Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

DOI Heft:
Nr. 29
DOI Artikel:
Die moderne Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0255

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
30, Jatjrg.

Leipzig, 17, Juli 1909,

Ilr, 29.

Journal bet öo Ibsdjmicb ekunst


riadjbrud? aller Ärfikel oljne Gencbjmigung ber Rebakfion isf verboten.

Die moderne Kunst.

rotz der eminenten Bedeutung der modernen
Kunst, besonders für die Kunstgewerbe-
treibenden, gibt es gerade in diesen Kreisen
sehr viele ausübende und vermittelnde Kräfte,
die der ganzen Bewegung noch völlig fremd
und ohne Interesse, wenn nicht gar feindlich gegenüber-
stehen. Sucht man sich diese betrübende Tatsache zu
erklären, so kommt man auf die Vermutung, dass sich
viele Kunstgewerbler der kulturellen und vor allem der
volkswirtschaftlichen Bedeutung der neuen Kunst-
strömung noch nicht so recht bewusst sind oder dass
zuweilen die Objektivität des persönlichen Urteils durch
unreife Machwerke dauernd getrübt wurde. Häufig scheint
jedoch auch das immerwährende Geschrei wenig vorurteils-
freier Gegner eine Klärung der Situation nicht aufkommen
zu lassen.
Man sollte sich doch endlich darüber klar werden,
dass es nicht möglich ist, einen Entwickelungsgang zu
hemmen, der an sich durch die Natur bedingt ist, der
auch in der gleichen Art in der Weltgeschichte nach
längeren oder kürzeren Intervallen immer wieder in die
Erscheinung tritt. Aber auch von dem Irrtum sollte man
sich befreien, der vielfach den Künstlern und Vertretern
der modernen Richtung die Absicht unterschiebt, als ob
sie die Daseinsberechtigung und den ästhetischen Wert
der Kunstwerke früherer Zeiten zu bekämpfen suchen.
Nein, das Bestreben der ernsthaften Modernen ist nicht
darauf gerichtet, alles seitherige zu stürzen, sondern nur
darauf, etwas neues aufzubauen, dass sich unseren heutigen
Lebensbedingungen besser anpasst. Es ist doch auch ganz
naturgemäss, dass man danach trachtet, die heutige Um-
gebung der jetzigen Generation entsprechend zu gestalten,
da deren Bedürfnisse nichts mehr gemein haben mit den-
jenigen der Menschheit von ehedem. Dadurch ist eine
gänzliche Umwandlung auf allen Gebieten bedingt, weil


eben andere Bedürfnisse andere bezw. solche Geräte ver-
langen, die aus der jeweiligen Epoche heraus geboren
werden, in der sie entstehen und benutzt werden sollen.
Die modernen Künstler kommen deshalb nur einem
wirklichen Bedürfnis entgegen, wenn sie sich bemühen,
ihre Werke in Bezug auf Form und Ornamente so zu
modellieren, wie es dem Charakter unserer Zeit entspricht,
wenngleich dieses Bedürfnis noch nicht allgemein erkannt
wird. Unsere Lebensbedingungen geben der modernen
Kunst eine Daseinsberechtigung, die nicht bestritten werden
kann und die durch die augenblicklich herrschende Geistes-
richtung vollkommen gerechtfertigt ist. Mit Recht sollen
im Bereiche des Kunstgewerbes und der Architektur alle
sinnwidrigen Formen und Schmückungen ausgeschaltet
werden, an deren Stelle eine zweckmässige Durchbildung
aller Gegenstände, die praktischen Zwecken dienen, zu
treten hat. Die damit verbundene Umwandlung des Ge-
schmacks findet auch einen Widerhall in den Werken
der reinen Kunst, bei denen zudem eigentümlicherweise
die moderne Kunstströmung zuerst eingesetzt hat.
Alle Schöpfungen des Kunstgewerbes müssen zuerst
nach dem Gesichtspunkte der Logik und der Zweck-
mässigkeit gebildet sein, der konstruktiven Gestaltung hat
sich das Ornament unterzuordnen. Anstatt überladener
Zierungen dominiert die glatte Fläche, was aber durchaus
nicht dazu führen soll, das Ornament bei jedem Gebrauchs-
gegenstand gänzlich auszuschliessen. Hauptsache ist viel-
mehr, das Form und Ornament ein harmonisches Ganzes
bilden, und dabei die Verwendbarkeit des Gebrauchsgegen-
standes in keiner Beziehung beeinträchtigen, vielmehr
in der Gesamtheit den praktischen Zweck auch äusserlich
erkennen lassen. Gegen diese Prinzipien ist am meisten
gesündigt worden und wird auch heute noch viel ge-
sündigt. Da diese Prinzipien aber durchaus einem ver-
nünftigen Denken entsprechen, darf man sicher sein, dass
 
Annotationen