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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 51
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Künstlich hergestellte Edelsteine
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0462

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442

JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST

Nr. 51

KÜNSTLICH HERGESTELLTE EDELSTEINE

Seit altersher wurde danach getrachtet, die kost-
baren Edelsteine täuschend nachzuahmen. Die
Gründe, die dafür mafzgebend waren, bestanden
hauptsächlich darin, den hohen Wert der Natursteine
durch Unterschiebung der Fälschungen zum Vor-
teil der Produzenten auszunutzen, oder auch, um
das bestehende Bedürfnis nach billigeren Schmuck-
steinen gleichen Aussehens wie die Edelsteine zu
befriedigen. Bei allen diesen Imitationen hatte man
es stets mit mehr oder weniger plumpen Fälschungen
zu tun, die mit den Edelsteinen, die sie vorstellen
sollten, nichts gemein hatten, höchstens gleiche
Farbe und ähnliches Aussehen.
Ganz anders verhält es sich jedoch mit den Ver-
suchen, die seit einiger Zeit von bedeutenden Minera-
logen angestellt werden, bei denen es sich darum
handelt, Edelsteine auf wissenschaftlichem Wege
genau so herzustellen, wie sie sonst die Natur zu
schaffen pflegt. Es war bei diesen Problemen un-
erläfzliche Bedingung, dafz die erzielten Resultate
in jeder Beziehung mit den Natursteinen identisch
sein mufzten. Es wurde die gleiche chemische Zu-
sammensetzung, die gleiche Kristallisation und die
gleiche Härte verlangt, da erst dann die physika-
lischen Eigenschaften und die optischen Erschei-
nungen mit denen der Natursteine übereinstimmen
können. Angeregt wurden diese Bestrebungen be-
sonders durch die moderne Chemie, die zweifellos
bewiesen hatte, dafz die meisten geschätzten Edel-
steine in ihrer Zusammensetzung aus Elementen be-
stehen, die auf der Erde durchaus nicht selten und
dabei leicht zugänglich sind. Der Gedanke lag also
nahe, einfach die entsprechenden Mischungen zu
bereiten und diese dann, analog der Natur, durch
irgend ein Verfahren zur Kristallisation zu bringen.
Da die berechtigte Vermutung besteht, dafz die Edel-
steine weniger oft durch wässerige Lösungen, sondern
meistens durch Einwirkung hoher Temperaturen ent-
standen sind, suchte man auch bei diesen Versuchen
vorwiegend mittels Schmelzflufz das Ziel zu erreichen.
Die bezüglichen Erfolge, die für die Schmuck-
industrie in Frage kommen, beziehen sich haupt-
sächlich auf den edlen Korund (Rubin und Saphir),
und zwar vor allem auf Rubin, da die blaugefärbte
Art, der Saphir, weit weniger wertvoll und deshalb
auch nicht so rentabel ist. Zunächst wurden kleine
natürliche Rubinteile zusammengeschmolzen, um so
gröfzere Steine zu erzielen. Entsprechend der Methode
legte man den erzeugten Steinen die Bezeichnung
„reconstitue", also „zusammengefügt" bei.
Die nach diesem Verfahren hergestellten Rubine
waren mit den Natursteinen in den wesentlichen
Zügen übereinstimmend, sie hatten gleiches spezi-

fisches Gewicht, gleiche Lichtbrechung und gleiche
Härte, nur die Struktur zeigte noch eine kleine Ab-
weichung. Diese Methode war jedoch insofern un-
vollkommen, da man bei derselben doch noch auf
bereits in der Natur kristallisierte Produkte angewiesen
war. Das gesteckte Ziel wurde aber vollständig er-
reicht, als es gelang, die Thonerde (nicht Thon), den
chemischen Bestandteil des Korunds, künstlich zur
Kristallisation zu bringen. Unter Zusatz von Chrom-
säure als Färbemittel wurden dann prachtvolle Rubin-
Kristalle erzielt, die in Nichts den Natursteinen nach-
stehen, diese vielmehr infolge ihrer tadellosen Rein-
heit übertreffen.
Die bezüglichen Steine, die einen bedeutenden
Erfolg unserer heutigen Wissenschaft dokumentieren,
werden ebenfalls unter der Bezeichnung „Rubis
reconstituees" oder „Rubis scientifiques" in den
Handel gebracht. Die Unterscheidung von Natur-
steinen ist äufzerst schwierig und nur vermittels
Mikroskop mit achromatischen Linsen möglich. Bei
entsprechender Vergröfzerung kann man dann kleine
Bläschen, sogenannte Dampfporen, wahrnehmen.
Dieses Erkennungsmerkmal ist aber bei den neuesten
Erzeugnissen auch verschwunden; diese präsentieren
sich in einer tadellosen Reinheit, was wiederum bei
Natursteinen, zumal bei gröfzeren Exemplaren, nie zu
beobachten ist, letztere zeigen vielmehr immer Un-
reinheiten und Einschüsse fremder Bestandteile.
Bei allen anderen Untersuchungsmethoden erreicht
man dieselben Resultate, wie bei den Natursteinen,
auch in den optischen Apparaten zeigen sich die-
selben Erscheinungen, solches ist nach der gleichen
Beschaffenheit ja übrigens leicht erklärlich.
Dass man aber trotzdem die Rubis reconstituees
nicht mit den Natursteinen bezüglich der Bewertung
auf die gleiche Stufe stellen will, ist aus den ver-
schiedensten Gründen vollkommen gerechtfertigt.
Denn besonders die Seltenheit ist ein wesentlicher
Faktor, der bei der Wertschätzung in Betracht kommt,
ein Umstand, der aber bei der künstlichen Her-
stellungsweise vollständig wegfällt. Da das Material
aber absolut das gleiche ist, wäre es ebenso unge-
recht, die Rubis reconstituees einfach als „Fälschung"
zu bezeichnen.
Augenblicklich werden jedoch noch andere
Schmucksteine unter der Benennung „reconstitue"
angeboten, wie z. B. Smaragd, wogegen man sich
ganz entschieden verwahren mufz, da es sich bei
diesen, wie auch bei den meisten sogenannten rekon-
struierten Saphiren, um ganz gewöhnliche Nach-
ahmungen handelt, welche mit den Edelsteinen, die
sie ihren Namen nach vorstellen sollen, nicht mehr
gemeinsam haben, wie jede andere Fälschung. Zur
 
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