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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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8. Heft
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Scherer, Christian: Porzellanfiguren italienischer Komödianten und ihre Vorlagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0304

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PORZELLANFIGUREN ITALIENISCHER KOMÖDIANTEN

Verlag von Jeremias Wolff'Erben erfchienen ift und in lateinifcher wie in deutfcher Sprache
den nachfolgenden Doppeltitel führt: „Amor, vehementer guidem flagrans; artificiose
tarnen celatus, de Pantalonis custodiaque triumphans, intentato certamine prudentum stul-
torum. Sive Arlechin viva pictura riduculusque Cupido — Die zwar hefftig entflammte
Doch aber künftlich verborgene und über Pantalons Aufficht Triumphirende Amor, bey

angeftelltem Wett-Streit kluger Phantaften. Oder Arle-
chin das lebendige Gemählde und lächerl. Cupido.“

In diefem Foliowerk wird uns auf zwölf Blättern
mit ebenfoviel Bildern, deren jedes durch einen kurzen
Text in Profa und Poefie und zwar ebenfalls wieder
jedesmal in lateinifcher wie in deutfcher Sprache er-
läutert wird, eine jener, an allerlei grotesken Scherzen
und lächerlichen Situationen reichen Stegreifkomödien
vorgeführt, auf deren weitläufigen Inhalt näher einzu-
gehen [ich kaum verlohnen dürfte. Es fei nur kurz
darauf hingewiefen, daß es fich im wefentlichen um
allerlei Schliche und Liften handelt, die Arlekin, Sca-
ramuz und Mezzetin, die drei Diener des jungen Kauf-
mannsfohnes Cynthio, gegen Pantalon anwenden, der
feine Tochter Ifabella den Bewerbungen ihres Herrn auf
alle Weife zu entziehen fucht, bis er, überliftet und in
die Enge getrieben, fchließlich feine Einwilligung zur
Heirat der beiden geben muß. Dies der Hauptinhalt
der, Burleske, in deren Bildern alle uns bekannten
Perfonen der commedia dell’ arte in ihren charakte-
riftifchen Masken handelnd auftreten. Bildet das Werk
fchon aus diefem Grunde in allen Fällen, wo es fich
um die richtige Deutung und Benennung beftimmter
Masken handelt, eine wichtige Fundgrube, fo noch mehr,
wenn wir feine zwölf Stiche auf Inhalt und Form ihrer
Darftellungen etwas genauer betrachten.

Wir finden dann zunächft auf der fünften diefer
Darftellungen, die fämtlich von Joh. Balthafar Probft
nach Zeichnungen Joh. Jacob. Schüblers geftochen find,
die Figur des oben näher befchriebenen Pierrot wieder
Äbb. 1. Pierrot Leipzig, städtqches (Abb. 2). Genau in derfelben Tracht und Haltung mit
Kunftgewerbemureum pjnger am Munde und der Peitfche in der Rechten

fteht Pierrot, von Pantalon zum Hüter feiner Tochter be-
ftellt, vor der Tür des Haufes, in das der Capitain Rodomondo vergebens Einlaß begehrt.
Schon ein flüchtiger Blick auf beide Figuren zeigt die unmittelbare Abhängigkeit der Por-
zellanftatuette von dem Stich, fo daß ein näheres Eingehen hierauf wohl kaum not-
wendig fein dürfte.

Wie aber diefe Statuette, fo ift auch noch eine zweite demfelben Stiche entnommen. Hinter
Pierrot wird nämlich auf leßterem ein Arlekin fichtbar, wie er, mit Hut und Peitfche und
„mit einem aus des Pantalon Schreib-Stuben mitgenommenen Wechfel-Brief unter einem
hönifchen Compliment'“ foeben das Haus verläßt. Auch diefe überaus lebendig aufge-
faßte Figur ift unter den uns erhaltenen Porzellanftatuetten des 18. Jahrhunderts er-

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