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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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23. Heft
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Cohn, William: Die Malerei in der ostasiatischen Kunstabteilung der Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0877

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MÄLEREI IN DER OSTASIATISCHEN KUNSTABTEILUNG DER BERLINER MUSEEN

Eigenfchaften der vielen Tufchmalereien,
die in Japan Shübun (Anfang des 15. Jahr-
hunderts), diefem fo einflußreichen, aber
noch fehr dunklen Meifter zugefchrieben
werden. Sie ift jedoch ebenfowenig über-
zeugend wie diefe, wenn auch zweifel-
los ein tüchtiges Werk der Afhikagazeit.
Die Landfchaft von Shüfetfu (urn 1440,
Abb. 17), einem Schüler Shübuns, hat
den Vorzug, ein eigenhändiges Original
zu fein. Stempel und Papier find tadel-
los, und es ift ausgefchloffen, daß ein fo
feltener und nicht erftrangiger Künftler
zur Fälfchung reizen follte. Denn fein
Oeuvre ift faft ganz unbekannt. Daß er
ein Schüler Shübuns war, würde auch
ohne Überlieferung aus dem Stil der
Arbeit erkennbar fein. Das find die Kie-
fern Shübuns, die diefer, von der chine-
fifchen Mal-Schule infpiriert, immer wieder
malte. Das ist Shübuns feiner minutiöfer
Pinfelftrich. Der Schüler aber verrät fich
in der etwas leeren Kompofition und der
fchwachen Erfindungskraft.

Ebenfo fchwer abzugrenzen wie Shiibun
find die drei Ami: No-ami, Gei-ami, So-
ami, Vater, Sohn und Enkel. Am besten
fteht es noch mit Sö-ami (Anfang des
16. Jahrhunders), der auch in Japan am
höchften gefchäßt wird. Die Fufuma und
die fieben Landfchaften (eigentlich eine Serie von acht, eine ift verfchollen) des Daifen-in
Kyoto fcheinen, wenn auch unbezeichnet und unbeglaubigt, in der Tat Werke diefes
Künftlers zu fein.1 In jedem Falle gehören fie in ihrer duftigen Zartheit und freien
einfachen Kompofition zu den beften Landfchaften ihrer Zeit. Man wüßte nicht, wem
man fie fonft Zutrauen follte. Aber vor der ungeheuren Menge mit „Shinfo“ (So-amis
eigentlicher Name) gestempelter Werke in Japan und überall faßt einen Entfeljen. Die
kleine „Shinfo“ geftempelte Schwalbe des Berliner Mufeums ift fein und anfprechend
genug, um wenn auch kaum von So-ami felbft, fo doch von einem guten Maler aus
feiner nächften Umgebung ausgeführt zu fein. Entzückend ift der Lüfter derTufche und
die graziöfe Zierlichkeit des kleinen Vogels, der luftig auf feinem langen Zweige fchaukelt.

Seffhü (1420—1506) ift unzweifelhaft der bedeutendfte Maler der Ashikagaperiode.
Und da die Künftlerperfönlichkeiten der Kamakura- oder gar der Fujiwarazeit noch
kaum in den Umriffen faßbar find — ift doch die Autorfchaft faft keines der berühmten
Emakimono oder der beften buddhiftifchen Werke gefichert — fo muß Seffhü als der
größte japanifche Maler angefehen werden. Er unter allen Meiftern des 14., 15. und
16. Jahrhunderts dürfte am fchärfften den Stempel individueller Kraft feinen Schöpfungen

1 Siehe Shimbi Täikwan, Band 5, Tafel 22 und Band 2, Tafel 29.

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Äbb. 20. Seffon, Landfchaft. Tufchmalerei auf
Papier. 31,5X49 cm
 
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