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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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22. Heft
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Balet, Leo: Die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur von Domenico Ferretti 1762 bis 1765
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0815

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DIE LUDWIGSBURGER PORZELLÄNMODELLE VON DOMENICO FERRETTI

modelliert hat.1 Das Wahr[cheinlich[te wird wohl
[ein, daß Ferretti zugleich mit feiner Änftellung
1762 die Verpflichtung auferlegt wurde, fortan
Modelle für die Porzellanfabrik zu liefern, um fo
Paftelli zu erfe^en.

Es bietet nicht die mindefte Schwierigkeit, aus
dem Porzellanbeftand [ofort die Stücke heraus-
zufinden, die von Ferrettis Hand find, obgleich
nicht eines bezeichnet ift. Wenn man nämlich
die Figuren und Gruppen, die Ferretti in feiner
Frühzeit für die Attiken und Giebelfelder amSttut-
garter Refidenzfchloß, die urkundlich nachweisbar
von ihm herrühren, und weiter die in feiner Spät-
zeit 1763 im vorderen Schloßhof in Ludwigsburg
vollendeten Trophäen aufmerkfam ftudiert, wird
man fehen, daß die zufammengeftellten Porzellan-
gegenftände diefelben charakteriftifehen Eigenfchaf-
ten der Steinfkulptur aufweifen.

Ferretti liebte befonders in feiner Spätzeit ftark
profilierte Männerköpfe, deren Gefichtsausdruck
einen gewaltigen pathetifchen Schmerz verraten. In
feinen Skulpturen vor 1762 trifft man diefen charakte-
riftifchen Zug noch nicht an (vgl. die Steinfkulpturen
des Stuttgarter Refidenzfchloffes), der nach 1763 faft nie mehr fehlt (vgl. die bereits
erwähnten Ludwigsburger Trophäen). Ferretti fcheint in diefer Zeit von Leffings Werk
„Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poefie“ beeinflußt worden zu fein,
das 1763 in Berlin erfchien. Den fchmerzlich-pathetifchen Zug findet man wohl moti-
viert bei feinem Adonis mit dem Eber (Äbb. 4) und in der Gruppe des barm-
herzigen Samariters (Äbb.5), ganz grundlos jedoch bei feinen Flußgöttern (Äbb. 1)
mit den ftark zufammengezogenen Brauen, dem halbgeöffneten Mund, und dem leicht
zurückgebogenen Kopf. Die Ähnlichkeit diefer Flußgötter in Porzellan mit denen,
die er für das Refidenzfchloß in Stuttgart in Stein ausgeführt hat, ift befonders, was
die Haltung anbelangt, zu auffallend. Auch fcheint eine gewiffe Abhängigkeit un-
verkennbar von den zwei Flußgöttern in Stein, die fein Vater — Carlo Ferretti —
vor vielen Jahren für Ludwigsburg angefertigt hatte, und die jegt (erneuert) vor dem
neuen Corps de logis in Ludwigsburg an der Gartenfeite aufgeftellt find.

Ein zweites Charakteriftikum von Ferretti war, feinen Gruppen Putten beizufügen,
die an der Haupthandlung nicht beteiligt und nur Staffage find. In meiftens unmoti-
vierten Haltungen und überfchwänglichen Bewegungen, den Kopf oft foweit zurück-
geworfen, daß fie nach den elementarften Gefe^en der Phyfik Umfallen müffen, und
mit ins Leere greifenden Ärmchen ergänzen fie die Kompofition des Ganzen mehr
architektonifch als pfychologifch. (Vgl. die vielen Figuren mit Putten auf dem

Äbb. 3. Putto auf
einem Delphin

Ältertümerjammluncj
. Stuttgurt

1 Der erfte große Tafelauffat^ datiert aus dem Jahre 1760. In der „Privelegirten „Stutgarder
Zeitung, 19. Stück, Dienstag den 12. Februarius 1760“ fand ich folgenden Bericht: „Heute Abend
wird die neue Opera, Äleffandro, gefpielt, und nach folcher an der Machinen-Tafel gefpeifzt werden,
wobey das Deffert in einem Auffag von Porcellaine beftehen wird, welches in der Herz. Porcellaine-
Fabrique zu Ludwigsburg auf das künftlichfte gemacht worden.“

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