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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0853

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MALEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN

„Shimbi Täikwan“ kundtun oder wenigftens ahnen laffen müffen, wo der Gipfelpunkt
oftafiatifchen Kunftfchaffens liegt. Die feit zwei Jahren beftehende feinfühlig aus-
gewählte oftafiatifche Kunftabteilung der Berliner Mufeen vermochte bisher auch nicht
recht zur Aufklärung beizutragen, obgleich hier jedermann Gelegenheit hat, ohne
Schwierigkeit wertvolle Schöpfungen von chinefifcher und japanifcher Hand zu fchauen.
Man bleibt, ohne [ich beirren zu laffen, bei den alten Anfchauungen ftehen und
weigert fich um- und zuzulernen. Eine ganze Reihe von Vorkommniffen der lebten
Zeit, auf die ich nicht näher eingehen möchte, zeigen das nur zu deutlich.

Und die Berliner Sammlung wäre wirklich fchon jeßt troß ihres kurzen Beftehens
geeignet, unfere Einficht in die fremden Beftrebungen vorwärtszubringen. Denn fie
ift, von Bofton etwa abgefehen, die einzige öffentliche oftafiatifche Kunftfammlung
außerhalb Japans, deren Material ernften Qualitätsanfprüchen genügt. Was fich in
anderen europäifchen Mufeen befindet, hat zum größten Teil nur ftoffliches und ethno-
logifches, bisweilen noch hiftorifches Intereffe. Beurteilen kann das allein der, der fo
viele in Oftafien als erftrangig anerkannte Malereien geprüft hat, daß ihm ins Blut
übergegangen ift, was Qualität bedeutet. Es würde ja auch, fcheint mir, bei keinem
der europäifchen Sammler und Sammlungsleiter darüber prinzipieller Zweifel herrfchen,
wenn fie erft einmal gute und fchlechte Werke desfelben Stiles und Motives neben-
einander gefehen und auf Pinfelftrich, Farbe, Ausdruck und Kompofition verglichen
hätten. Das alles, fo ausgefprochen, mag wie Überhebung klingen. Die Zeit wird
es aber zweifellos als wahr erweifen. Die Übereinftimmung der Maßftäbe und Urteile
mit denen der beften japanifchen Kenner dürfte wohl fchon jeßt eine wichtige Stüße
für die kühn klingenden Behauptungen fein. Natürlich kann fich die Berliner Samm-
lung nicht erftrangigen in Japan vergleichen. Auch das muß unzweideutig aus-
gefprochen werden. Aber die meiften der Berliner Bilder haben durchaus künftlerifche
Eigenfchaften und könnten in guten japanifchen Sammlungen, wenn auch nicht als
Höhepunkte, fo doch als trefflicher Durchfchnitt beftehen. Einzelnes erhebt fich fraglos
über den Durchfchnitt. Es ift dringend zu hoffen, daß unfere Mufeumsleitung das
hohe Niveau nicht finken und fich durch keinerlei Anfechtungen von ihrem Wege ab-
bringen läßt.

II.

Ehe wir nun ins Einzelne gehen, fei betont, daß nur ein kleiner Teil der Gemälde
aus der oftafiatifchen Kunftabteilung der Berliner Mufeen befprochen werden foll. In
diefem befchränkten Rahmen ift es unter allen Umftänden wichtiger, fich, wenn auch
nur einige, Hauptwerke zu eigen zu machen, als nach Vollftändigkeit zu ftreben. Ein
ernftes Kunftwerk wirklich in fich aufzunehmen, wird, fcheint mir, immer fruchtbarer
fein, als über eine ganze Reihe flüchtig hinzuhufchen. Die Auswahl, die getroffen
wurde, ift bis zu einem gewiffen Grade natürlich fubjektiv. Die Abficht war jeden-
falls, das Befte herauszuheben. Sicher wird man über einige Stücke anderer Meinung
fein können. Im großen und ganzen aber dürfte die Wahl einem Standpunkt ent-
fprechen, den man gewinnen muß, wenn man den weitaus größten Teil der bisher
bekannten oftafiatifchen Malereien an feinem Auge vorüberziehen läßt.1

In der Kunftabteilung der Berliner Mufeen find faft alle Perioden oftafiatifcher
Malerei anfchaulich vertreten. Von der Präfungsmalerei ift bisher nichts vorhanden.

1 Än diefer Stelle möchte ich Herrn Dr. Otto Kümmel, dem Leiter der oftafiatifchen Kunft-
abteilung an den Berliner Mufeen, für die freundlichen Auskünfte danken, die mir feine um-
faffende Schriftkenntnis gewährte.

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