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Alle Zusdjriffen sinb zu richten an bie Rebakfion bes „Journal ber
öolbsdjmiebekunsf“ in Ceipzig, Reid) ssf raße 18/20
Die Kriegsklausel und das Exportgeschäft
Im Hinblick auf die gegenwärtigen Wirren in den Balkanländern
und auf die von Serbien ausgehende Kriegsgefahr haben wir im
Interesse und zur Information unserer verehrlichen Leser unseren
Syndikus ersucht, das obige Thema nach allen Seiten hin zu be-
leuchten. Unser Syndikus schreibt nun folgendes:
Wenn auch in dem Augenblick, in welchem diese Ausführungen
in den Druck gehen, die Situation ein minder bedrohliches Ge-
sicht zeigt als seither und mit besserer Berechtigung gehofft
werden darf, dass die Diplomatie den kriegerischen Zusammen-
stoss im Orient verhüten werde, so besteht doch eine Sicherheit
dafür nicht, und man kann es nur begreiflich finden, wenn bei
Abschlüssen, insbesondere bei langfristigen, die Kriegsklausel
vereinbart wird. Die Kriegsklausel hat auch für das Export-
geschäft eine besondere Bedeutung, ja man kann sogar behaupten,
dass, soweit die Kriegsklausel in ihrer Beziehung auf die Ver-
sicherungen in Betracht kommt, das Exportgeschäft hieran in
höherem Masse interessiert ist als ein anderes.
Die Seeversicherung erstreckt sich nach dem Gesetze auch
auf die Gefahren, welchen Schiff und Ladung infolge eines Krieges
und der Verfügung von hoher Hand ausgesetzt sind. Durch die
Bestimmungen der Seeversicherungspolicen ist aber regelmässig
bestimmt, dass die Kriegsgefahr von der Versicherung ausge-
schlossen ist, bezw. dass sie besonders übernommen werden muss.
Ein Ausschluss der Versicherung gegen Kriegsgefahr ist ins-
besondere in der Klausel „Frei von Kriegsmolest“ zu erblicken
Das deutsche Handelsgesetzbuch bestimmt im § 83 b, dass, wenn
eine Vereinbarung dieses Inhalts getroffen worden ist, die Gefahr
für den Versicherer mit dem Zeitpunkt endet, in welchem die
Kriegsgefahr Einfluss auf die Reise auszuüben beginnt, insbesondere
also, wenn der Antritt oder die Fortsetzung der Reise durch
Kriegsschiffe, Bojen oder Blockade behindert oder zur Vermeidung
der Kriegsgefahr aufgeschoben wird, wenn das Schiff aus einem
solchen Grunde von seinem Wege abweicht, oder wenn der
Schiffer durch Kriegsbelästigung die freie Verfügung des Schiffs
verliert. Die versicherungsrechtliche Behandlung des Einflusses
des Krieges macht im allgemeinen keine besonderen Schwierig-
keiten, weil bei Ausbruch des Krieges oder schon vorher die
Kriegsversicherungen abgeschlossen werden. In London ist dies
schon in erheblichem Umfange geschehen.
Abgesehen von dem Versicherungsgebiet kommt aber der
Einfluss des Krieges als ein die aus einem Vertrage sich er-
gebenden Verpflichtungen berührendes Moment in Betracht. Es
handelt sich hierbei nicht nur um die Frage, ob die übernommene
Verpflichtung zur Lieferung von Sachen irgendwelcher Art infolge
der Veränderung der Verhältnisse durch die kriegerischen Wirren
überhaupt erfüllt werden muss, sondern auch darum, ob sie in
der Weise erfüllt werden muss, in welcher sie vereinbart wurde.
Man denke an die gewaltige Preiserhöhung, die infolge eines
Krieges einzutreten pflegt; muss trotz derselben der Verkäufer
zu den vereinbarten Preisen liefern oder kann er verlangen, dass
der Käufer den erhöhten Preisen Rechnung trägt? Ohne die
ausdrückliche Vereinbarung der Kriegsklausel ist er nicht zu der
Erhöhung berechtigt, und die gegenteilige Ansicht, die allerdings
in kaufmännischen Kreisen nicht nur vereinzelt angetroffen wird,
ist ganz unberechtigt. Schon bei einer anderen Veranlassung ist
vor einigen Wochen erst an dieser Stelle ausgeführt worden,
dass dem geltenden deutschen Recht keine Bestimmung bekannt
ist, wonach die Verträge nur unter den zur Zeit ihres Abschlusses
vorhandenen Voraussetzungen als abgeschlossen gelten. Dies
kommt auch für den Kriegsfall in Betracht. Die Kriegsklausel
sichert dem Lieferanten und Verkäufer seine volle Freiheit für
den Ausbruch des Krieges, und es ist dieserhalb allerdings zu
empfehlen, von ihr Gebrauch zu machen.
Vielfach wird es dem Lieferanten infolge des Ausbruchs eines
Krieges überhaupt nicht möglich, seiner Lieferungspflicht nach-
zukommen, sei es, weil die ihm zur Verfügung stehenden Arbeiter
zur Fahne einberufen werden, sei es, weil die Rohmaterialien,
die zur Lieferung erforderlich sind, nicht mehr beschafft werden
können oder aus ähnlichen Gründen. Da der Krieg, wenn er
mit solchen Wirkungen verbunden ist, jedenfalls als höhere Ge-
walt anzusehen ist, so würde der Lieferant, der infolgedessen
nicht liefert, nicht als im Verzug befindlich zu erachten sein.
Denn, wenigstens ist dies nach deutschem Recht so, der Verzug
tritt nur unter Voraussetzung des Verschuldens ein; kommt da-
gegen der Leistungspflichtige durch Umstände in Verzug, welche
ihm nicht zuzurechnen sind, die er nicht zu vertreten hat und für
welche er dieserhalb auch nicht verantwortlich gemacht werden
kann, so treten die Verzugsfolgen nicht ein; ist höhere Gewalt
vorhanden, so ist Verzug nicht vorhanden.
Indessen kommt in Betracht, dass, wenn ein Land nicht un-
mittelbar an den kriegerischen Zusammenstössen beteiligt ist,
sondern nur mittelbar in Mitleidenschaft gezogen wird, die Ge-
richte vielfach Bedenken haben werden, anzunehmen, dass auf
seifen des Leistungspflichtigen eine durch höhere Gewalt ver-
ursachte Behinderung vorliege. Man nehme den Fall an, mit dem
ja gerechnet werden kann, dass der Zusammenstoss auf Serbien
und Oesterreich beschränkt bleibt, sofern es überhaupt zu einem
solchen kommt, Deutschland würde nur mittelbar in Mitleiden-
schaft gezogen, und doch würde es unter Umständen überaus
schwer für die mit langfristigen Verträgen zur Lieferung verpflich-
teten Fabrikanten und Exporteure sein, ihrer Lieferungsfrist über-
haupt nachzukommen. Auch im Hinblick hierauf ist die Verein-
barung der Kriegsklausel sehr zu empfehlen; unbedingt not-
wendig ist sie aber für diejenigen, welche sich vor Schaden hüten
wollen, schon mit Rücksicht auf den an erster Stelle angegebenen
Grund.
Durch die Vereinbarung der Kriegsklausel wird die Kriegs-
gefahr nicht erheblicher, es ist auch unrichtig, wenn angenommen
wird, die Vereinbarung sei ein Moment der Beunruhigung. Sie
ist nur die Berücksichtigung einer Eventualität, mit welcher der
vorsichtige und weitsichtige Kaufmann rechnet und auch rechnen
muss, um sich vor mitunter empfindlichem Schaden zu bewahren.
Deshalb ist den Exporteuren bei längerfristigen Kontrakten zu
raten, bis zur vollständigen Beseitigung jeder Kriegsgefahr auf
der Balkanhalbinsel die Vereinbarung der Kriegsklausel gegebenen
Falles nicht zu unterlassen. Deutsche Export-Revue.