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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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16. Heft
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Foerster, C. F.: Einige Erzeugnisse der Berliner Porzellanmanufaktur und ihre Vorbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0617

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EINIGE ERZEUGNISSE DER BERLINER PORZELLANMANUFAKTUR

Sie gehört einer Folge von zehn Figuren an, welche die Gefchichte der Entdeckung des ver-
kleideten Achilles unter den Töchtern des Lykomedes durch Odyffeus darftellt und kurzweg
als „Die Töchter des Lykomedes“ bezeichnet wurde. Warum die Serie der Marmororiginale,
die das Glanzftück des Antikentempels bildete und in ihrer Zeit als „presque unique
dans son genre“ und nur der „fameuse Familie de Niobe“ vergleichbar galt1, heule
vergeffen find, liegt fchon in dem Umftand angedeutet, daß das Vorbild der abge-
bildeten Porzellanfigur jet$t im Kaifer Friedrich-Mufeum fteht. An ihm ift nämlich nur
der Torfo von der Bruft abwärts und der linke Oberfchenkel antik. Alles übrige ift
von der Fland Lambert-Sigisbert Adams, der überhaupt als der eigentliche Schöpfer
der Lykomedes-Serie bezeichnet werden kann, da er aus zehn von dem Kardinal
Polignac bei Frascati gleichzeitig entdeckten antiken Slatuen, denen allen die Köpfe
fehlten, durch willkürliche Ergänzungen einen als Kaufmann verkleideten Odyffeus,
einen Achill in langem weiblichen Gewand mit Speer und Schild in den Händen, die
Gattin und fieben Töchter des Lykomedes machte, obwohl fie fichtlich nicht alle zu-
fammengehörten und fchon im Polignacfchen Verzeichnis und bei Oefterreich2 unter-
fchiedlich als „ouvrage Grec du premier rang“, „ouvrage Romain du second rang“,
„ouvrage Grec du troisieme rang“ ufw. bezeichnet werden. Als dann die Statuen mit
den anderen Antiken der Polignacfchen Sammlung, die 1742 von Friedrich dem Großen
angekauft worden war, in das 1827 gegründete Alte Mufeum gekommen waren,
wurden der Achilles und einige der Töchter des Lykomedes als kitharafpielender Apollo
und als Mufen erkannt und im Atelier Rauchs entfprechend umreftauriert. Die bekannte
Statue der Polyhymnia ift eine von ihnen. Die abgenommenen Adamfchen Köpfe
wurden mit Sockeln verfehen und in den königl. Schloffern zur Dekoration verwendet.3
Nur die knieende Sandalenbinderin blieb in ihrem alten Zuftande und wurde der
Sammlung neuerer Skulpturen zugewiefen. Außer diefer ift die Statuettenfolge aus
Porzellan das einzige, was heute noch von den einft fo berühmten „Töchtern des
Lykomedes“ übriggeblieben ift.

1 Matt. Oefterreich, „Description . . des Groupes, Statues etc. qui forment la Collection de
S. M. le Roi de Prusse“. Berlin 1774. S. 56 ff.

2 Ebenda.

3 Seidel, „Franzöfifche Kunftwerke im Befitj S. M. des Kaifers“. Berlin 1900.

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