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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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14. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0559

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AUSSTELLUNGEN

PARIS Eine Woche nach Schluß der Manet-
Äusftellung bei Bernheim hat unsVOLLÄRD in der
rue Lafitte mit einer Cezanne-Ausftellung be-
glückt: 24 Ölbilder, Bildniffe, Perfonengruppen
und figürliche Kompofitionen und zwei Lithogra-
phien. Vor der Galerie Vollard halten nicht wie
vor Bernheims elegantem Haufe die Equipagen
aus dem Faubourg; eine ftillere Gemeinde findet
fich hier. Manet hat heute immerhin mondänen
Ruf, wenn allerdings auch die Mondänen heute
noch nicht einmal nach dem Befiß feiner Bilder
geizen. Cezanne aber gilt durchaus noch nicht als
fakrofankt. „Die Kunft ift nur für eine befchränkte
Anzahl von Menfchen“, fagte er cinft. Und nur
die geringe Zahl der Künjtler und Sammler findet
fich in Vollards Rumpelkammer ein, die durch
ihn zum Tempel wird. Das würden die kon-
ventionellen comtes und ducs des Faubourgs
nicht empfinden; aber die Künftler, die hierher-
kommen, fühlen es. Ihre Stirn wird heiß und
ihre Wangen röten fich. Der Geift der Kunft
eines Myftikers wühlt fie auf. Diefe Ewigkeits-
kraft mangelt Manets Malerei. Ihre Bedeutung
wird bleiben. Sie ift hiftorifch feftgelegt und
als gefeßmäßige Notwendigkeit eingereiht. Je
weiter die Zeit vorfchreitet, um fo mehr perfön-
lichen Abftand gewinnen wir von ihr. Wir be-
ruhigen uns, bewundern den großen, ftarken,
edlen Realismus, die kräftige Gefte, die erkennt-
nisfrohe Männlichkeit; aber wir fehen auch, daß
ihr die Vertiefung des Endlichen ins Unendliche
nicht in dem Maße geglückt ift, wie Paul Cezannes
Kunft. In der mgftifchen Durchleuchtung des
Realen ift Cezanne größer als Manet. Ift diefe
Deutung die richtige? Durchleuchtet er das Reale
myftifch? Geht er nicht vielmehr vom Kern aus?
Er gibt nicht Zeichen und Äusdrucksteile vom
Gefehenen. Er fucht intuitiv die Ganzheit zu be-
greifen. Er gibt in feinen Bildern nicht einzelne
Erinnerungsmomente, fondern Äbftraktionen der
gefchauten und erlebten Ganzheit; darum trägt
feine Kunft den Stempel der ewigen Jugend.
Der Strenge diefer künftlerifchen Methode wegen
lebt in feinen Bildern auch eine konfequente
Mathematik, die ihn oft zuPouffin, oft zu David
emporfdhweben läßt. Alle Romantik, alle Zufällig-
keit ift aus feinem Werk gebannt; fie ift frei
und zukunftsfchwanger. Darum lieben ihn die
Heutigen, die das Morgen erftreben. Neben den
berühmten Spielern find etwa ein Dutjend Bild-
niffe zum erften Male öffentlich ausgeftellt, aus
deren ftrukturlofem Farbenwellen fich myftifch der
Geift erhebt.

In der GALERIE DRUET lud Ariftide Maillol
zur Befichtigung zweier Bronzen in 2/3 Lebens-
größe ein, die er für ein Moskauer Schloß ge-
fchaffen hat. Darf man diefe beiden Figuren als

rafche Beftellungsarbeit beurteilen? Den Nei-
gungen Maillols zum frühen Griechentum und
zur Renaiffance hat fich irgend etwas Äffyri-
fches und Chinefifches beigemengt, so daß fich
der Künftler in ein arges Dilemma verfangen hat.
Und in diefem Dilemma hat er viel von feiner
innerlichen Kraft eingebüßt. Hoffentlich ift das
nur eine Übergangsepisode.

Der Schweizer Bildhauer Haller, der feit einem
Jahre in Paris lebt, und fchon in Rom, bevor
er Maillol kannte, eine ähnliche Gefinnung wie
die des Franzofen offenbarte, hat felbftändig
diefe Gefinnung vertieft und geweitet. Er ftrebt
in feinen Steinfkulpturen gefammelte Ruhe vor
dem Moment ausgreifender Bewegung, ftrenge
Gefchloffenheit, ftilifierten Realismus an. Seine
prachtvollen Figuren, die im neuen Künftlerhaus
in Zürich Aufteilung finden, zeugen von bedeu-
tender Kraft und innerlicher Schönheit. Nur
wenige der Jüngeren find ihm gleich zu ftellen.

In der GALERIE DERAMBEZ hat Louis Vaux-
celles eine Ausftellung malender Frauen veran-
ftaltet, die hübfche Sachen enthielt. Bedeutend
erfchienen einzig die Bilder einer jungen Deut-
fchen, Sophie Wolf, deren glückliche Begabung
fich von fahr zu Jahr weitet. Ein ftarker Sinn
für Harmonie macht jedes ihrer Bilder zu einem
in fich felbft beruhenden Kunftwerk. Auch fie
hat den Weg von Realismus zur Abftraktion
zurückgelegt; und alle Stationen diefes Weges,
den diefe intelligente und gefchmacksfichere
Dame zurücklegte, find bemerkenswert.

Die GALERIE BERNHEIM hat eine Ausftellung
ruffifcher Maler zufammengeftellt, unter denen
die Dekorateure, die für das ruffifche Ballet Ent-
würfe fchufen, dominieren, elegante, ausdrucks-
volle und phantafiereiche Skizzen und Studien.
Die Bilder der Ruffen lehnen fich ftark an van
Gogh und Cezanne an und rechtfertigen nicht
die enormen Preife, die fie verlangen.

Endlich ift eine Ausftellung von Kunftgläfern
im MUSEE GALL1ERA zu erwähnen. Sie gibt
einen Überblick über das Schaffen Galles, das
in Deutfchland hinlänglich bekannt ift. Neben
ihm werden noch eine Reihe moderner Künftler
wie Cros,Decorchement,Despret, de Jeumont ufw.
gezeigt. O- G-

WIEN Im Herbft diefes Jahres wird in den
Räumen der Wiener „Sezession“ eine retro-
fpektive und internationale „FRAUEN-KUNST-
AUSSTELLUNG“ (unter dem Protektorate des
Erzherzogs Rainer) ftattfinden; fie verfpricht,
dank den intenfiven Vorarbeiten, einen gefchlof-
fenen Überblick über die künftlerifche Tätigkeit
der Frau während der leßten vier Jahrhunderte

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