Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0175
DOI Heft:
5. Heft
DOI Artikel:Clouzot, Henri: Über die gedruckte Leinwand in Frankreich (17. und 18. Jahrhundert)
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0175
ÜBER DIE GEDRUCKTE LEINWAND IN FRANKREICH
mehr in Frankreich felbft fabrizierte, fo wurden fie doch
von den Frauen mehr denn je getragen und die Ausländer
zogen ihren Vorteil aus dem Abfaß diefer Ware, der [ich
alljährlich auf mehrere Millionen belief.
Die Mode der gefärbten Tücher war anfangs nur ein
vorübergehender Gefchmack und fie wäre früher oder fpäter
mit der Überfättigung verfchwunden. Als verbotene Frucht
wurde jedoch der Kattun eine Paffion der Frauen, die den
guten Ton angaben. Man troßte den Edikten und man legte
die verbotenen Stoffe in den Tuilerien und auf allen Schau-
ftellungen an. Infolge eines hartnäckig betriebenen Schleich-
handels traf die ausländifche Ware überall an der Grenze
in Maffen ein. Die Schmuggler unter der Leitung von Mandrin
in der Provinz Dauphine führten die Ballen hundertweife
ein. Die Paffagiere auf der Rückreife von Holland oder von
England gingen in den Häfen von Kopf zu Fuß in Kattun
gekleidet an Land. Von 1681 bis 1716 verfuchten mehr als
30 Erläffe, die Pariferinnen zur Vernunft zu bringen. Nicht
nur die Schmuggler und Fälfcher wurden unbarmherzig ver-
folgt, fondern fogar gegen die Frauen, die fich erlaubten
Kattun zu tragen, wurden Strafen verhängt. Es entbrannte
eine wahre Fehde,
Block für den Druck.
Manufaktur von Nancy
Holzfchnitt oder Block für den Druck.
Manufaktur von Angers
ein kleiner Mode-
krieg, der 75 Jahre
lang dauerte und
der durch heroifche
Taten in beiden Lagern berühmt geworden ift.
In Pau begegnete der Intendant Barilion auf der
Straße einer Bürgersfrau, die eine Schürze in
gefärbter Leinwand trug, er bemächtigte fich
diefer Schürze und troß der Gefahr, die er lief,
fich die Hände zu verbrennen, ließ er fie am
Ofen eines nahen Huffchmiedes in Flammen auf-
gehen. In Paris befahlen die Zollbeamten den
Frauen, fich auszuziehen, und an einem einzigen
Tage verbrannte man 800 bis 900 befchlag-
nahmte Roben.
Die Mode behielt jedoch die Oberhand. Die
Frauen der Intendanten, welche beauftragt
waren, die ftrikte Befolgung der Edikte zu über-
wachen, waren felbft die erften, die die unterfag-
ten Stoffe trugen. Madame de Pompadour ftat-
tete im Schlöffe Bellevue eine ganze Zimmer-
flucht mit diefen Stoffen aus. Die Minifter ver-
fammelten fich zur Beratung über diefe fo be-
deutende Frage in Sälen, die mit englifchen
Seiden- und Kattunftoffen ausgefchmückt waren.
145
mehr in Frankreich felbft fabrizierte, fo wurden fie doch
von den Frauen mehr denn je getragen und die Ausländer
zogen ihren Vorteil aus dem Abfaß diefer Ware, der [ich
alljährlich auf mehrere Millionen belief.
Die Mode der gefärbten Tücher war anfangs nur ein
vorübergehender Gefchmack und fie wäre früher oder fpäter
mit der Überfättigung verfchwunden. Als verbotene Frucht
wurde jedoch der Kattun eine Paffion der Frauen, die den
guten Ton angaben. Man troßte den Edikten und man legte
die verbotenen Stoffe in den Tuilerien und auf allen Schau-
ftellungen an. Infolge eines hartnäckig betriebenen Schleich-
handels traf die ausländifche Ware überall an der Grenze
in Maffen ein. Die Schmuggler unter der Leitung von Mandrin
in der Provinz Dauphine führten die Ballen hundertweife
ein. Die Paffagiere auf der Rückreife von Holland oder von
England gingen in den Häfen von Kopf zu Fuß in Kattun
gekleidet an Land. Von 1681 bis 1716 verfuchten mehr als
30 Erläffe, die Pariferinnen zur Vernunft zu bringen. Nicht
nur die Schmuggler und Fälfcher wurden unbarmherzig ver-
folgt, fondern fogar gegen die Frauen, die fich erlaubten
Kattun zu tragen, wurden Strafen verhängt. Es entbrannte
eine wahre Fehde,
Block für den Druck.
Manufaktur von Nancy
Holzfchnitt oder Block für den Druck.
Manufaktur von Angers
ein kleiner Mode-
krieg, der 75 Jahre
lang dauerte und
der durch heroifche
Taten in beiden Lagern berühmt geworden ift.
In Pau begegnete der Intendant Barilion auf der
Straße einer Bürgersfrau, die eine Schürze in
gefärbter Leinwand trug, er bemächtigte fich
diefer Schürze und troß der Gefahr, die er lief,
fich die Hände zu verbrennen, ließ er fie am
Ofen eines nahen Huffchmiedes in Flammen auf-
gehen. In Paris befahlen die Zollbeamten den
Frauen, fich auszuziehen, und an einem einzigen
Tage verbrannte man 800 bis 900 befchlag-
nahmte Roben.
Die Mode behielt jedoch die Oberhand. Die
Frauen der Intendanten, welche beauftragt
waren, die ftrikte Befolgung der Edikte zu über-
wachen, waren felbft die erften, die die unterfag-
ten Stoffe trugen. Madame de Pompadour ftat-
tete im Schlöffe Bellevue eine ganze Zimmer-
flucht mit diefen Stoffen aus. Die Minifter ver-
fammelten fich zur Beratung über diefe fo be-
deutende Frage in Sälen, die mit englifchen
Seiden- und Kattunftoffen ausgefchmückt waren.
145