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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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16. Heft
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Marcus, Felix: Die "Belgische Kunst des 17. Jahrhunderts"
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0619

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DIE „BELGISCHE KUNST DES 17. JAHRHUNDERTS“

Veranftaltungen in Brügge, welche den Primitiven und dem „Goldenen Viiefe“ gegolten
hatten und von dem verdienten Kunftfreunde Baron Kervyn de Lettenhove organijiert
waren, wurde 1907 eine Ausheilung zur Feier des vor 250 Jahren verftorbeneu Tier-
malers Franz Snyders ins Auge gefaßt, aber wieder aufgegeben, für 1910 war eine
folche zur Erinnerung an den 1610 geborenen David Teniers jr. in Ausficht genommen
und dann zu einer des „Albert- und Ifabella-Zeitalters“ erweitert. Diefe leßtere, vom
Minifter Baron Descamps-David in Vorfchlag gebrachte Benennung wurde dann
aus politifchen Gründen aufgegeben, in eine folche der Rubensperiode umgewandelt,
bis endlich die Überfchrift „Belgifche Kunft des 17. Jahrhunderts“ gewählt wurde, welche
nur infofern nicht ftimmt, als es damals einen politifchen Begriff Belgien nicht gab.

Der Minifterialdirektor Cyrille van Overbergh, welcher große Verdienfte um
die uns befchäftigende Veranftaltung hat, wollte in ihr einen Überblick über das kiinft-
lerifche Schaffen jener Periode und über die Evolution, welche dasfelbe durchlaufen
hat, geben. Es kam ihm, wie er fich zu uns äußerte, weniger darauf an, möglichft
viel Glanzftücke zufammenzubringen, als die Stufen zu zeigen, welche die Kunft auf
den verfchiedenen Gebieten derfelben zurückgelegt hat, bis fie auf ihrem Höhepunkt
angekommen war. Von diefem Gefichtspunkte aus ift die Ausftellung ohne Zweifel
höchft inftruktiv für Künftler, Kunftfreunde, das Kunfthandwerk und das große Publikum.

Das Erdgefchoß beginnt mit der Eintrittshalle, welche durch acht große, vom
„Mobilier National“ in Paris geliehene Gobelins, die Gefchichte Konftantins nach Rubens-
fchen Kartons darftellend, geziert wird. An diefe fchließen fich 16 Räume, von denen
fechs die Wohnung eines reichen Haufes im 17. Jahrhundert mit alten Meubeln, Bildern,
Webereien und kunftgewerblichem Zierrat fchildern. Es folgt ein Raum mit 154 Hand-
zeicheichnungen, davon 24 von van Dyck, ein Saal der Stiche und Radierungen,
einer mit Gegenftänden der religiöfen Kunft, einer Militärifches betreffend, Feftungs-
bauten und -pläne, Bilder, Tapifferien, Stiche mit Schilderungen von Schlachten, Belage-
rungen, fodann Waffen. Dann wird durch Bildniffe und Stiche, Wappen und Diplome
eine Darftellung des Lebens der Ritter und Großen des Landes gegeben, in dem
nächften Zimmer eine folche des bäuerlichen Lebens. Es folgen einige Kabinette mit Land-
fchaften und Marinen, fowie mit Schilderungen der Gebräuche der damals mächtigen
Korporationen und Gilden. In Saal 14 befindet fich eine Anzahl von Halsketten, zife-
lierten Platten, Schüffeln, Trinkgefäßen und Fahnen von feltener Schönheit und Pracht.
In einem Raume find zahlreiche Dokumente, Regifter, Bullen, Infchriften und Auto-
graphen, darunter eigenhändige Briefe von Rubens u. a., Stempel und Siegel vereinigt,
der leßte enthält eine Kapelle mit den dazugehörigen Kultusgegenftänden. Nach Schluß
der Ausftellung wird in diefen Räumen eine Abteilung für kirchliche Kunft inftalliert
werden, die fich in ihrer äußeren Geftalt durch gotifche Architektur charakterifiert.

Der der Evolution des Kupferftidis gewidmete Saal 7 enthält eine von Herrn R. van
Baftelaer, dem Konfervator des königl. Kupferftichkabinetts mit großer Sachkenntnis ge-
ordnetes Enfembie von Blättern, welche 1607 beginnend, eine Überficht der Entwicklung der
Gravierkunft gewähren, die höchft lehrreich ift. Lucas Vorftermann, Paul Pontius, Boiswert
find vertreten, die Ikonographie des van Dyck in vorzüglichen Drucken ift da u. a. m. In
der Abteilung für religiöfe Kunft befinden fich herrliche Kelche, Oftenforien, die Reliquien-
fehreine von St. Eloi und S. Cryfoftomus aus der Kathedrale von Brügge, von St. Macaire,
aus St. Bavon in Gent, Prachtftücke aus Hai, Löwen, und Dinanderien aus diverfen Kirchen.

Die zum erften Stock führende Treppe und die oberen Wände find mit Gobelins
verfchiedener Herkunft und Fabrikation bekleidet. Darunter befinden fich acht flämifche

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