Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

DOI Heft:
1. Heft
DOI Artikel:
Braun, Edmund Wilhelm: Porzellangalanterien aus der Sammlung Dr. Paul v. Ostermann - Darmstadt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0046

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PORZELLANGALANTERIEN AUS DER SAMMLUNG v. OSTERMANN

Die auf der Farbentafel links unten abgebildete ovale Berliner Dofe (um 1770) mit vergol-
deter Silbermontierung ift auf allen Seiten und imDeckelinnernvon derfelben Hand mit bunten
tief farbigen holländifchen Trinkerfzenen in gelb und lachsrot gehöhten Relief rocaillen bemalt.

Der Frankenthaler Fabrik kann man wohl die gleichfalls auf der Farbentafel rechts
unten reproduzierte ovale Dofe mit bunten Buketts zufchreiben, die im Deckelinnern mit
einer bunten Gefellfchaftsfzene von kräftigem Kolorit bemalt ift, das auf die pfälzifche
Fabrik hinweift. Die beiden übrigen links und rechts oben auf der Farbentafel wieder-
gegebenen Dofen find Fulder Urfprungs und bilden mit einigen anderen Tabatieren von
derfelben Provenienz die wertvollften Galanterien der Sammlung Oftermann. Bei der
linken (ebenfo bei einer anderen gleichfalls abgebildeten Dofe mit der Darftellung einer
Dame am Spinett im Deckelinnern) beweifen die auf den Außenfeiten aufgemalten kräftig
gefärbten bunten figuralen Landfchaften beftimmt die Fulder Herkunft, denn diefelben
Szenen finden fich auf Frühftücksgefchirren mit der Fulder Marke wieder. Von anderer
Hand, aber wohl auch Fabriksdekor, ift die feine Szene im Innern des Deckels: eine junge
elegante Dame fitjt vor ihrem Toilettentifch; umrahmt ift das ovale Bild durch einen von
Blumen umgebenen zierlichen Rahmen in radiertem Gold.

Die figuralen Darftellungen auf der zweiten Dofe (rechts oben), befonders die Komö-
dienfzene auf dem Boden und dem Deckeläußeren, auch die beiden Darftellungen auf der
Leibung find gleich auf Fulder Gefchirren nachweisbar. Charakteriftifch ift befonders die
dunkelbraune Farbe des geftrichelten Bodens und der teilweifen Konturierung der reliefierten
Rocailleeinrahmungen.

Von großer Seltenheit find die beiden Kaffeier Dofen der Sammlung Oftermann. Die
größere derfelben, aus der Sammlung Frit} Clemm, die rechteckige langeftreckte, ift mit
kräftigen, eifenroten, figuralen landfchaftlichen Szenen in Reliefrocailleumrahmung bemalt,
die vom blauen Hintergründe fich abheben. Das Bild im Deckelinnern ift nach einem
Stiche des Augsburgers Nilfon kopiert worden. Das allerdings nicht fehr umfangreiche
Vergleichsmaterial an Kaffeier Porzellan, das fich zum größten Teil im Kaffeier Mufeum
befindet, hat Oftermann mit Recht zu der Zufchreibung an diefe Fabrik beftimmt, ebenfo
wie bei der zweiten kugeligen Dofe mit kleinen purpurfarbenen Seelandfchaften und einer
vor waldigen Hintergründe fixenden Dame, welche die Laute fpielt.

Kleine zierliche Blumenbuketts in aufgemalten Goldrocailleumrahmungen auf sämt-
lichen Flächen einer kleinen rechteckigen Dofe mit einer bunten hübfchen Mufikfcene im
Deckelinnern erweifen das Stück als eine charakteriftifche Höchfter Malerei um 1765,
während das niedliche Löfchhörnchen mit oberen reliefiertem Akanthusblattfries und drei
durch Goldmafchen bekrönten Feldern, von denen zwei bunte Buketts, das dritte die gol-
dene Infchrift „Bon Soir“ trägt, in die klaffiziftifche Periode der kurmainzifchen Manufaktur
gehört. Derfelben Zeit gehört auch der figurale Flakon in Geftalt eines Knaben mit
Ziegenbock an einem Traubenftock an, der die Kopie eines englifchen Originals aus der
Fabrik zu Chelfea ift.

Eine Reihe von Klofter Veilsdorfer Gefchirren aus Frühftücks- und Speifefervicen find
in einer ganz eigenartigen und reizvollen Weife mit Blütenbuketts gemalt, die fofort er-
kenntlich ift. Diefe graziöfe leichte, impreffioniftfche, förmlich zerflatternde Blumenmalerei
finden wir auf dem Pompadourunterteil wieder, der fomit als ein ficheres Klofter
Veilsdorfer Werk zu beftimmen ift. Ebenfo erweift die Übereinftimmung mit markierten
Figuren diefelbe Provenienz für den figuralen Flakon in Form eines bemalten Mannes
mit Tragkorb. Ein weiterer Klofter Veilsdorfer figuraler Flakon in derfelben Größe und
von ganz verwandter Bildung ift im Befitje eines Wiener Sammlers.

23
 
Annotationen