Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0864
DOI Heft:
23. Heft
DOI Artikel:Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0864
MALEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN
Äbb.8. Unbekannter Meifter der Yüandynaftie, Äbreife der Prinzeffin Chao Chün. Farbige Malerei
auf Seidengrund. 49x74 cm
Man vernachläffigt das, was zuleßt in aller Kunft ausfchlaggebend ift und dem Nach-
ahmer meift mißlingt — den feelifchen Ausdruck, den fein abgewogenen Fluß der
Konturen, die fiebere vornehme Harmonie der Farben. Alles dies, bis auf wenige Über-
malungen, befriedigt auf dem Berliner Bilde unbedingt. Mit völliger Unmittelbarkeit
fpricht die Situation aus der Haltung der Figuren, rührt vor allem die traurige Ergeben-
heit der Prinzeffin. Diefe Kraft der Wirkung im Verein mit der perfönlichen inter-
effanten Farbengebung weift auf das Erlebnis eines Künftlers, nicht eines Nachahmers1.
III.
Das 13. Jahrhundert ftand unter dem Zeichen der Mongoleninvafion. Wie viele
Kunftwerke mögen in diefen graufamen Kriegsjahren vernichtet, und wie viele kraftvolle
Kunftftrömungen jählings unterbrochen worden fein! Nicht gerecht fcheint es jedoch,
wenn man die Mongolenzeit als einen zu fcharfen Einfchnitt in die Gefchichte der
chinefifchen Malerei betrachtet. Es hat nicht lange gedauert, da umgaben fich die
Mongolenherrfcher mit allen Errungenfchaften der chinefifchen Kultur und befchäftigten
chinefifche Künftler übergenug. Ich nenne nur den berühmten Chao Meng-fu (jap. Chofugö -),
der bereits am Hofe Kublai Khans und dann an dem des Kaifers Jen Tfung zu hohen
Ehren kam. Aber die Blütezeit der chinefifchen Malerei ging aus fich heraus langfam
ihrem Ende entgegen, das heißt die Werke veräußerlichten. Den alten Formen begann
der innerfte Gehalt zu fehlen. Und neue Formen und Ideen zu fchaffen, dazu reichte
nunmehr die künftlerifche Kraft der Nation nicht allzuoft aus. Nur möchte ich die
Mongolenzeit nicht unterfchä^t wißen, die Künftler wie den oben genannten Chao
Meng-fu, wie Ch’ien Shun-chü, Yen Hui (jap. Ganki) und Chao Jan-hui (jap. Könenki)
hervorbrachte. Mir fcheint, daß fogar die erfte Hälfte der Mingzeit (1368 — 1644) noch
1 Siehe auch Kümmels treffliche Änalyfe in den Amtlichen Berichten, Mai, 1909.
- Chöfugö ift die japanifche Lefung von Chao Tzu-ang, eines zweiten Namens des Künftlers.
Äbb.8. Unbekannter Meifter der Yüandynaftie, Äbreife der Prinzeffin Chao Chün. Farbige Malerei
auf Seidengrund. 49x74 cm
Man vernachläffigt das, was zuleßt in aller Kunft ausfchlaggebend ift und dem Nach-
ahmer meift mißlingt — den feelifchen Ausdruck, den fein abgewogenen Fluß der
Konturen, die fiebere vornehme Harmonie der Farben. Alles dies, bis auf wenige Über-
malungen, befriedigt auf dem Berliner Bilde unbedingt. Mit völliger Unmittelbarkeit
fpricht die Situation aus der Haltung der Figuren, rührt vor allem die traurige Ergeben-
heit der Prinzeffin. Diefe Kraft der Wirkung im Verein mit der perfönlichen inter-
effanten Farbengebung weift auf das Erlebnis eines Künftlers, nicht eines Nachahmers1.
III.
Das 13. Jahrhundert ftand unter dem Zeichen der Mongoleninvafion. Wie viele
Kunftwerke mögen in diefen graufamen Kriegsjahren vernichtet, und wie viele kraftvolle
Kunftftrömungen jählings unterbrochen worden fein! Nicht gerecht fcheint es jedoch,
wenn man die Mongolenzeit als einen zu fcharfen Einfchnitt in die Gefchichte der
chinefifchen Malerei betrachtet. Es hat nicht lange gedauert, da umgaben fich die
Mongolenherrfcher mit allen Errungenfchaften der chinefifchen Kultur und befchäftigten
chinefifche Künftler übergenug. Ich nenne nur den berühmten Chao Meng-fu (jap. Chofugö -),
der bereits am Hofe Kublai Khans und dann an dem des Kaifers Jen Tfung zu hohen
Ehren kam. Aber die Blütezeit der chinefifchen Malerei ging aus fich heraus langfam
ihrem Ende entgegen, das heißt die Werke veräußerlichten. Den alten Formen begann
der innerfte Gehalt zu fehlen. Und neue Formen und Ideen zu fchaffen, dazu reichte
nunmehr die künftlerifche Kraft der Nation nicht allzuoft aus. Nur möchte ich die
Mongolenzeit nicht unterfchä^t wißen, die Künftler wie den oben genannten Chao
Meng-fu, wie Ch’ien Shun-chü, Yen Hui (jap. Ganki) und Chao Jan-hui (jap. Könenki)
hervorbrachte. Mir fcheint, daß fogar die erfte Hälfte der Mingzeit (1368 — 1644) noch
1 Siehe auch Kümmels treffliche Änalyfe in den Amtlichen Berichten, Mai, 1909.
- Chöfugö ift die japanifche Lefung von Chao Tzu-ang, eines zweiten Namens des Künftlers.