Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 2.1910

DOI Heft:
20. Heft
DOI Artikel:
Biermann, Georg: Die Ausstellung französischer Kunst im Leipziger Kunstverein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24116#0747

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE AUSSTELLUNG FRANZÖSISCHER KUNST IM LEIPZIGER KUNSTVEREIN

perfönlich vertrete durchaus den
fchon oben angedeuteten Stand-
punkt, daß eine unbarmherzigere
kritische Sonde für Wert und
künftlerifche Minderwertigkeit dem
Niveau des Gefamtunternehmens
nur zugute gekommen wäre; ge-
rade weil es im Einzelnen foviel
an reiner künftlerifchen Schönheit,
aber auch an kulturhiftorifcher Per-
[pektive zu vergeben hat, daß
jeder Befucher unbedingt auf feine
Koften kommt.

Um die Veranftaltung aber im
Detail auszufchöpfen, können nur
Andeutungen genügen. Watteau,
der das Rokoko einleitet, das aus
vlämifch-holländifchen Anfätjen in
Verbindung mit den fpätitalieni-
fchen Einfli'iffen der dekorativen
Malerei von Venedig und Rom
hervorgewachfen ift, wird durch
ein kleines Werk repräfentiert, vor
dem die Kunftwiffenfchaft berech-
tigterweife Halt machen kann, eine
ruhende Venus aus der Sammlung
Thiebault Siffon, die fo wenig von
Watteau felbft, fo viel dagegen von
Fragonard befi^t, daß fie wie der Anfang der Nachwatteaufchen Ära erfcheint, obwohl
die Farbe und ihre bewußte Akzentuierung unbedingt auf den Großmeifter hinweift.
Von Boucher wird die Mühle von Charenton aus der Sammlung Lehmann gezeigt,
auch ein Bild, das nichts von Boucher, um fo mehr aber vom Wefen der Lancret,
Pater u. a. offenbart, und trofedem ein typifches Merkmal feines Schöpfers und feiner
Zeit bleibt. Von Fragonard fieht man die Wirtfchaft auf dem Lande, ebenfalls aus
der Sammlung Siffon, ein prachtvolles Meifterftück, in dem die Zeit wie in eins ver-
körpert erfcheint, und den bereits in Berlin gezeigten „Pafcha“ der Sammlung Charcot,
in dem zum lebten Male der Schatten Rembrandts auflebt, ln diefen beiden Bildern
fteckt fomit ein Stück jener geheimnisvollen Seele des Rokoko, das auf der einen Seite
in feinen fetes champetres der Heiterkeit feiner Lebensphilofophie Raum fchafft, auf
der anderen dagegen fein künftlerifches Wollen rein verklärt. Greuze, Nattier, Rigaud,
der ältere Vernet (der typifche Römer unter den Franzofen), Vigee-Lebrun, Largilliere
find durch je ein Meifterftück würdevoll repräfentiert und felbft David, der den Über-
gang vom Rokoko zum Neoklaffizismus vermittelte, kommt in den Bildniffen der Mme.
Servan und des Operndichters Sedaine fo wunderbar auf feine Rechnung, daß wir
hier kaum das Bedürfnis nach bildlicher Ergänzung verfpüren.

Von ihm aus weift der direkte Weg zu den Etappen franzöfifcher Kunftentwicklung,
die das klaffifche Jahrhundert offenhält. David, ein Zwittergeficht genau wie Vigee-

676
 
Annotationen