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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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20. Heft
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Biermann, Georg: Die Ausstellung französischer Kunst im Leipziger Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0745

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DIE AUSSTELLUNG FRANZÖSISCHER KUNST IM LEIPZIGER KUNSTVEREIN

hat, als das, was fie in der Tat
i[t: Als den Verfuch einer groß-
zügig gedachten Entwicklungslinie,
die das Werden franzöfifcher Kunft
(man müßte eigentlich fagen „Ma-
lerei“, denn nur für die neuefte
Zeit find Proben der Plaftik und
der Graphik herbeigefchafft) vom
Zeitalter des vierzehnten Ludwig
bis auf unfere Tage veranfchau-
lichen foll. Für den Kenner der
Epochen, der fich auch an kleinen
Beifpielen Genüge fein läßt, find
die dargebotenen Werke vollkom-
men ausreichend und wir können
— immer von Entgleifungen ab-
gefehen — wohl behaupten, daß
diefes Unternehmen einer faft pri-
vaten Vereinigung von Kunftfreun-
den überrafchend aus hundert ähn-
lichen Verfuchen hervorfticht. Unter
den mehr als 300 ausgeftellten
Werken find nahezu 100, die in
Deutfchland überhaupt zum erften-
mal gezeigt werden und unter
diefen wiederum 50, die unbe-
denklich zu den standard-works
der Kunftgefchichte rechnen. Das
ift fchon fehr viel und follte auch für die Leute vom Fach, die vor jeder ungeahnten
Impreffion oder gar Überrafchung gefdiüfet find, Veranlaffung fein, fich diefe Veranftal-
tung anzufehen.

Auf der anderen Seite läßt fich freilich nicht verkennen, daß diefe Ausftellung ein
wenig post festum kommt. Für die Kunft des Rokoko und der nach ihr ausklingenden
Periode des Empire und Klaffizismus hat die diesjährige Veranftaltung der Berliner
Akademie das Befte veranfchaulicht, was auf der Bafis großartiger Mittel in Deutfch-
land überhaupt möglich war. Für das 19. Jahrhundert der franzöfifchen Kunft ift in
den letzten Jahren nicht nur auf dem Boden von Paris, fondern ebenfo fehr in ver-
einzelten Retrofpektiven in Berlin und München geforgt worden und die allgemeine
Erkenntnis, daß Frankreich zwar zuerft den Boden befruchtet, daß anderswo aber die
Früchte noch zu vollerer Blüte aufgegangen find, hat fich von Tag zu Tag mehr durch-
gefet^t. So fehlt uns auch diesmal gegenüber der modernen franzöfifchen Kunft
von vornherein das Moment der unbegrenzten Bewunderung und es bleibt nur die
kühle Hochachtung vor dem oft gleichgeftimmten Wollen der Nachbarnation zurück.

Das möchte ich dreimal unterftreichen, zumal der Snobismus in Deutfchland mit
Hintanfeßung der urfprünglichen künftlerifchen Werte der eigenen Entwicklung noch
immer höchft unerfreuliche Blüten treibt. Wir find heute in unferem Kunftschaffen
längft fo weit, daß wir Frankreich nicht nur als künftlerifches Vorbild voll und ganz

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JEÄN-MÄRC NÄTTIER, Dame in Weiß
 
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