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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

feinen glatten, zweckmäßigen Formen neuzeit-
lichen Anfprüchen durchaus entgegen: man ver-
zeiht feinem vornehmen, kultivierten Äußeren
den Mangel an fchöpferifchen Gedanken, denn
er ift faft mehr eine Kopie nach altem Vorbild
als ein modernes Möbel. Schlimm, ganz fchlimm
wird es aber, wenn Barock oder Louis XVI. den
Grundton abgibt für die angeblich moderne
Leiftung. Nicht daß eine moderne Form vom
Himmel fallen könnte, aber verlangen dürfen
wir eine künftlerifche Verarbeitung, ein immer
unmerklicheres Äufgehen des Alten im Neuen.
Mit folchen Änfprüchen darf man kaum an die
Dänen herangehen. Es ift fchrecklich anzufehen,
wie ungefchlacht und kloßig hier fchwere, er-
kältend ungemütliche Stücke entftanden find, ein
Buffet in fchwimmend unbeftimmten Formen,
eine Standuhr — alles das behaftet mit den
Merkmalen diefes oder jenes hiftorifchen Stiles,
aber ohne deffen Reiz oder die Grazie ja felbft
die Kraft, an deren Stelle die Plumpheit getreten
ift. Gewiß fpricht fich aus den dargebotenen Proben
ein gemeinfamer Charakter, ein Zug zum Schwe-
ren, Soliden deutlich aus und mag als nationale
Eigenart rühmend hervorgehoben werden: es
folien ja Dänen und nicht Deutfche in diefen
Möbeln wohnen, wenn ihnen die Art zufagt, fo
mag es uns recht fein. Mit aller Entfdriedenheit
wollen wir uns aber gegen die wenden, die uns
glauben machen wollen, wir Deutfchen könnten
von den Dänen lernen. Mag es taufendmal
zutreffen, daß eine geradezu fabelhafte tech-
nifche Qualität diefen Dingen eigen ift, an der
fich unfere Handwerker ein Vorbild nehmen
folien, unfere Künftler folien es um des
Himmels willen nicht tun. Aus den Reihen derer,
die am tatkräftigften für das neue deutfche Kunft-
gewerbe eingetreten, find fcharfe Worte gegen
die reaktionär-hiftorifche Richtung der deut-
fchen Abteilung auf der Brüffeler Weltausftellung
gefallen: hier find fie aufs neue gegen die am
Plaße, die in Nichtachtung heimifcher Leiftung
eine fremde heraufloben, ohne zu fehen, daß
unfere wirklich guten Künftler diefes Stadium
hiftorifcher Befangenheit feit Jahren abgeftreift
haben. Wir wollen vorwärts und nicht zurück,
und wenn wir heute eine Äusftellung machen,
auf der etwa Behrens und Grenander, Paul und
Riemerfchmidt vertreten find, fo wird man unter
ihren Arbeiten unvergleichlich mehr Perfönliches
und durchaus Neues fehen, als es auch nur ein
einziger von den Dänen aufzubringen vermag.

Das beziehe ich auch auf die Kleinkunft mit
Ausnahme der Arbeiten in Porzellan, in dem die
Dänen uns unbeftreitbar überlegen find. Das
Material ift glänzend und eine Reihe diefer Sachen,
befonders dieTierplaftiken, find prächtig beobach-

tet und aufs Lebendigfte modelliert. Daneben
ftehen viele unbedeutende figürliche Stücke, Vafen,
auf denen fich der gefchmacklofefte Naturalismus
breit macht, und Gefäße aller Art, an denen man
fich mit den äußerlichften technifchen Mäßchen,
der gewagteften Durchbrucharbeit, die beinahe
an Laubfägetechnik erinnert, verfucht. Kraftvoll
und fchwer wirkt die Metallarbeit, gleichfalls
ausgezeichnet durch vortreffliche Technik, aber
ermüdend arm an Erfindung neuer dekorativer
Elemente und fchwerfällig in den Einzelheiten.
Nicht weniger enttäufchen die Wirkarbeiten und
Stickereien, die gerade jeßt in Deutfchland eine
farbenfröhliche Äuferffehung feiern. Überhaupt
merkwürdig wenig Farbenfreude in all diefen
dänifchen Erzeugniffen — das vielzitierte Wort
von der nordifchen Farbenfinnlichkeit kommt
hier wenig zu Ehren, folche trübfelig grauen,
grünen und fdiwärzlichen Töne, wie fie in
Möbelbezügen, gewirkten und geftickten Arbeiten
zur Geltung kommen, haben wir in Deutfchland
feit Jahren hinter uns.

Unendlich gehaltvoller und intereffanter wirkt
die architektonifche Äusftellung, eine umfangreiche
Vereinigung von Entwürfen und Photographien
zu und von ausgeführten Bauten. Die ausge-
prägte nationale Eigenart fcheint hier viel ficherer
und zielbewußter ihren Weg zu fuchen, wie bei
uns und fchajft in gefunder Fortentwicklung des
Hiftorifch-Gegebenen anfprechende, moderne
Schöpfungen, die fich durch vornehme Einfach-
heit und gefchmackvolle zurückhaltende Ver-
wendung von Zierformen auszeichnen. In diefer
Abteilung erwecken Joachim Skovgaards Fres-
kenentwürfe für den Viborger Dom berechtigtes
Intereffe. Änlehnend an byzantinifche und giot-
teske Vorbilder hat Skovgaard in ftrengem,
aber doch perfönlich eindrucksvollem Stil (fern
von der Art öder Hiftorienmalerei) formenfchöne
edle Kompofitionen gefchaffen, die wohl das
Befte find, was die neuzeitliche Kirchenmalerei
aufzuweifen hat. Vom Geift des Kunftwerkes
geben kleinere Originalkartons ein ebenfo gutes
Bild, wie es die Photographien von derGefamt-
wirkung tun.

Schon um der Ärchitekturabteilung willen ift
man für diefe Äusftellung dankbar. Auch den
Leiftungen des dänifchen Kunftgewerbes bringen
wir alles Intereffe entgegen und freuen uns am
Aufblühen diefes Kunfthandwerkes auf ähnlichen
Grundlagen, wie fie für das Unfere beftimmend
waren. Das was wir zu tadeln haben, richtet
fich nicht gegen unfere Gäfte, fondern gegen die
übereifrigen Propheten unter uns, die über das
Fernerliegende das Nächfte vergeffen. In diefem
Sinne ift es kein Glück, die dänifche Äusftellung
durch allerlei deutfche Städte umherzufchicken,

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