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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

DOI issue:
23. Heft
DOI article:
Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0860

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MALEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN

fchaffene idealifierte Typen, die
äußerfte Konzentriertheit der Mittel
bei der Gefichtsbehandlung, die er
eigentlich nur bei Karikaturen ge-
wohnt ift, die Betonung des Kalli-
graphifchen, die die menfchlichen
Formen zu vergewaltigen fcheint,
irritieren ihn immer wieder und
machen ihn blind für den inneren
Gehalt der Werke. So find alle
die dickbäuchigen Putai (jap. Ho-
tei), die einfältigen Han-fhan und
Shih-te (jap. Kanzan und Jittoku),
die fanatifch blickenden Lo-han
(jap. Rakan) ufw. die Stiefkinder
des europäifchen Gefchmackes. —

Bei weitem das wertvollfte Figu-
renbild des Berliner Mufeums ift
ein Ch'u-fhan Shih-chia (jap. Shuf-
fan no Shaka) — das ift Buddha,
der von den Bergen ins Tal heim-
kehrt, von den Bergen, wo er
[ich lange Jahre der Askefe ge-
weiht hatte (Abb. 5). Ein ver-
trautes und traditionell feftgelegtes
Motiv der oftafiatifchen Malerei,

Ch’u-fhan Shih-chia hält immer die
Hände wie betend zufammen und
unter einer Mantelfalte verborgen,
eine Gefte, deren fymbolifche Be-
deutung aus den Geheimlehren
der Zenfekte zu erklären wäre.

Das bis zu den Füßen reichende
mattrote Gewand ift dicht zufam-
mengenommen, fo daß der Körper
fich leife abzeichnet. Die Falten- ^b. g Unbekannter Meifter des 14. Jahrh., Ch'u-fhan
enden wirken wie vom Winde be- Shih-chia. Farbige Malerei auf Seidengrund. 86x48 cm
wegt. Der Oberkörper ift zum

Teil fichtbar. Volle Haare bedecken Kopf und Kinn. Bis zu einem gewiffen Grade
zeigt auch der Pinfelftrich bei allen Chu-fhan Shih-chia traditionelle Gemeinfam-
keiten. Den Maßftab und Ausgangspunkt jeglicher Kritik der Schöpfungen diefes
Motivs muß bisher das im Befit^e des Grafen Sakai Tadamichi in Tokyo befind-
liche Kakemono (Abb. 6) bieten. Wir wollen einen Augenblick vergleichend bei ihm
verweilen. Es ift bezeichnet: „Gemalt von Liang Kai in Gegenwart feiner erlauchten
Majeftät“1. Liang K’ai (jap. Ryökai) war ein berühmtes Mitglied der kaiferlichen Mal-

Gemeint ift Kaifer Nin-tfung (1195-1224) aus der Süd-Sungdgnaftie.

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