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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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14. Heft
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Bombe, Walter: Il Bel San Giovanni: zur Restauration des Florentiner Baptisteriums
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0553

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IL BEL SAN GIOVANNI

Vorderanficht des alten Hochaltars des Baptifteriums nach der Rekon-
ftruktion Caftelluccis

Daches und der Laterne verwandt: Pilafter der
1688 aus Anlaß der Hochzeit des Prinzen Ferdi-
nand von Toskana mit Violante Beatrice von
Bayern aus dem Dom befeitigten Sängertribüne
von Luca della Robbia, Fragmente des alten
Taufbrunnens und des vor Jahrhunderten zer-
ftörten Hauptaltars der Kirche! Die von Caftel-
lucci wieder aufgefundenen feinen und fchlanken
korinthifchen Doppelpilafter der Sängertribüne
paffen fich dem Werke Lucas unvergleichlich viel
beffer an, als die fchweren jonifchen Pilafter der
allbekannten Rekonftruktion Del Moros. Nicht
minder wichtig ift die Caftellucci gelungene
Wiederauffindung der Fragmente des marmor-
nen Taufbrunnens, der achteckig war und deffen
Äußenfeiten Intarfien, Ranken, Arabesken und
Rofetten aufwiefen. Vom alten Hochaltar, der
uns noch befchäftigen wird, führten Schranken
zu ihm hinab. Auch von diefen Schranken find
größere Fragmente entdeckt worden, fo daß es
nicht unmöglich erfcheint, dem Ganzen wieder
die urfprüngliche Geftalt zu geben, zumal alte
Zeichnungen Anton Francesco Goris von der
Anlage eine gute Vorftellung vermitteln. Sechs
Intarfiaplatten, die mit Hilfe der Skizzen Goris
identifiziert werden konnten, find noch heute
zur Rechten und zur Linken des Hochaltars in
den Marmorfußboden eingemauert. Im Studio
des Domarchitekten, neben dem Museo dell’Opera,
liegen zehn Marmorplatten mit gemeißelten Ro-
fetten und Intarfiafchmuck, die Caftellucci auf
dem Dach und an der Laterne des Baptifteriums
fand und die fich ebenfalls auf Grund der Skizzen
Goris als Teile des Taufbeckens und der Schran-
ken ausweifen. Ändere Stücke werden fich viel-
leicht nach Demolierung des Hochaltars noch

finden. Alsdann wird es möglich fein, eine ftil-
gerechte Rekonftruklion der Schranken und des
Taufbeckens zu unternehmen.

Auch der alte, 1731 abgebrochene Hochaltar
(f. Äbb.) ift vor feiner Zerftörung durch Gori
gemeffen und fkizziert worden. Mit Hilfe diefer
Skizzen und der durch Caftellucci wieder auf-
gefundenen fieben Säulen und anderer Frag-
mente war es möglich, den ganzen Bau zu re-
konftruieren, der, wie die Forfchungen Giovanni
Poggis ergaben, im erften Viertel des 13. Jahr-
hunderts entftanden fein muß.1 Es ift zu hoffen,
daß die Dom-Opera fich entfchließen wird, den
ehrwürdigen Bau auf feinem urfprünglichen Plaße
wieder herzuftellen. Alsdann wird auch das
filberne Niello des Trecento mit 34 Halbfiguren
von Heiligen und Äpofteln aus dem Museo
Nazionale (f. Äbb.) als oberer Äbfchluß des
Ganzen eine prächtige Wirkung ausüben. Das
koftbare Stüde, das leider noch immer magazi-
niert ift und daher wohl nur wenigen Fachge-
noffen bekannt fein mag, mißt 2,34 m in der
Länge und 0,136 m in der Höhe. Es trägt fol-
gende Künftlerin fchrift: Andreas Pucci Sardi de
Empoli Aurifex fecit hoc opus in Civitate Floreniie.

Die Befeitigung der ftörenden, häßlichen und
ganz überflüffigen Holzbänke, welche den Mo-
faikfußboden verdecken und der zwei kleinen,
künftlerifch wertlofen Stuckaltäre, die ebenfalls
Teile des alten Mofaikfchmuckes der Befichtigung
entziehen, wird hoffentlich nicht ein frommer

1 Siehe den Bericht über die Januar-Sifeung des Kunft-
hiftorifchen Inftitutes zu Florenz im 3. Heft (Februar 1910
p. 96) diefer Zeitfchrift. Poggi wird im nächften Hefte der
Rivista d'Arte eine ausführliche Darlegung feiner For-
fdiungsergebniffe geben, der wir nicht vorgreifen wollen.

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