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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0334

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VERMISCHTES

der liebenswürdigen Erlaubnis des Galeriedirek-
tors photographien laffen, und das war unter
den Umftänden das einzig richtige. Eine Kom-
miffion unabhängiger Fachmänner, deren Namen
am Schlup diefes Berichtes aufgeführt find, wird
die Photographien nun prüfen. Heute (13. Äpril)
veröffentlicht die „Morning Poft“ ein wahrhaft
erftaunliches Gutachten Mr. W. E. Barbers, den
Mr. Greig gebeten hatte, die Photographien zu
unterfudien. Mr. Barber fdhickt voraus, daß er
kein Kenner der fpanifchen Malerei fei, daß er
aber nach forgfältiger Unterfuchung mit voller
Sicherheit konftatieren könne, daß die Photo-
graphien unzweifelhaft deutliche Zeichen und
Buchftaben aufwiefen. Mr. Barber fchreibt nun
wörtlich: „In der von Mr. Greig angedeuteten
Ecke des Bildes finden fich einige Zeichen, die
meiner Meinung nach zufammen die Zahl 1764
ausmachen. Äuf diefes Datum folgt der große
Buchftabe H und ein mit dick aufgetragener
Farbe bedecktes Stück Leinwand, das wahr-
fcheinlich den Teil eines Wortes verbirgt. Äuf
einer anderen Stelle der Leinwand (wo?) fteht
ein Name, den ich alsMengs (!) lefe. Da, wie
ich höre, eine Kommiffion unparteiifdher Fach-
leute den ganzen Fall unterfuchen wird, fo
möchte ich ihnen meine Nachzeichnungen der
Buchftaben und Zeichen — einfchließlich noch
anderer Zeichen — vorlegen, die ich auf dem
Bilde erkenne.“

Faft wird man an die Äffäre der Florabüfte
erinnert. Eine chemifche Unterfuchung des Bildes
auf das Älter feiner Farben hin hat ja auch fchon
ftattgefunden. Äuf Betreiben desMalerpatriarchen
Sir William Richmond ließ der Direktor der
National Gallery etwas Farbe vom Rande des
Bildes, wo es auf den Blendrahmen aufgenagelt
ift, abkraßen und dem bekannten englifchen
Farbenchemiker Mr. Church zur Unterfuchung
aushändigen. Mr. Church fand, „daß fich Farben
auf der Leinwand befänden, die wohl nicht
älter als 150 Jahre fein könnten“. Ein Beweis
gegen das Älter des Bildes kann das natürlich
nicht fein, da eine Reftaurierung des äußerften
Randes nichts ungewöhnliches darftellen würde.
Wollen die Engländer aber partout einen Rafael
Mengs als Maler des Bildes haben, fo ift das
freilich ihre Sache.

Wer die gut beglaubigte „Gefchichte“ des
Velazquezfchen Meifterwerkes kennt, den wird
die ganze Äffäre nur als ein klaffifches Beifpiel
unferer modernen Zweifelfucht intereffieren. Daß
der „Fall Flora“ den „Fall Venus“ nach fich ziehen
würde, kommt in erfter Linie wieder der Preffe
gelegen, die fich mehr und mehr gewöhnt hat
derartigen Senfationen ftändig eine Rubrik neben
den Raubmorden und verwandten Delikten gaft-

lich offen zu halten. Vielleicht daß die Chronik
der Verbrechen dadurch eine kleine Entlaftung
erfährt!

Die folgenden Herren haben fich bereit er-
klärt, ein Komitee zur Unterfuchung der Photo-
graphien wie des Bildes felber zu bilden: F. G.
Kenyen, Direktor des Britifchen Mufeums; Sidney
Colvin, Vorftand der Kunftblätterabteilung des
Britifchen Mufeums; Sir Hugh Lane, Direktor
im Ehrenamt der ftädtifchen Gemälde-Galerie
in Dublin; Solomon J. Solomon, R.Ä., JohnMc.
Lure Hamilton und Walter Sickert, alle drei be-
kannte Maler; Ä. J. Finberg, Kunftkritiker;
William Mc. Kay, Kunfthändler, W. G. Rawlinson,
Kenner und Kunftfammler von Ruf. Der Re-
dakteur der Morning Poft wird dem Komitee
ebenfalls angehören, und der Hauptkunftkritiker
des Blattes, Robert Roß, wird als Schriftführer
figurieren. Wenn nötig, wird das Komitee auch
noch das Urteil befonderer Sachverftändiger
namentlich in bezug auf technifche, hiftorifche
und kaligraphifche Fragen einholen. F.

EIN ANGRIFF GEGEN H. VON
TSCHUDI Im Äprilheft der „Deutfchen Kunft
und Dekoration“ hat ein Maler H. Linde gegen
den Direktor der ftaatlichen bayerifchen Gemäl-
degalerien den ungeheuerlichen Vorwurf erhoben,
daß er den fchönen Rubens der Münchener
alten Pinakothek „Meleager und Ätalante“ um
die Hälfte verkleinert habe, „lediglich um ein
Pendant zum „Seneca“ zu gewinnen“. In Kreifen
der Kunfthiftoriker weiß man jedoch längft,
daß das Bild verftändnislofe Änftückelungen aus
nachrubensfcher Zeit, allerdings fchon aus dem
17. Jahrhundert, aufwies, durch deren Umbiegen-
laffen Tfchudi den echten Rubens wiederhergeftellt
hat. Sein Verfahren wird jeder Einfichtige billigen,
umfomehr als derfehr mäßige Erweiterer des Bildes,
wie eine genaue Betrachtung dartut, nicht mit,
fondern gegen Rubens gearbeitet hat. Er hat
deffen meifterhafteKompofition zerftört und völlig
finnlos gemacht, diesmal wahrfcheinlich aus dem
Bedürfnis heraus, das Werk einem Gegenftück
anzupaffen. Gerechtfertigt wird Tfchudis Ver-
fahren auch durch einen Stich J. Meyffens, fowie
durch eine Schulwiederholung in der Dresdener
Galerie und zwei weitere Wiederholungen in
franzöfifchem und englifchem Befiß, die fämtlidi
mit der jeßigen Erfcheinung des Bildes über-
einftimmen. Man muß fagen, daß die ganze
Ärt, in der der Angriff auf Tfchudi geführt wurde,
recht fonderbar berührt. Ein bischen guter Wille
nur, und es wäre durch Erkundung ein Leichtes
gewefen, die gegen den Direktor der bayerifchen
Staatsgemäldegalerien erhobenen Bedenken zu

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