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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

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24. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0911

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SAMMLUNGEN

bei M. Coffio („El Greco“), Ä. F. Calvaert, C.
Gasquoine Hartley und Meier-Graefe (Spanifche
Reife).

Zwei Spätwerke, die urfprünglich der Kathe-
drale von Siguenza angehörten, gelangten durch
die Sammlung des gewefenen portugiefifchen
Minifters Gerrara Junguairo in die Hände ihres
gegenwärtigen Eigentümers. Das kleinere dar-
unter, ein heiliger Andreas, gehört zu den be-
fcheideneren Schöpfungen des Meifters, während
die große Leinwand „Chriftus am Ölberg“ un-
ftreitig die größte Attraktion ift, die die Sammlung
Nemes aufweift. Undefinierbar feine Farben-
zufammenfetjungen vereinigen fich darin mit den
kühnften koloriftifchen Wagniffen, wie z. B. dem
ungemein kräftigen Helldunkel am purpurnen
Mantel des Erlöfers. Der fchwarze Himmel des
Hintergrundes wird durch gefpenftifche Lichter
unterbrochen und unheimliche Felsmaffen kon-
trahieren mit Chrifti weltmännifch fein gebildeter
Figur, die in den fchlafenden Äpofteln drei
würdige Gefährten befitjt.

Wir können bei der Anführung des übrigen
Materials von einem guten Teil der Werke ab-
fehen, da diefelben nicht nur in unferen oben
zitierten Ausführungen fondern auch in einem
größeren Auffaße von Paul Schubring (Zeit-
fchrift für Bildende Kunft, November 1910, Heft 2)
behandelt wurden.

Wir möchten zu Schubrings Äuseinander-
feßungen nur die Bemerkung hinzufügen, daß
wir an die Originalität des von Berenfon dem
Solario zuerkannten und auch von Schubring
in diefem Sinne befprochenen „Haupt Johannes
des Täufers“ nicht glauben können, dasfelbe
vielmehr für eine niederländifche Kopie halten
müffen. Das Original befindet sich in der Galerie
von Oldenburg. — Unbegründet fcheint uns auch
die Zufchreibung des Kopfes eines Jünglings an
Franciabigio. — Mit umfo größerem Lobe foll
aber der kleinen Skizze von J. R. Tintoretto
(Szene aus dem Leben der heiligen Agnes) ge-
dacht werden, die zum Bilde der S. Maria dell’
Orto in Venedig als Vorftudie diente und feiner
Zeit der Sammlung des Lord Leighton angehörte.

Zwei Bilder (Bildnis des Adriaen Bäcker und
Amoretten mit Fruchtkranz) find als Rubens aus-
geftellt. Die Qualität der Gemälde erlaubt uns
nicht an die Autorfchaft des größten Vlamen zu
glauben. Vorzüglich find dagegen Jan Brueghel
der Ältere und David Teniers der Jüngere —
erfterer mit einem Blumenftück, leßterer mit vier
berühmten Kompofitionen — vertreten.

Brueghels Stilleben ift ein mit erftaunlicher
Fri fche erfaßtes und gemaltes koloriftifches
Prachtftück. Unter den Gemälden von Teniers
müffen wir in erfter Linie der altberühmten, von

Pierre Louis Surugue geftochenen (Le Blanc 41)
Kompofition „Le roi boit“ gedenken. Das Werk
ftammt aus den Sammlungen Trondiien und Earl
of Cargsford. S. J. Smith, Catalogue raisonne
III. 397, 515. — Hervorzuheben ist noch die 1641
datierte „Wachtftube“, die früher den Samm-
lungen Lord Heytesbury und Charles T. Yerkes
angehört hat (S. Waagen, Art Treasures in
Great Britain, Supplement 387) und die 1667
datierte Wiitshausfzene, die 1888 in der Royal
Academy ausgeftellt war.

Eine wahre Perle der Sammlung ift ein kleines
Bruftftück — David mit der Harfe — von Rem-
brandt. Das berühmte Bild ift fchon in dem
1761 erfchienenen Werke „London and its en~
virons“ (VI. Band) angeführt. Bode bringt es
in dem IX. Bande feines Rembrandt-Werkes. —
Die Mondlandfchaft von Äernout van der Neer
(S. Hofftede de Groot und Smith’s Cat. rai-
sonne) gehört zu den beften koloriftifchen Lei-
tungen des Meifters. — Sehr frifdi und breit
gemalt ift ein kleines Seeftück von Jan van de
Capelle, deffen Datierung (1656 oder 1658) nicht
genau zu lefen ift. — Die landfchaftlichen Kom-
positionen van Goyens dürfen auch nicht un-
erwähnt gelaffen werden. Sie zeichnen fich
durch die größte Strenge der Formengebung
und Reife des Kolorits aus, die der Meifter er-
reicht hat. — Ein prachtvolles Blumenftück des
Jan van Huijsum ift wegen feines feltenen land-
fchaftlichen Hintergrundes bemerkenswert.

Herr Dr. K. Pogäny hat mich darauf aufmerk-
fam gemacht, daß die Figur des lachenden
Mannes, das von Frans Hals gemalt zu fein
fcheint (S. Cicerone I, 7), als Wandfchmuck auf
einem Interieur des Jan Steen im Berliner Kaiser
Friedrichs-Mufeum (Die Taufe, Kat. 795/D) vor-
kommt. Dort ift der Mann im Gegenßnne dar-
geftellt und hat zum Gegenftück eine weibliche
Halbfigur.

Unter den Engländern — Hoppner, Lawrence
und Constable — ift befonders eine breit und
mit fehr reifen Farben gemalte Kompofition des
leßteren — die Ankunft eines Admirals in dem
Hafen von Plymouth — zu rühmen.

Eine befondere Abteilung der Äusftellung be-
fteht aus modernen franzöfifchen Bildern. Es
find darin Corot, Diaz, Courbet, Delacroix, Mon-
ticelli, Sisley, Renoir, Degas, Manet, Monet,
Cezanne und Carriere vertreten. Nichts ift be-
zeichnender für den unabhängigen Gefchmack
des Herrn v. Nemes als diefe Reihe der kühn-
ften Äußerungen der Bahnbrecher der modernen
impreffioniftifchen Malerei. Hervorzuheben ift
unter ihnen eine idyllifche Landfchaft von Corot,
Marlets Bildnis, „Das Bach“ und ein Stilleben
(Äpfel) von Courbet, zwei Ballerinen von Degas,

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