Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0779
DOI Heft:
21. Heft
DOI Artikel:Deshairs, Léon: Der chinesische Geschmack des 18. Jahrhunderts
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DER CHINESISCHE GESCHMACK DES 18. JAHRHUNDERTS IN FRANKREICH
Lampas, creme und grün dekoriert auf kar'mefinrotem
Grunde Sammlung Chätel und Tafpriari
bewunderungswürdigem Schwung
zifeliert) bieten darin ihre Krüm-
mungen allzu verfchwenderifch.
Aber man fchuf auch in diefer
Art, unter der Regierung Lud-
wigs XIV., Werke von ausgezeich-
netem Ebenmaß und reizender Har-
monie, wie der fogenannte kleine
dos d’äne Schreibtifch, gezeichnet
J. Dubois, welchen wir hier wieder-
geben. Und als der Gefchmack
einigermaßen noch ruhiger ge-
worden, als man Schilfrohr und
Rokaille aufgab, um zu den klaf-
fifchen Verzierungen zurückzukom-
men, da blieben unfereKunfttifchler
dem Lacke treu. Die berühmten
Möbel von Carlin und von Molitor
im Louvre-Mufeum find Beweife
dafür. Doch auch ohne die Aus-
heilung zu verlaffen, fehen wir
mehr als ein Beifpiel davon: unter
andern einen fchönen Schreib-
fchrank mit Fallbrett, ein Werk
vonWesweiler, das von der frühe-
ren Sammlung Hamilton herrührt.
Seine viereckige Form, feine fteifen
Karyatiden, fein Fries aus Palm-
gezweigverkünden bereits dieKunft
des erften Kaiferreichs; fein Fallbrett
und feine beiden Türen find mit
Paneelen aus fchwarzem und golde-
nem Lack gefchmückt, worauf ein
japanifcher Künftler Figuren und
Landfchaften fcharf eingefchnitten
hat. Jedoch die fchönen Lackwaren
von China und Japan konnten den
Bedürfniffen der Kunfttifchler un-
möglich genügen. Gerade wie man
das Geheimnis des Porzellans ge-
fucht und gefunden, fo wurde auch
das Geheimnis des Lackes und der
Firniffe gefucht und gefunden. Jene
Nachahmungen find aber fehr un-
gleich. Es gibt deren recht mittel-
mäßige und unfchöne. Es gibt
deren aber auch fo gute, daß man
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Lampas, creme und grün dekoriert auf kar'mefinrotem
Grunde Sammlung Chätel und Tafpriari
bewunderungswürdigem Schwung
zifeliert) bieten darin ihre Krüm-
mungen allzu verfchwenderifch.
Aber man fchuf auch in diefer
Art, unter der Regierung Lud-
wigs XIV., Werke von ausgezeich-
netem Ebenmaß und reizender Har-
monie, wie der fogenannte kleine
dos d’äne Schreibtifch, gezeichnet
J. Dubois, welchen wir hier wieder-
geben. Und als der Gefchmack
einigermaßen noch ruhiger ge-
worden, als man Schilfrohr und
Rokaille aufgab, um zu den klaf-
fifchen Verzierungen zurückzukom-
men, da blieben unfereKunfttifchler
dem Lacke treu. Die berühmten
Möbel von Carlin und von Molitor
im Louvre-Mufeum find Beweife
dafür. Doch auch ohne die Aus-
heilung zu verlaffen, fehen wir
mehr als ein Beifpiel davon: unter
andern einen fchönen Schreib-
fchrank mit Fallbrett, ein Werk
vonWesweiler, das von der frühe-
ren Sammlung Hamilton herrührt.
Seine viereckige Form, feine fteifen
Karyatiden, fein Fries aus Palm-
gezweigverkünden bereits dieKunft
des erften Kaiferreichs; fein Fallbrett
und feine beiden Türen find mit
Paneelen aus fchwarzem und golde-
nem Lack gefchmückt, worauf ein
japanifcher Künftler Figuren und
Landfchaften fcharf eingefchnitten
hat. Jedoch die fchönen Lackwaren
von China und Japan konnten den
Bedürfniffen der Kunfttifchler un-
möglich genügen. Gerade wie man
das Geheimnis des Porzellans ge-
fucht und gefunden, fo wurde auch
das Geheimnis des Lackes und der
Firniffe gefucht und gefunden. Jene
Nachahmungen find aber fehr un-
gleich. Es gibt deren recht mittel-
mäßige und unfchöne. Es gibt
deren aber auch fo gute, daß man
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