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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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22. Heft
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Balet, Leo: Die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur von Domenico Ferretti 1762 bis 1765
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0816

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DIE LUDWIGSBURGER PORZELLANMODELLE VON DOMENICO FERRETTI

Refidenzfchloß in Stuttgart.) Beyer bringt Putten nur da an, wo [ie im Wefen der
Darftellung, wenn auch nicht notwendig, fo doch mindeftens völlig begründet find.
(Vgl. Beyers Bacchantenfzenen mit den Gruppen von Ferretti, wie mit den zwei Fluß-
nymphen [Abb. 2], dem barmherzigen Samariter [Abb. 5], der allegorifchen
Darftellung von Karl Eugens Kunftpflege, dem Mars bei Vulkan, und Thetis
bei Vulkan [Abb. 7].) Auch liebte Ferretti befonders, die Putten einzeln darzuftellen,
in Porzellan: die vier Jahreszeiten (Abb. 9 und 10), in Stein: mufizierende und
die Jahreszeiten fymbolifierende Putten auf dem Refidenzfchloß in Stuttgart. Intereffant
ift ein Vergleich des flötenfpielenden Putto in Stein vor der Hauptwache in Lud-
wigsburg mit dem nämlichen in Porzellan. Nicht nur die Beinftellung, die Hand-
habung der Flöte, die Haltung des Kopfes fowie des ganzen Körpers ftimmen auf-
fallend überein, fondern fogar die Haarbehandlung.

Eine letzte Eigentümlichkeit und ein ficheres Erkennungszeichen von Ferrettis Por-
zellanwerken ift die furchtbare Übertreibung der Länge feiner liegenden Geftalten. In
feinen Steinfkulpturen kommen keine liegenden, nur ftehende und fixende Figuren vor.
Ferretti war fich als Künftler zu fehr bewußt, daß eine liegende Figur auf einem
Dachgefims nicht zur Geltung kommen würde. Deshalb kann diefe Eigentümlichkeit
allein nicht als Beweis für die Urheberfchaft der
Porzellanfiguren angeführt werden, wohl aber für
die Zufammengehörigkeit der fchon aus anderen
Gründen Ferretti zugefchriebenen. Wie riefengroß
müßte die liegende Figur in der Gruppe des barm-
herzigen Samariters (Abb.5) fein, wenn fie fich
neben den ftehenden Mann in der braunen Kutte
ftellen würde. Diefelbe Beobachtung trifft bei den
Flußnymphen (Abb. 2) und dem fchlafenden Ri-
naldo zu. Keine liegende Figur macht eine Aus-
nahme, nur fällt es bei Einzelfiguren weniger auf,
da eine zweite Figur als Maßftab fehlt.

Nachdem ich begründet habe, daß die erwähn-
ten Figuren und Gruppen von niemand anderem
als von Ferretti fein können, möchte ich noch die
übrigens meift unmotivierten Urteile anderer Kunft-
hiftoriker über die Echtheit der Ferrettifchen Figuren
und Gruppen kurz anführen.

Braun nimmt an, daß die Flußgötter und
Flußnymphen von Wilhelm Beyer find.1 Seyffer
fchreibt die Flußnymphen ebenfalls Beyer zu.-
Allerdings hat diefer auch Modelle für Flußgötter
entworfen, wenn auch nicht nachweisbar für die
Ausführung in Porzellan, fo doch ficher für die

1 Braun: Altludwigsburger Porzellan, Mitteilungen
des Württembergifchen Kunftgewerbevereins, Stuttgart
Jahrg. 1907/1908, S. 11.

- Seyffer: Die nachgelaffene Sammlung von alten
Porcellanen des Herrn Murfchel, Stuttgart 1886, Nr. 34.

Abb. 4. Adonis Ältertümerfammlung

mit dem Eber Stuttgart

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