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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0859

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MALEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN

Abb. 4. Kuo Hfi zugefchrieben, Landfchaft. Leichtfarbige Malerei auf Seidengrund. 74x45 cm

lichkeitsfreude ift dem knorrigen Stamm und dem zackigen Geäft des Baumriefen nach-
gegangen. Man denkt einen Augenblick an Dürer oder Altdorfer, bemerkt aber bald
die Stildifferenzen. Der Chinefe fpannt den Baum in eine Fläche, gibt nur die nötigften
Details, die immer etwas Traditionelles haben und taucht das Ganze in einen einheit-
lichen Ton. Wundervoll find die leichten Wellen um den Kiel des Bootes. Nur drei
oder vier Pinfelzüge, und doch hören wir das gleichmäßige Plätfchern bei der Fahrt,
fehen die Wellen fich öffnen und fchließen, ja fehen die ganze Wafferfläche belebt.
Man prüfe an den vielen Werken ähnlichen Inhaltes nur diefe Wellenlinien. Sie allein
fchon geben für die Beurteilung, fogar für die Zeit des Werkes wichtigen Anhalt. Im
Hintergründe verfchwimmende Berge, die ohne Trennung in die kaum bezeichnete
Wafferfläche übergehen. Diefe fernen duftigen Berge dürften dem europäifchen Auge
ungewohnt erfcheinen. Sie liegen fo hoch, daß man den Maler der falfchen Perfpek-
tive zeihen müßte — wofern er nämlich eine objektiv wahrheitsgetreue beabfichtigte.
Das ift aber nur bedingt der Fall. Diefe hochgelegten Berge, diefer doppelte Augen-
punkt erfcheinen dem Oftafiaten natürlich, weil er zuerft die Fläche des Bildgrundes
berückpchtigt, dann erft die zu erzielende Wirklichkeit. Ift doch der Bildgrund teil-
weife freigelaffen und trägt bedeutfam zur Wirkung des Ganzen bei. So verlangt er eine
Betonung, um feine Rolle auswirken zu können. Die fernen Berge heben den Flächen-
charakter des Bildgrundes nicht auf, und dennoch fchaffen fie die Illufion einer räum-
lichen Szenerie. Ähnlich ift es auf den meiften oftafiatifchen Landfchaftsfchöpfungen.

Ein Verhältnis zur alten oftafiatifchen Figurenmalerei zu gewinnen, wird dem
Europäer ganz befonders fchwer. Es gelingt ihm fo feiten, fich durch die Hecke
äußerer Fremdheiten einen Weg zu bahnen. Das ftrenge Fefthalten an einmal ge-

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