Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0674
DOI Heft:
18. Heft
DOI Artikel:Braun, Edmund Wilhelm: Einige Neuerwerbungen des Kaisers Franz Josef-Museums zu Troppau im Jahre 1909
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0674
NEUERWERBUNGEN DES KAISER FRANZ JOSEF-MUSEUMS ZU TROPPAU
Kenfington-Mufeum1 und im Berliner Mufeum.'1 2 3 * * * *
Eine öfterreichifche Kopie eines folchen franzöfi-
fchen Diptychons, die gleichfalls noch aus dem
14. Jahrhundert ftammt, befifet z. B. das Stift
zu Kremsmünfter in Oberöfterreich.
Abb. 7 reproduziert eine filbertaufchierte,
durchbrochene Meffingkugel, eine feltene fara-
zenifch-venezianifche Arbeit aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts. Gay hat das Stüde
wegen feiner kompletten Innenausftattung im
„Glossaire“ als „chauffe-mains“ abgebildet, fie
ift aber in Wirklichkeit eine venezianifche Räu-
cherkugel, ein „profumego lavarado da pomo“,
die in venezianifchen Häufern dazu verwendet
wurden, um Räucherwerk in ihnen zu ver-
brennen und fie dann auf den Teppidien um-
herzurollen. Der halbkugelige Behälter im Innern
ift derartig beweglich angebracht, daß er beim
Rollen ftets in der Horizontallage bleibt und
fo die Gefahr vermieden ift, daß das glühende
Abb. 6. Franzöfifche Elfenbein fchniljerei. Räucherwerk den Teppich in Brand fefejt. Die
14. Jahrh. Mufeum Troppau Technik diefes profumego ift die der oft-
islamitifchen fogenannten Moffulbronzen. Ur-
fprünglich erzeugten die in Venedig wohnenden farazenifchen Künftler folche Räucher-
kugeln ebenfo wie Schüffeln, doch bald übernahmen die venezianifchen Meifter
deren Technik und Herftellung. Wir verdanken die Kenntnis der Beftimmung diefer
zierlichen Arbeiten den prächtigen er-
gebnisreichen Studien Ludwigs über
venezianifchen Hausrat zur Zeit der
Renaiffance.8
Aus der erften Hälfte des 16. Jahr-
hunderts ftammt ein forgfältig in
Birnbaumholz gefchnittenes und mit
Ölfarbe getöntes Relief mit der Dar-
ftellung des hl. Chriftophorus (Abb. 8),
die dadurch intereffant ift, daß fie
eine feltene Variante des fo häufig
vorkommenden Motivs bildet, indem
1 Maskell, „Deskription of the ivories,“
London 1872. Nr. 294. Mit Abbildung.
- Vöge, „Die Elfenbeinbildwerke des
Berliner Mufeums“. Nr. 100 u. 101. Tfl. 31.
3 Italienifche Forfdiungen I, 1906, S. 268,
vgl. übrigens auch meine oben angeführte
Befprechung im „Cicerone“ und mein Ka-
pitel über „Kunftgewerbe im Kulturgebiet
des Islam“ in Oldenburgs „Gefchichte des
Kunftgewerbes“ II, S. 660.
Äbb. 7. Silbertaufchierte Räucherkugel aus Meffing.
Venezianifch. 15. Jahrh. Mufeum Troppau
608
Kenfington-Mufeum1 und im Berliner Mufeum.'1 2 3 * * * *
Eine öfterreichifche Kopie eines folchen franzöfi-
fchen Diptychons, die gleichfalls noch aus dem
14. Jahrhundert ftammt, befifet z. B. das Stift
zu Kremsmünfter in Oberöfterreich.
Abb. 7 reproduziert eine filbertaufchierte,
durchbrochene Meffingkugel, eine feltene fara-
zenifch-venezianifche Arbeit aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts. Gay hat das Stüde
wegen feiner kompletten Innenausftattung im
„Glossaire“ als „chauffe-mains“ abgebildet, fie
ift aber in Wirklichkeit eine venezianifche Räu-
cherkugel, ein „profumego lavarado da pomo“,
die in venezianifchen Häufern dazu verwendet
wurden, um Räucherwerk in ihnen zu ver-
brennen und fie dann auf den Teppidien um-
herzurollen. Der halbkugelige Behälter im Innern
ift derartig beweglich angebracht, daß er beim
Rollen ftets in der Horizontallage bleibt und
fo die Gefahr vermieden ift, daß das glühende
Abb. 6. Franzöfifche Elfenbein fchniljerei. Räucherwerk den Teppich in Brand fefejt. Die
14. Jahrh. Mufeum Troppau Technik diefes profumego ift die der oft-
islamitifchen fogenannten Moffulbronzen. Ur-
fprünglich erzeugten die in Venedig wohnenden farazenifchen Künftler folche Räucher-
kugeln ebenfo wie Schüffeln, doch bald übernahmen die venezianifchen Meifter
deren Technik und Herftellung. Wir verdanken die Kenntnis der Beftimmung diefer
zierlichen Arbeiten den prächtigen er-
gebnisreichen Studien Ludwigs über
venezianifchen Hausrat zur Zeit der
Renaiffance.8
Aus der erften Hälfte des 16. Jahr-
hunderts ftammt ein forgfältig in
Birnbaumholz gefchnittenes und mit
Ölfarbe getöntes Relief mit der Dar-
ftellung des hl. Chriftophorus (Abb. 8),
die dadurch intereffant ift, daß fie
eine feltene Variante des fo häufig
vorkommenden Motivs bildet, indem
1 Maskell, „Deskription of the ivories,“
London 1872. Nr. 294. Mit Abbildung.
- Vöge, „Die Elfenbeinbildwerke des
Berliner Mufeums“. Nr. 100 u. 101. Tfl. 31.
3 Italienifche Forfdiungen I, 1906, S. 268,
vgl. übrigens auch meine oben angeführte
Befprechung im „Cicerone“ und mein Ka-
pitel über „Kunftgewerbe im Kulturgebiet
des Islam“ in Oldenburgs „Gefchichte des
Kunftgewerbes“ II, S. 660.
Äbb. 7. Silbertaufchierte Räucherkugel aus Meffing.
Venezianifch. 15. Jahrh. Mufeum Troppau
608