinden, wenn
man nicht ihre äußere Lage fo geftaltet, daß fie
fich in ihr behaglich und heimifch fühlen. Eine
ganze Reihe muftergültiger Kolonien ftellt die
Firma Krupp aus.

Die Siedlung der Margarethe-Krupp-Stiftung
nach den Plänen von G. Meßendorf, der auch
auf der Brüffeler Weltausftellung zwei Werk-
führer-Einfamilienhäufer zeigt, für minderbe-
mittelte Beamten gedacht, leitet zu den Garten-
ftädten über. Es ift bekannt, daß die Idee
diefer planmäßig geftalteten Siedlungen auf
wohlfeilem Gelände, das dauernd im Ober-
eigentum einer zu diefem Zweck gebildeten Ge-
noffenfchaft gehalten und fo jeder Bodenfpeku-
lation entzogen wird, aus England kommt, daß
vor allem Letchworth und Hampftead bei London
den deutfchen Gartenftadtgefellfchaften Vorbilder
gegeben haben. Ein Name verdient es, genannt
zu werden: Raymond Unwin, der als bau-
licher Berater englifcher Gartenftädte durch Zu-
fammenftellen eines lehrreichen Materials aus
England für die Äusftellung fich ein Verdienft
erworben hat. Die großen Modelle der erften
deutfchen Gartenftadt Hellerau bei Dresden,
deren Bebauungsplan von Riemerfchmidt ftammt,
und von Frohnau i. M. find ausgeftellt. In Hellerau
wird kein Haus gebaut, das nicht die Zuftimmung
einer Architektenkommiffion gefunden hat, die
die Verantwortung für die bauliche Entwick-
lung trägt. Das ift bezeichnend für das Didak-
tifche des Unternehmens, aber wohl anfangs
notwendig. Großftädte werden fich in ihrer
nädiften Umgebung auf Villenviertel be-
fchränken müffen, die zwar gerade die Grund-
beftimmung der Gartenftädte, die Äusfchaltung
der Bodenfpekulation nicht erfüllen, aber in
ihrer äußeren Erfcheinung von diefen planvollen
Anlagen lernen können. Schlimm ift noch, was

das Vogelfchaubild der Cottageanlage in Wäh-
ring bei Wien zeigt, ein finnlofes Zufammen-
bauen einzelner Villen. Es ift recht bezeichnend,
daß die Neuauflage des Städtebaus von Camillo
Sitte über Villen und Cottageviertel den kindlichen
Saß bringt: „daß das viele Grün felbft über ver-
fehlte Lageplanformen den Mantel milder Nach-
ficht derart breite, daß weder Schönes noch
Verfehltes in Erfcheinung tritt und es daher
eigentlich ganz gleichgültig fei, wie man vor-
gehe, da ja doch auf jederlei Art immer dasfelbe
herauskomme“. Die einheitlich durchdachte Vil-
lenanlage in Hagen i. W., die K. E. Ofthaus er-
bauen läßt, fand Ref. leider nicht auf der Aus-
heilung.

Von ausgeftellten Parkentwürfen verdient
befondere Beachtung der für Hamburg von
F. Schumacher, für den, wenn ich midi recht er-
innere, Lichtwark eintrat, wegen feiner guten
Einpaffung in die gegen ihn führenden Ver-
kehrszüge und feiner Geländeanpaffung. Die
architektonifch ftreng behandelten Momente find
als gliedernde Ächfen in die natürliche Geftal-
tung des Parks eingepaßt, neben fie den Raum
für Spiel- und Sportpläße verteilend, und die
einzelnen Situationen des Parks find zu ge-
[chloffenen Bildern ausgearbeitet.

Der Wunfch einer mähligcn Auflöfung des
architektoni fchen Körpers der Stadt tritt auch
in den Friedhofanlagen hervor, die mehr
und mehr fidi zu heiteren Parkanlagen an der
Peripherie der Stadt umwandeln. Zentraifried-
höfe, fo äußert fich Gräffel-München, haben für
größere Städte ihre bedeutenden Nachteile, fo-
wohl für die Befucher derfelben wie durdi die
Schwierigkeit beim Erwerb des erforderlichen
großen und zufammenhängenden Geländes an
paffenden Stellen. Man ift daher in München
von der Anlage eines Zentralfriedhofs abge-
kommen und hat nach den vier Himmelsrich-
tungen vier neue Bezirksfriedhöfe in 3 bis 6 km
Entfernung von der Stadt angelegt. Drei der
dem Stadtzentrum nähergelegenen haben der
teueren Bodenpreife wegen architektonifchen
Charakter, der in einem vorhandenen Nadel-
wald angelegte Südfriedhof landfchaftlichen.
Ganz als heitere, ausgedehnte Parkanlage er-
fdieint der Friedhof von Hamburg - Ohlsdorf,
angelegt von Cordes.

Eine Zeitlang ganz nach diefer Riditung der
Auflöfung ins freie Natürliche, der unregelmäßi-
gen Straßenbildung und der als zufällig er-
fcheinenden Gruppierung tendierend, für die zu-
erft Beyaert-Brüffel eintrat, fcheint jich die
deutfche Stadtbaukunft wieder zu befinnen, daß
der Kern oder die verfchiedenen Kernpunkte
einer Gefamtanlage gefchloffene architekto-

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