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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0878

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MALEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN

Äbb.21. Seffern, Landfchaft. Tufchmalerei auf Papier. 102X26 cm

Ras dem Befitje des Kondii-in in Kyoto

aufgedrückt haben und wohl ebenbürtig neben den großen Chinefen ftehen. Eine
gute Anzahl Arbeiten find mit abfoluter Sicherheit als von feiner Hand anzufehen.
Von einem auch nur einigermaßen fchlackenfreien oder vollftändigen Lebenswerk können
wir uns natürlich auch bei ihm noch keine Vorftellung machen. Die Berliner Sammlung
befitjt eine ganze Reihe von Bildern, die Seffhü traditionell zugefchrieben find oder
feinen Stempel und Namenszug tragen. Man kann nicht leugnen, daß diefe Werke
nicht nur wirklich zweifellos aus der Ashikagazeit herrühren, fondern auch künftlerifdi
Wert haben. Sie find weit entfernt von der Dujjendware, die einem allenthalben
gerne als „Seffhü“ aufgetifcht wird. Zwei von diefen Kakemono erfcheinen auch bei
ftrengfter Prüfung fo einwandsfrei, daß man nicht fehlgehen dürfte, die Hand des
Meifters felbft darin zu erkennen. Ein unbedingter Beweis ift natürlich unmöglich, da
Dokumentarifches fehlt. Ich ftelle das Hahn-Kakemono (Abb. 18) am höchften. Nichts
Genußreicheres, als nachzuempfinden, wie diefer krähende Hahn dem Pinfel des Meifters
entwachfen ift. Keine Linien, nur mit breitem Pinfel erzeugte volle Züge. Ein Klar-
heitswollen des Pinfelftriches, daß fich nicht mit anatomifcher Klarheit und Wahrheit
deckt, ohne ihnen etwa entgegenzuarbeiten. Wahrheit im wiffenfchaftlichen Sinne ift
hier nur negierendes Moment, nicht konftituierendes, um mit Lipps zu fprechen. Die
Konzentriertheit des Wollens füllt jeden Strich mit denkbar reichftem Leben. Man ana-
lyfiere den Kopf, den Körper, die ftolz gefchwungenen Schwanzfedern und lebe fich
ein in den prachtvollen Rhythmus, der des Künftlers Hand durchbebte. Das zweite
Werk, das ich Seffhü Zutrauen möchte, ift ein Hahacho (Abb. 19). Die ganze

Schlichtheit der guten Zeit oftafiatifcher Malerei, ihr gänzlicher Verzicht auf jed-
wedes augendienerifche Mittel, ihre durchgeiftigte Gefchloffenheit begreift fich hier.
In einen reichen Pinfelzug gedrängt, biegt fich der Zweig in feffelnder Kurve nach
oben. Aus einem tieffchwarz fchimmernden Tufchfleck entwickelt fich der Vogel

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