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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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2. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0084

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RUNDSCHÄU — SAMMLUNGEN

BERLIN Das KAISER FRIEDRICH-MUSEUM,
das foeben einen größeren Schub der Neuer-
werbungen des leßten Jahres in die definitive
Umgebung eingeordnet hat, löft bei diefer Ge-
legenheit feine „Lucas-Ausftellung“ auf und gibt
den Forfchern Gelegenheit die Florabüfte in einem
befonders hergerichteten Kabinett (dem ehemals
Wefendonckfchen) zu ftudieren und mit Bildern
und Photographien nach Bildern aus dem Lio-
nardokreife eingehend zu vergleichen.

Das Mufeum felber befißt mehrere hervor-
ragende Gemälde lionardesker Richtung mit weib-
lidien Idealfiguren, u.a. „Vertumnus und Pomona“
von Melzi, zwei Halbfigurenbilder Gianpie-
trinos, ein Freskobruchftück von Luini; er-
gänzend find verwandte Bilder wie eine Flora
des Palma Vecchio und eine Nymphe desfelben
Meifters hinzugefügt. Außerdem hängen in dem
Raume zahlreiche Reproduktionen nach Bildern,
die mit Lionardos Gioconda und ähnlichen Bild-
ideen Lionardos in Zufammenhang ftehen.

Der Kunftgefchichte erwächft, feitdem die
Heße Mr. Cookseys und feiner deutfchen An-
wälte immer mehr in öden Klatfch ausgelaufen
ift, die Aufgabe, das gefamte Material aus dem
Kreife Lionardos mit ganz anderer Gründlichkeit
als bisher durchzuforfchen und befonders auf
die zahlreichen Darftellungen der „Flora“ und
verwandter Themata in englifchem Privatbefiß
ein wachfames Äuge zu haben. Gerade die
Gefchichte der angeblichen „Vorlage“ für die
Büfte ift nach dieferHinficht ungemein lehrreich;
der fonderbare „Zufall“, daß das Bild in Bafildon
Park als diefe Vorlage „nachgewiefen“ werden
konnte, verliert von feiner Sonderbarkeit un-
gemein, nachdem diefer Nachweis wieder zweifel-
haft geworden ift und nachdem wir gefehen
haben, wie außerordentlich häufig Bilder — Ko-
pien wie Originale — diefer Gattung in England
und auf dem Kontinent find.

Was die materielle Unterfuchung der Büfte
anlangt, fo ift nach diefer Hinficht ohne Zweifel
mehr gefchehen als je bei einem anderen Kunft-
werk. Die Entfcheidung lieferte die chemifcheÄna-
lyfe der Farben durch Exzellenz Rählmann in
Weimar, deffen Unterteilungen für allehomines
bonae voluntatis den Urfprung der Büfte im
Beginn des 16. Jahrhunderts zur Evidenz dar-
taten und die törichten Redereien der englifchen
Kronzeugen über die Technik der Bemalung in
arger Weife bloßgeftellt haben.

Wünfchenswert wäre eine einwandfreie Nach-
modellierung (Kopie) der Flora durch einen dazu
befähigten Künder (um das koftbare Kunftwerk
vor den Eventualitäten eines Äbguffes in Gips
zu bewahren): an einer folchen Kopie könnten

Verfuche zur Rekonftruktion der Bemalung des
Gefülltes angeftellt werden, die über wichtige
Punkte (wie den Ausdruck der jeßt leer wir-
kenden Äugen) Aufklärung bringen dürfte. H y

FLORENZ Seit einiger Zeit war es nicht
möglich in jene leßten drei Säle ganz hinten am
Ende des zweiten langen Ganges der Uffizien
zu gelangen, wo ein Teil der Handzeichnungen
ausgeftellt war; unzugänglich war auch jene
fonderbare Lokalität, die fleh Gabinetto delle
Stampe nannte und überfüllt war, wenn die Be-
fucherzahl auf drei ftieg. Schon früher hatte man
die Räume im erften Stock gefchloffen, welche
die berühmte Sammlung der Künftlerbildniffe be-
herbergt hatte. Man war an einer großen Um-
und Neuordnung. Das Kabinett zog hinunter
ins erfte Stockwerk, die Sammlung der Künftler-
bildniffe hinauf in Räume, die für fie neu her-
gerichtet waren.

Etwas fpäter als anfangs geplant, zwei Tage
vor Jahresfchluß konnte die Einweihungsfeier
ftattfinden, zu der der Kultusminifter Daneo und
Corrado Ricci aus Rom eingetroffen waren. Beide
Herren hielten Änfprachen. Einen liebenswür-
digen Beitrag hatte die Florentiner Künftlerfchaft
zum Fefte gefteuert, einen Proteft.

Der Proteft ift an den Kultusminifter und gegen
die von Corrado Ricci feinerzeit inangurierte,
jeßt bald ganz durchgeführte Reorganifation der
Florentiner Mufeen, gerichtet. Zunächft fallen
entrüftete Worte über die „stranissimi cam-
biamenti“, als da find Umhängen von Bildern,
sowie „continue e incerte correzioni di epoca,
di fcuola e di autore, sui cartellini d’indicazione
delle opere“. Dann kommt die Sprache auf
einen „fatto graviffimo“, auf die Reinigung der
Bilder, die als ungefchickt und unverftändig be-
zeichnet wird. Als Beifpiel wird Moronis großes
Herrenbildnis in ganzer Figur genannt, das durch
die eben erfolgte Reinigung fchwer besfehädigt
worden fein foll.

Ricci deutete in feiner Rede an, daß man fich
durch Angriffe nicht davon abhalten laffen werde,
den eingefchlagenen Weg weiter zu gehen.
Es wird nicht nötig fein umftändlich darzulegen,
daß die gemachten Vorwürfe ebenfo unverftän-
dig als ungerecht find. Durch die Neuordnung
haben nicht nur die einzelnen Kunftwerke, fon-
dern auch die ganzen Sammlungen unzweifelhaft
gewonnen. Selbft in der Gallerie Pitti mit ihren
ungünftigen Lichtverhältniffen, mit ihrem Raum-
mangel und der Abhängigkeit der Verwaltung
von der Krone ift gefchehen, was gefchehen
konnte. Wo, wie in den Uffizien, weniger

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