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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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13. Heft
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Glaser, Curt: Die japanische Kunst auf der Japanisch-Britischen Ausstellung in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0521

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DIE JAPANISCHE KUNST AUF DER JAPANISCH-BRITISCHEN AUSSTELLUNG

abzufpielen. Kano Motonobu, der in [einem Heimatlande einen Ruf genießt, der nur
mit dem des Raffael in Europa verglichen werden kann, gibt der chinefifchen Landfchafts-
kunft ein eigenes, japanifches Gepräge. Uns fcheinen feine Werke wie die berühmten
Landfchaften aus demTokaian (Abb. 4) oder die jetjt als Kakemono montierten Wandbilder
des Reiunin allerdings etwas akademifch, und Kano Mafanobu, der eigentliche Schul-
gründer und Vorläufer des Motonobu, von dem das fchöne Kakemono-Paar mit dem Angler
am winterlichen See aus dem Befiß des Grafen Akimoto ausgeftellt war, will uns als der
feinere Künftler erfcheinen. Aber die Richtung für die weitere Entwicklung war in der
Kunft des Motonobu gegeben. Sie bedeutete Entfernung von der lyrifchen Stimmungs-
kunft der von China abhängigen Landfchaftsmalerei. Kräftigere Reize, leichter faßliche
Kunftmittel treten an die Stelle der zarten Tufchmalereien, in denen die Schönheit in der
Abtönung des Grau und die Feinheit eines Pinfelftriches alles bedeutete. Prunkvolle Ge-
mälde in fchweren Farben und mit reichlicher Verwendung von Gold [chmücken die Schlöffer
der erften Tokugawa-Shogune. Wie Hideyofhi felbft aus dem Volke hervorgegangen
war, fo [prach auch die Kunft feiner Zeit nicht mehr nur zu den wenigen.

Aus diefem veränderten Milieu heraus ift Ko rin zu verftehen, der nicht fo fehr der
Schöpfer einer neuen Art ift als der typifche Repräfentant der japanifdhen Kunft des
17. Jahrhunderts. In der Ausftellung erfcheint Korin unbedingt als der Hauptmeifter der
Epoche, da die Kanomeifter der Zeit wie Tanyu und Tfunenobu nicht gleich gut ver-
treten find. Die zwei Seßfchirme des Korin aus dem Befiß des Baron Iwafaki gehören
zu den beften Werken der Ausftellung. Die Raumverteiluug ift von großartiger Kühnheit,
die reichen und doch ficher und fehr bewußt befchränkten Farben derFelfeninfeln in den
fchön gezeichneten Meereswogen und der mächtigen Kiefern find dekorativ wundervoll
zueinander geftimmt. Ebenfalls außerordentlich fchön find die zwei kleineren Seßfchirme
des Grafen Tfugaru mit Pflaumenbäumen an einem Bach. Und endlich ift ein treffliches
Kakemono mit weißen und roten Azaleen zu nennen.

Sieht man einen Lackkaften des Korin (Befitjer: Graf Matfudaira) neben dem zart ge-
zeichneten Fujiwaralack, fo findet man denfelben Abftand wie zwifchen den Setjfchirmen
des Korin und noch einem nur tüchtigen Durchfchnittswerk der chinefifchen Schule, wie
den zwei Schirmen mit Landfchaften von Unkoku Togan, der im 16. Jahrhundert im
Stile Seffhüs arbeitete. Es find ftarke Reize, auf die die neue Kunft ausgeht, fie will
auch auf das nicht vorgebildete Auge wirken, während man früher bewußt an den Be-
fchauer die allerhöchften Anforderungen [teilte. Die Kunft blieb nicht mehr das Vorrecht
einer an Zahl geringen Kafte, das Volk felbft in feinen weiteren Schichten begann, Teil
an ihr zu haben, und eine neue Schule, die eben diefer Zeit ihre Entftehung verdankt,
hieß felbft die volkstümliche, Ukiyoe.

Es ift keine urfprüngliche Kunft, kein eigentlich neuer Stil, was von den Ukiyoe-
meiftern gefchaffen wird, es ift nur eine neue Blüte an dem alten Stamme der Yamato-
malerei, und es fehlt ihr die frifche Unmittelbarkeit, fie ift von Anfang an eine dekadente,
archaifierende Kunft. Wohl braucht man um diefer Erkenntnis willen nicht die gefamte
Holzfchnittkunft der Japaner zu verwerfen, kann die feinen Reize guter Ukiyoemalereien
wie des Regenbildes, das dem Hanabufa Itchö zugefchrieben wird (Baron Kuki) oder
des Kakemonotriptychons mit der Schönen und den zwei Männern (beim Grafen Tfugaru)
bewundern, aber die große Zeit der japanifchen Kunft ift doch endgültig vorüber, und
auch die neue Landfchaftsmalerei der Shijofchule des 18. Jahrhunderts kann [ich mit der
klaffifchen Landfchaftskunft des 15. Jahrhunderts nicht meffen.

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