Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

DOI Heft:
22. Heft
DOI Artikel:
Bombe, Walter: Vom Marmordavid Michelangelos und von anderen florentiner Kunstdenkmälern
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0823

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VOM MARMORDAVID MICHELANGELOS UND ANDEREN KUNSTDENKMALERN

Canalettos in der Galerie Efterhäzy zu Budapeft
dargeftellt ipt, befaß drei hintereinander auf-
fteigende Sißreihen, auf denen die Prioren der Re-
publik Plaß nahmen, wenn fie fich bei befonderen
Gelegenheiten dem Volke zeigten. Die Brüftung
wurde 1323 errichtet, wie fidi aus einer Prov-
vifione vom 27. Mai diefes Jahres ergibt. Nach
der Vertreibung des Herzogs von Athen wurde
am 27. November 1349 der Befchluß gefaßt, fie
wiederherzuftellen und die Antiporta zu be~
feitigen, die der Tyrann zur Verteidigung des
Palaftes hatte errichten laffen. Nachdem 1494
Piero de’Medici verbannt worden war, ftellte
man am Ende der Ringhiera die Judith Dona-
tellos auf, „salutis publicae exemplum“,
und am 25. Januar 1504 fand jene berühmte
Sitzung angefehener Florentiner Künftler ftatt,
in der über den paffendften Plaß zur Aufteilung
von Michelangelos Marmordavid beraten wurde.
Von den 18 Künftlern, die an der Sißung teil-
nahmen, fchlugen einige die Loggia dei Priori
vor, andere den Hof des Palazzo Vecchio, und
wieder andere die Stelle der Judith Donatellos,
links vom Portal des Palaftes. Michelangelo
felbft entfchied fich für den letzteren Plaß, der
auch gewählt wurde, und auf dem die Statue
bis zum Jahre 1873 geftanden hat. Die Ringhiera
zog fich auch an der Nordfeite des Palaftes hin,
und, wie Baldinucci in der Vita des Ammanati
erzählt, wurde diefer Teil der Ringhiera am
1. März 1573 befeitigt, als man den Neptuns-
brunnen errichtete und den Marzocco an den
Plaß verlegte, den er noch jetjt einnimmt. Wie
die Figur des Marzocco früher aufgeftellt war,
zeigt ein Blick auf die obengenannten alten An-
fichten des Palazzo Vecchio. Die Statue des
David aber wäre nie und nimmermehr an ihrem
höchft ungünftigen, ifolierten, 3 Meter von der
Faffade entfernten Plaße aufgeftellt worden, wenn
nicht gerade hier die Ringhiera nach einem mo-
numentalen Äbfchluß verlangt hätte. Die Brü-
ftung hatte auch den Zweck, das untere Gefchoß
des Palazza Vecchio mit feinen hochgelegenen
kleinen Fenftern weniger kahl erfcheinen zu laffen,
und diefen felben Zweck hatten nach Adolf Hilde-
brandts Änficht1 auch die Statuen Michelangelos
und des Bandinelli. Die breite Treppenanlage,
welche die ganzeHauptfaffadedesPalazzo Vecchio
einnimmt, erfcheint jeßt finnlos, da das Portal fich
nicht in der Mitte, fondern am äußerften Ende
rechts befindet. Urfprünglich waren die Stufen nur
dem Portal vorgelegt, in ähnlicher Weife, wie
bei der Loggia dei Lanzi. Die geplante Wieder-
herftellung der alten Brüftungsmauer wird fich

1 Rivista di Letteratura tedesca, Florenz, 2. Jahrgang,
Oktober—Dezember 1908.

auf die Abbildungen auf Fresken und Bildern,
deren oben gedacht wurde, zu ftüßen haben.
Einige alte Stiche, die den Bau darftellen und
in dem viel zu wenig von Kunftfreunden be-
fuchten Mufeo Topografico Fiorentino in der
Cafa Buonarroti hängen, find ebenfalls heran-
zuziehen.

Durch einen Zufall hatte der Berichterftatter
Gelegenheit, dem nächtlichen Transport des Mar-
morkoloffes und feiner Aufteilung beizuwohnen.
In wenigen Stunden war die Arbeit erledigt,
die ja der modernen Technik keine Schwierig-
keiten bot. Wie ganz anders mag fich im Jahre
1504 der Transport von der Domwerkftätte zum
Palazzo della Signoria vollzogen haben! Luca
Landucci berichtet in feinem Diario Fiorentino,
daß der Koloß aufrecht nach feinem Standort
getragen wurde, und aus einem von Gaye ver-
öffentlichten Dokument erfahren wir, daß Antonio
da Sangallo gemeinfam mit Simone dei Poilajuolo
den Transport der Statue leitete. Auch An-
tonios Bruder Giuliano hat fich in jener Zeit
lebhaft für ähnliche Aufgaben intereffiert, und
in feinem Skizzenbuche (Cod.Vat. Barb. Lat. 4424),
deffen Veröffentlichung Profeffor Chriftian Hül-
fen unternommen hat, finden fich zahlreiche
Zeichnungen von Mafchinen, die zum Fortbe-
wegen und Heben fchwerer Gewichte dienten.
Bemerkenswert ift bei allen die Anwendung der
Schraube ohne Ende, die in eine Zahnftange
eingreift und den auf Rollen gleitenden Gegen-
ftand in Bewegung feßt. Einige diefer Zeich-
nungen, z. B. Fol. 62, 62 v. und 71, ftammen aus
einem Kodex des Francesco di Giorgio, der nach
Promis zwifchen 1500 und 1507 gefchrieben ift.
Herr Prof. Hülfen hat dem Berichterftatter gütigft
erlaubt, aus feiner demnächft erfcheinenden Ver-
öffentlichung ein Blatt für die Lefer des Cicerone
zu reproduzieren (f. Abb.J.

Der Florentiner Magiftrat, der die Wiederher-
ftellung der Ringhiera in Äusficht genommen
hat, läßt fich auch fonft die Pflege der ihm an-
vertrauten Kunftdenkmäler angelegen fein. Im
Quartier der Eleonora da Toledo, das von der
demokratifchen Stadtverwaltung geräumt und
pietätvoll zu einem Mufeum für die defpotifche
und prachtliebende Gemahlin des erften Groß-
herzogs geftaltet worden ift, dauern die fchon
feit Jahren betriebenen Arbeiten fort. Die Räume,
deren Äusfchmückung der Herrfcherwille Eleo-
noras dirigierte, find zum größeren Teil in ihrer
urfprünglichen Pracht wiedererftanden. Jeßt follen
die durch Einbauten entftellten Biforafenfter wie-
der hergeftellt werden. Weniger erfreulich, als
die Erfcbließung der Wohnräume diefer Fürftin,
die einem halben Jahrhundert Florentiner Kultur
ihren Stempel aufgedrückt hat, ift die ebenfalls

750
 
Annotationen