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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0053

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ÄUSSTLLUNGEN

in der Form; eine Predella: Pieta, in derChriftus
faft wie ein junger griechifcher Heros mit
blondlockigem Haar und bartlos dargeftellt ift
(Eigentümer Sir John Stirling Maxwell) und das
Fragment einer großen Kreuzesabnahme: ein
Knecht auf der Leiter, ein Stück kühnen realifti-
fdien Sehens und fidlerer Beherrfchung fchwie-
riger Probleme verbunden mit feltfam anmuten-
dem Beharren in übernommenen Traditionen
(die Reiterfigur des Hintergrundes mit dem höl-
zern fteifenPferde!). Das intereffante Werk ge-
hört Sir Kenneth Muir-Mackenzie. — Eine mit
liebevollem Fühlen gemalte Verkündigung wird
dem Jacopo Bellini, von Berenfon aber einem
Künftler von der Ärt des Girolamo di Giovanni
daCamerino zugefchrieben (Sir Julius Wernher).
— Von dem Sohne des Gentile da Fabriano,
Francesco, von dem nur drei Bilder ficher be-
kannt find, findet fich hier das Porträt eines
jungen Mannes. — Wer die Äusftellung des
Klubs befichtigen will, muß fich durch ein Mit-
glied einführen laffen. — Von anderen Aus-
heilungen fei hier nur kurz auf die treffliche des
New Englifh Art Clubs in Suffolk Street hin-
gewiesen, in der Wilfon Steers Landfchaft, ein
Stück typifch englifche Landfchaft mit Hügel, Tal
und Fluß, diefen Meifter moderner Landfchafts-
kunft auf feiner Höhe zeigt. Das ganze Wefen
englifcher Landfchaft ist hier, durch Auge und
Herz eines Künftlers gegangen, aufgefangen und
verlebendigt worden. Diefe Landfchaft ift überall
und nirgends in England. F.

MAINZ Der Verband der Kunftfreunde in den
Ländern am Rhein wird hier im Sommer in den
Räumen des kurfürftlidien Schloffes eine kleine
gewählte Äusftellung rheinifcherLandfchaftsbilder
veranftalten.

MÜNCHEN Das Münchener Publikum drängt
fich in Scharen zu dem Oberlichtfaal der Kult-
handlung Thannhaufer, wo eine Reihe von
jungen Künftlern zum erftenmal ausgeftellt hat,
die in einer „neuen Künftlervereinigung Mün-
chen“ fich zufammengefdiloffen haben. Es ist
eine Senfation, ein verfrühter Fafchingsulk in der
toten Ädventszeit. Es geht zu wie wohl damals
am boulevard des Capucines, als die „Impreffio-
niften“ zum erftenmal ausftellten. Ich wage auch,
aber nur ganz befdieidentlich, daran zu erinnern,
daß es vor bald 25 Jahren im Münchener Kunft-
vereine eine ähnliche „Gaudi“ — fo nennt der
Münchener ein befonderes Feft, was der Wiener
mit „Heß“ bezeichnet — gegeben hat. Mir ßel
das zufällig im Frühjahr ein, als ganz München
von einer neuen Äusftellung diefes Künftlers,
der damals im Kunftverein verlacht wurde, be-

geiftert jubelte. Der Mann heißt Franz Stuck.
Die Zeiten ändern fich.

Allerdings fehlt den Mitgliedern der „neuen
Künftlervereinigung München“ dazu, d. h. zu
einem Ruhm im Sinne Stucks, die Vorausfeßung.
Sie find keine Beginner, fondern Vollender,
Schüler der Gauguin und van Gogh, ungelehrige,
feltfame Schüler, die gerade das Perfönliche des
Lehrers unperfönlich wiederholen. Mit einer
Ausnahme: Karl Hofer, der das Erbe von
Marees übernommen hat, und mit einem ficheren
Porträt, einem Harlekin, und einer Äktftudie
verblüffend dartut, daß er perfönliches Talent,
die Kraft zu ftarker malerifche Synthefe und im-
pofantes, technifches Können vereinigt. Auch
Paul Baums helle holländifche Landfchaften, und
eine Landfchaft von Erbslöh vertragen eine
Dofis Anerkennung. Bei den übrigen allen —
unter ihnen fei Girieud als befonders prädesti-
nierter bezeichnet — grenzt die Unwahrfchein-
lichkeit des „inneren Erlebniffes“ fo ungebärdig
an das Unvermögen zu einer anderen als paro-
diftifchen Malerei, daß man gut daran tut, was
fie da ausgeftellt haben, fchon jeßt fo einzu-
fchäßen.

Dennoch war es fehr richtig, daß die Äus-
ftellung nicht etwa auf eigne Fauft fich aufge-
tan hat, fondern daß Thannhaufer feinen Ober-
lichtfaal dazu hergab. Junge Künftler müffen
Gelegenheit erhalten, fich vor dem Publikum
auszufprechen. Schon mit diefem Erfolg dürfen
fie vollauf zufrieden fein. Ebenfo, daß ein
Künftler wie Hofer fich in ihre Reihen ftellt.
Vielleicht folgt diefen Zeiten beginnender Puber-
tät eine Zeit der Sammlung und der Reife. Da-
zu bedarf es einer Beherzigung: Kunft ift nicht
nur Äusfprache einer abfichtlich von andern fich
unterfcheiden wollenden Perfönlichkeitspofe, die
prinzipiell negiert, auf gut deutfch hinfchmiert,
was einem gerade einfällt. Sonft ftünden die
„inneren Erlebniffe“ des kleinen Moriß aus den
ßiegenden Blättern neben Rafaels Siftina oder,
meinetwegen, neben Greco. Es gibt zwar fchon
Leute, die fo denken.

Bei Heinemann find in glanzvoller Schau
etwa 40 Bilder, 50 Radierungen und einige Pla-
ftiken von Anders Zorn vereinigt, von welchen
der größere Teil auf der Kunftausftellung in
Venedig gewefen ift. Aus all diefen meifterlichen
Schöpfungen offenbart fich eine wuchtige Künftler-
fauft, die mit der autochthonen Farbenfreudigkeit
des echten fchwedifchen Stammesfohnes das
Leben packt, quellend und unerfchöpflich, wie
es fich eben dem fcharf blickenden Äuge überall
zeigt. Zorns Kunft ift die Bauernkunft feiner
Heimat, künftlerifdi-technifch gehärtet im Feuer

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