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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0503

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VERMISCHTES

ftückelung allein zeigt uns eine in Münchner Privat-
befiß befindliche Kopie, aus der wir alfo fchließen
dürfen, daß zur Zeit als fie entftand, nur diefe
Seite vergrößert war. Eine im Staatsbefiß be-
findliche alte Kopie der urfprünglichen Kompo-
fition, die zurzeit in der ftädtifchen Galerie Bam-
berg hängt und wahrfcheinlich in München vor
jeglicher Änftückelung gemacht worden ist, konnte
ich leider, da fie noch nicht in München einge-
troffen ift, nicht berückfichtigen. — Einen weiteren
Beweis für die Tatfache, daß die urfprüngliche
Kompoßtion nur die Mittelgruppe aufwies, liefert
uns ein Erzeugnis des Kunftgewerbes, auf das
mich Herr Dr. Buchheit hingewiefen hat und das
fich im Ämfterdamer Mufeum voor Gefchiedenis
en Kunft befindet. Es ift ein Kunftfchrank, aus
der erften Hälfte des 17. Jahrhunderts, in deffen
Frontfeite — fie hat etwa das Format 5/4 der
Höhe zur Breite — eine Kopie der erften Kom-
pofition eingelaffen ift. Troß des Breitformats
enthält sie nur das auf unferm Bilde Dargeftellte,
jedoch etwas in die Breite gezogen.

Ein zweiter Eingriff in das Gemälde wurde
päter gemacht — von anderer Hand und mit
anderer Technik. Denn während — wie fchon
bemerkt — das urfprüngliche Bild und die rechte
Änftückelung mit Kreidegrund verfehen find, ift
hier Bolusgrund vorhanden, der den fehr tiefen
Ton diefer Seite noch verftärkt hat. Dabei wurde
eine viel gröbere Leinwand benußt, als bei den
älteren Teilen. Gleichzeitig mit diefer Ver-
größerung oder vielleicht auch erft einige Jahre
später in Paris, wo fich das Bild von 1800—1815
befand, wurden alle dreiTeile auf einegemeinfame
neue Leinwand aufgezogen, die eine quer durch
die Mitte desBildes gehendeNaht aufweift, die fich
auch an einigen Stellen der Vorderfeite des Bildes
durchgedrückt hat.1 Vielleicht wurde bei diefer
Gelegenheit auch der Teil der Leinwand, mit
dem fie bisher am Keilrahmen oben befeftigt
war, zum Bilde bezogen und fo entftand die
fchmale obere Änftückelung des Mittelbildes, die
wohl von derfelben Hand ift, wie die der linken
Seite.

Ich fagte oben, die Änftückelung links fei
fpäter als die rechte. Den hiftorifchen Beweis
dafür fchulde ich noch. Er ift einfach. In den
verfchiedenen Schleißheimer Inventaren von
1765—1771 fowie in dem allgemein zugänglichen
Katalog von Schleißheim von Weizenfeld vom
Jahre 1775 find unter Nr. 286 als Maße unferes
Bildes angegeben: 6 Fuß hoch und 7 Fuß 4 Zoll
breit. Äus dem franzöfifchen Maße umgerech-
net ergibt dies 194/237 cm (Lichtmaß). Das

1 Auf Paris weift der Umftand hin, daß beim Rentoi-
lieren zum Verkleben der Ränder des Bildes Druckpapier
mit franzöfifchem Texte verwendet worden ift.

Mittelbild hat eine Breite von 141 cm, die
rechte Änftückelung 101 cm, beide zufammen
alfo 242 cm Bildfläche. In dem Rapport, den
der Galerieauffeher Mathias Huber von Schleiß-
heim am 26. November 1800 über die Entnahmen
der Franzofen aus dem Schlöffe verfaßt hat,
werden die Lichtmaße des Bildes im Bayrifchen
Schuh angegeben: 6'3"/10'3" = 195/300 cm, was
etwa dem früheren Lichtmaß 197/302 gleichkommt.
Die Vergrößerung nach links gefchah alfo zwi-
fchen 1775 und 1800. Mit diefer Konftatierung
entfällt den Kritikern der Verkleinerung des
Bildes jegliche Unterlage.

Das andere inkriminierte Bild find die Satyrn
von Rubens. Hier ergibt der Befund, daß die
Vergrößerungen mit anderem Holze hergeftellt
find, als das Urbild. Daß an manchen Stellen
die Änftückelung nicht gut äußerlich fichtbar ift,
hat feinen Grund darin, daß von dem Änftücker
in die alte Kompofition hineingemalt ift. Als
typifchen Beleg möchte ich die linke Schulter
des Satyrn rechts anführen. Hier geht eine
deutlich fichtbare Übermalung vom angefeßten
Stück ins alte Bild hinein, die die ganze Zeich-
nung und Modellierung verfälfcht. Es fehlt der
Schulteranfaß, der fich deutlich abheben müßte;
dadurch wird der Effekt erzeugt, als ob der Satyr
krampfhaft die Schulter vordrückte. Sie fteht
ganz vor der Ebene des übrigen Körpers. Möchte
man diefen Fehler dem Rubens zumeffen?

Auch die Kompofition ift in keiner Weife ver-
beffert worden, denn die jeßt ftraff durch den
Rahmen gefaßten Satyrn fchwammen früher
locker im erweiterten Raume. Übrigens ift es
echt Rubenfifch, Arme unter dem Rahmen fort-
zuführen undFingerandenHändenabzufchneiden,
deren Ergänzung der Meifter der Phantafie des
Befchauers überließ.

Endlich noch ein Paar Worte über das Markt-
bild von Snyders (Nr. 955). Da wurde am
oberen Rande ein Streifen ohne Darftellung, der
angefeßt war, umgefchlagen. Snyders hat nach
demfelben Prinzip gearbeitet wie Rubens. Seine
Darftellungen füllen den Raum aus, wie ein Ver-
gleich mit ähnlichen Stücken im Haag, der Lon-
doner National Gallery, Dresden und a. a. O.
beweift.1 Ein in derfelben Weife zu Unrecht
vergrößertes Bild mit faft denfelben Maßen,
befindet fich im Städelfchen Inftitut in Frankfurt
als Nr. 138.

Nach den vorftehenden Ausführungen dürfte
es keinem Zweifel unterliegen, daß die in der
Pinakothek vorgenommenen Formatänderungen
alle wohlbegründet und vollberechtigt gewefen
find und daß damit nicht nur dem Kunftforfcher,

1 Auch ein Schabkunltbiatt von Earlom (We|Tely Nr. 109)
läßt fich hierfür zum Vergleich heranziehen.

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