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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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22. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0840

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VERMISCHTES

VERMISCHTES

EIN JÄPANISCHES URTEIL Die

Leier des Cicerone werden fidi vielleicht noch
der beträchtlichen Entrüftung erinnern, mit der
ein Teil der deutfchen Tagespreis die Nach-
richt aufnahm, daß die Sammlung chinefi-
fcher Gemälde der Frau Olga Julia We-
gener vom British Museum angekauft worden
fei. Der Verwaltung der Berliner Mufeen, der
es gelungen war, dielen Änkauf zu vermeiden,
wurden „Vorurteile und Eilurteile“, „Verurteilung
ohne Prozeß“, „Änfchauung von der abfoluten
Überlegenheit und Unfehlbarkeit der deutfchen
Sachverftändigen“, „Schreckliche Deutfchland-in-
der-Welt-voran-Stimmung“ und andere fchöne
Dinge vorgeworfen. Heute noch grollt diefer
edle und fachverftändige Zorn in Artikeln der
Tagespreffe, ja einer soi-disant Fachpreffe, hin
und wieder nach. Es wird darum intereffieren
zu hören, was die oftafiatifche Fachpreffe zu
diefer von den Berliner Mufeen wieder einmal
„verfäumten Gelegenheit“ zu fagen hat. Wir
geben deshalb im Folgenden einen Artikel der
japanifchen Monatsfchrift Bijitj'u no Nihon (Das
künftlerifche Japan), Jahrg. 1910 Nr. 8, im Aus-
züge wieder, der einen der beften japanifchen
Kenner oftafiatifcher Malerei zum Verfaffer hat.
Die Sammlung Wegener ift darin zwar nicht
ausdrücklich genannt, wahrfcheinlich weil der
Verfaffer nichts von ihr wußte. Da aber die
meiften chinefifchen Bilder der in dem Artikel
befprodhenen Äusftellung aus der Sammlung
Wegener ftammen, fo bezieht fich feine Kritik
natürlich auch auf fie.

„Die oft gehörte Meinung, daß das Verftänd-
nis der Engländer für oftafiatifche Kunft tief
unter dem der Franzofen und noch mehr unter
dem der Deutfchen ftehe, habe ich bei meinem
Befuche in England völlig beftätigt gefunden.
.Ich habe zwar bisher noch nicht Zeit ge-
habt, die englifchen Sammlungen genügend
kennen zu lernen, indeffen läßt ßch das Ver-
ftändnis der Engländer wohl fchon nach den
Sammlungen des British Museum beurteilen.

.Jeßt ift in einem Anbau des Print Room

eine Anzahl japanifcher und chinefifcher Ge-
mälde ausgeftellt und feit dem 17. d. M. (Juni)
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

.Es find 108 chinefifche und 2341 japanifdie

Gemälde ausgeftellt, chinefifche Gemälde von
einem dem Ku K’ai-chih (4.-5. Jahrh.) zugefchrie-
benen Makimono mit einer Art Sittenbild und
buddhiftifchen Gemälden des WuTao-tzu an bis

1 Das ift ein Irrtum. Es find nur 126 japanifche Ge-
mälde ausgeftellt.

rzu den neueren Arbeiten der Ming- und Ch'ing-
Zeit, japanifche von den Werken der Älttofafchule,
Sesshu, Soami bis zu den Meiftern der jetzigen
Periode, Zeshin und Gyösai. Der größte Teil
diefer Arbeiten ift von dem Verfaffer der „Picto-
rial arts of Japan“, Änderfon, erworben worden,
und es heißt, daß diefe Sammlung in England
ohne Rivalen fei. Es ift daher kein Wunder,
daß Engländer meiner Bekanntfchaft und die
Berichterftatter der Zeitungen diefe Äusftellung
für die glänzendße ihrer Art in England er-
klären. Leider aber findet fich kaum ein Werk
darunter, daß von dem wahren Wefen
oftafiatifcher Malerei eine Vorftellung
geben könnte, und die meiften Gegen-
ftände find fogar ganz wertlos.“ Es folgt
dann eine Kritik des von den Engländern fo
hoch gefchäßten Makimono des Ku K’ai-chih,
das für eine fehr mittelmäßige Arbeit der aus-
gehenden T'angzeit erklärt wird, während die
offenbar jüngere Schrift fehr gut fei, eine Be-
fprechung der intereffanten Funde Steins in
Turkeftan und ein längerer Bericht über Bingon’s
fchönenFund, die prächtigen chinefifchen Farben-
holzfchnitte, die das British Museum feit dem
Anfänge des 18. Jahrhunderts befißt.

Der oftafiatifche Kenner ift alfo zu einem noch
ungünftigeren Urteile über die Sammlung ge-
kommen, als die Berliner Mufeen. Vielleicht
aber wird man auch ihm die „Änfchauung von
der abfoluten Überlegenheit und Unfehlbarkeit
der deutfchen Sachverftändigen“ und „fchreck-
licheDeutfchland-in-der-Welt-voran-Stimmung“
vorwerfen?

DIE MÜNCHENER AUSSTELLUNG
IM PARISER HERBSTSALON Die

Äusftellung, über die wir bereits mehrfach be-
richtet haben, ift am 8. November gefchloffen
worden. Doch erfcheint es uns angezeigt, bei
diefer Gelegenheit in einem kurzen Rückblick
auf die Aufnahme zu fprechen zu kommen, die
die Äusftellung in Paris gefunden hat. Der
Erfolg der Münchener in Paris wird dadurch
bewiefen, daß der Befuch des Herbj'tfalons fich
in diefem Jahre gegen früher verdoppelt hat
(Vernißage 25000; Sonntags 3—5000; Tages-
durchschnitt 1800), daß die Befprechungen in
der Preffe von Paris und der franzöfifchen Pro-
vinz fich im Vergleich zum Vorjahre ebenfalls
verdoppelt haben (Paris 230, Provinz 91, Deulfch-
land59, übriges Ausland 40 Befprechungen), be-
weift weiter, daß die Münchener Äusftellung
tatfächlich ein Parifer Ereignis war. Alle Mün-
chener werden dem liebenswürdigen, großherzi-
gen und temperamentvollen Präfidenten Franß

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