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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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24. Heft
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Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Schnütgen in Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0906

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DIE SAMMLUNG SCHNÜTGEN IN KÖLN

Reichtum der Faltengebung, der Eleganz der For-
men und der Koketterie der Bewegungsmotive
an den Meifter des Bartholomäusaltares der Kölni-
fchen Malerfchule erinnert. Dann drei Standfigür-
chen der hl. Jungfrauen, an Schönheit und Rhyth-
mus der Bewegung in der deutfehen Plaftik un-
übertroffen. Diefe Figürchen, die in Boppard
erworben wurden, ftehen ftiliftifch vielleicht am
eheften in Zufammenhang mit der Plaftik der
Straßburger Schule, wenngleich die Möglichkeit, daß
fie der niederrheinifchen Plaftik zuzuzählen feien,
nicht ungeprüft von der Hand gewiefen werden
kann. Madonnendarftellungen in dem Typus der
fiffenden Madonna fowie dem der Madonna als
Säugemutter find in vielen hervorragenden Exem-
plaren der romanifchen und gotifchen Zeit vorhanden.

Unter den Arbeiten der füddeutfehen Plaftik
ftehen an erfter Stelle zwei überlebensgroße Bi-
fchofsgeftalten, die, wenn nicht Multfcher felbft,
fo doch feiner Werkftatt zuzufchreiben find, dann
verfchiedene Palmefel, von denen die Sammlung
fünf befißt, einfchließlich des Palmefels vom An-
fang des 16. Jahrhunderts, der aus St. Columba in
Köln ftammt und der wahrfcheinlich das einzige
in Norddeutfchland erhaltene Stück ift. — Von ita-
lienifchen Arbeiten fei das hervorragende Relief
Donatellos, Madonna mit Kind, eine vergoldete, in Kupfer getriebene Tafel genannt.

Aus der Stofffammlung mögen außer hervorragenden koptifchen Stücken und der
gefchloffenen Sammlung der Kölner Borten einige orientalifche Stoffe Erwähnung
finden: die Annokafel, ein byzantinifcher Purpurftoff des 11. Jahrhunderts, ein Käftchen
mit fpanifch-maurifchem Stoffüberzug des 12. Jahrhunderts, ferner eine Albe aus
Byffusleinen mit Weißftickerei; zulefet der prachtvolle, reich geftickte Chormantel aus
rotem Samt, mit Cherubim auf dem Rad, Glocken, Lilien und Blumen, in der Mitte
Madonna mit Kind und zwei Engeln in Strahlenkranz in Goldftickerei mit Seide, aus
der Chartreufe bei Grenoble ftammend.

Unter den Glasgemälden, die die Entwicklung von 1200—1700 zeigen, findet fich
als älteftes norddeutfehes Stück eine Kreuzigungsgruppe vom Ende des 12. Jahr-
hunderts; von dem Meifter der Fenfter in St. Severin in Köln zwei Glasgemälde mit
dem Tode und der Krönung Mariä, etwa um 1250; ferner ein Fenfter aus der Kar-
meliterkirche in Boppard, das in der Intenfität der Leuchtkraft lichter Farben kaum
von dem einzigartigen Renaiffancefenfter überftrahlt wird, das die Madonna mit einem
Stifterpaar zeigt in einer Formgebung, die man verfucht ift, mit Holbein in Verbindung
zu bringen. Das Fenfter ftammt aus St. Blafien in Baden.

Die vollftändige innere Gefchloffenheit erfährt die Sammlung Schnütgen durch die
Gemäldekollektion, der vorwiegend Arbeiten der rheinifch-weftfälifchen, fowie der
italienifchen Schule angehören. Durch den engen Zufammenfchluß von Kunftgewerbe
und bildender Kunft in einem Raume wird die Tatfache deutlich offenbar, daß das

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Tabernakeltür. Kupfervergoldet.
Vor 1600
 
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