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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 5
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Stöffler, Wilh.: Die "ominöse" Vereinbarung mit den deutschen Grossisten: Eine Klarstellung für Aussenstehende
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0079

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■-JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ■-—-— ei

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Offener Spredjsaal.
In bieser Rubrik räumen wir unseren geschätzten Abonnenten bas Recht einer freien ITlcinungs-
äußerung ein, bas wir so lange nicht einzusdjränken beabsichtigen, als bie Auslassungen nicht
gegen bas Gesetz unb bie gute Sitte verstoßen. Auf ber anbern Seite lehnen wir aber auch ein
für allemal jebe Verantwortung für ben Inhaber ber Einsenbung ab. Die Rebaktion.

Die „ominöse“ Vereinbarung mit den deutschen Grossisten.
Eine Klarstellung für Aussenstehende.

Einen Notschrei der Fabrikanten
richtet in Nr. 22 des General-Anzeigers vom 27 Januar ein Ano-
nymus an den Vorstand des Kreditoren Vereins und verlangt von
ihm die ominöse Vereinbarung mit den Grossisten unverweilt zu
lösen, ehe unsere Industrie noch weiter verschleppt wird.
Im Verfolg jener Ausführungen wird es dem Kreditoren-Verein
als ein grosser Fehler angerechnet, auch Grossisten — die Debitoren
der Fabrikanten — als Mitglieder aufgenommen zu haben. Sowohl
der Notschrei, als auch dieser Vorwurf, überhaupt die ganzen
Ausführungen des Artikelschreibers zeichnen sich nicht durch
Sachkenntnis aus, im Gegenteil, sie dokumentieren einen nicht
geringen Grad von Sachunkenntnis und lassen bezweifeln, ob der
Verfasser, der den Notschrei erhebt, auch nur einer einzigen von
den vielen Versammlungen beigewohnt hat, welche sich mit dem
Gegenstand befasst haben.
Es ist daher erklärlich, wenn man in den Kreisen der Einge-
weihten der Meinung ist, es lohne sich der Mühe nicht, in der
Lokalpresse eine Richtigstellung eintreten zu lassen, da nicht anzu-
nehmen sei, dass jene falschen Auffassungen auch noch von
anderer Seite geteilt würden.
Jedoch in Rücksicht auf die zur Zeit unter den Fabrikanten
infolge der trostlosen Geschäftslage herrschende gedrückte
Stimmung und der Geneigtheit, dem Missmute darüber in den
Äusserungen Ausdruck zu geben, erscheint es ratsam, dem Um-
sichgreifen gänzlich ungerechtfertigter Vorwürfe zu begegnen und
stelle ich denselben gegenüber folgendes fest:
Es widerspricht den Tatsachen, wenn in Bezug auf die ge-
troffene Vereinbarung mit den Grossisten,
1. von einer Vergewaltigung der Fabrikanten mit den Grossisten
2. von einem allgemeinen Verbot an Warenhäuser und Ver-
sandgeschäfte zu liefern
3. an anderer Stelle von einer Konventionalstrafe von 5000 Mk.
4. von einer Leistung der Fabrikanten ohne jede Gegenleistung
der Grossisten die Rede ist
5. und wenn endlich die Frage gestellt wird, „wie können sich
die Kreditoren ungeniert darüber aussprechen, wo sie der
Schuh drückt, wenn ihre Abnehmer — die Debitoren —
ihnen gegenüber sitzen?“
So stelle ich diesen Behauptungen gegenüber fest:
Die Grossisten sind es nicht, welche mit einem diesbezüglichen
Ansinnen an den Kreditoren-Verein herangetreten sind, sondern
die Fabrikanten legten ihm seinerzeit die Bitte dringend nahe,
sie von einem demütigenden Revers, den bereits 132 Fabrikanten
unterschrieben hatten, wieder zu befreien.
Wenn es im Verfolg dem Kreditoren-Verein gelungen ist, jenen
Revers zu anullieren und an seine Stelle eine Vereinbarung
zwischen 2 gleichberechtigten Kontrahenten zu setzen, so ver-
dankt er diesen Erfolg dem Umstande, dass er dabei von seinen
Grossisten-Mitgliedern nachhaltig unterstützt worden ist.
Als nach dem Vorbilde des Zusammenschlusses der Fabrikanten
zu einer Interessenten-Gruppe im Kreditoren-Verein, auch die
Grossisten in gleicher Weise sich organisiert hatten, war es
naheliegend, dass letztere früher oder später dazu schreiten
würden, den Versuch zu machen, sie schädigende Übelstände
korporativ zu beseitigen. Ein den Grossisten am fühlbarsten
gewordener Missstand war die Tatsache, dass einzelne Fabrikanten,
die nur für Grossisten zu arbeiten vorgaben, neben und hinterher
nicht selten zu denselben Konditionen auch an die Abnehmer der

Grossisten lieferten. Daraus ergab sich je länger je mehr, dass
den Grossisten die guten Kassenzahler abgenommen und ihnen
vielfach die faulen Pumper übrig gelassen wurden.
Kein andrer Industriezweig als gerade der unsrige ist so sehr
auf den Zwischenhandel durch Grossisten und Kommissionäre
angewiesen. Die Leistungsfähigkeit bedingt die Sp zialisierung
einzelner Artikel, erschwert aber den direkten Verkauf an die
Detail-Kundschaft. Dies gilt nicht nur für den Export, sondern
in ganz erheblichem Masse auch für den deutschen Markt.
Die allseitige Erkenntnis, es liege im Interesse aller Teile,
dass dieser illegitime Verkehr nicht zu billigen, sondern durch
eine feste Abgrenzung zu bekämpfen sei, führte zu der getroffenen
Vereinbarung.
Das wesentliche der Vereinbarung besteht in einer gänzlich
freiwilligen Erklärung derjenigen Fabrikanten, welche mit deutschen
Grossisten arbeiten wollen und demgemäss erklären, nicht
nebenbei auch noch Detailleure, Warenhäuser und Versandge-
schäfte bedienen zu wollen. Demgegenüber verpflichten sich die
Grossisten, Artikel, die Vertragsfirmen führen, nicht von andern
Fabrikanten zu kaufen.
Für den Übertretungsfall beider Kategorien sind Geldstrafen
von nicht unter 100 Mark und im Wiederholungsfälle Veröffent-
lichung der betreffenden Firmen einerlei ob Grossist oder Fabri-
kant, vorgesehen. (Die 5000 Mark Konventionalstrafe sind eitel
Mumpitz.)
Einer Äb/zZroZZ-Kommission aus Vertretern beider Teile, gleich-
mässig zusammengesetzt, obliegt die Überwachung des gewissen-
haften Vollzugs.
Der Wehruf, die Grossisten hätten den Fabrikanten gegenüber
gar nichts geboten, trifft also nicht zu.
Allerdings, wenn vielleicht einer oder der andere der Fabri-
kanten beim Antritt seiner Winterreise zu den Grossisten der
Meinung war, es müsste ihm nun, weil er sich in der betreffenden
Liste für den Verkehr mit den Grossisten eingezeichnet hat, jeder,
dem er eine Offerte macht, auch einen grösseren oder kleineren
Auftrag überschreiben — so ist das allerdings eine Naivität,
welcher bittere Enttäuschung auf dem Fusse folgen musste, zumal
bei einer so trostlosen Geschäftslage wie der Gegenwärtigen.
An ein Verbieten, an Warenhäuser und Versandgeschäfte zu
liefern, oder gar an ein totmachen derselben, denkt kein Mensch.
So töricht ist kein einziger Grossist, geschweige denn der Verband.
Von den mehr als 920 in Betracht kommenden Betrieben
haben sich bis zur Stunde 153 Firmen zum ausschliesslichen
Verkehr mit den deutschen Grossisten bekannt. Es bleiben also
noch rund mehr als 800 Firmen übrig zur Bedienung der
Warenhäuser usw.
Ob auch zwischen den Warenhäusern und ihren Lieferanten auf
der Basis der Gegenseitigkeit beruhende Vereinbarungen bestehen
oder zu erreichen sein würden, bleibt eine offene Frage. Vorläufig
scheint das erstere nicht der Fall zu sein.
Ich entnehme einer Erklärung, die das Warenhaus Hermann
Tietz, Berlin und seine Filialen, von seinen Lieferanten verlangt,
unter anderem folgende Verpflichtungen:
„Werden die Lieferungstermine nicht innegehalten, so kann
die nach dem Endtermin der Lieferungsfrist gelieferte Ware
zurückgesandt werden.
Die Beträge der nach dem 24. bis ultimo ausgestellten
Fakturen werden auf den nächsten Monat übertragen.
 
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