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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 49
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Rée, Paul Johannes: Paul Haustein
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0443

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30. JAHRG.

LEIPZIG, 4. DEZEMBER 1909

Nr. 49

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GOLDSCHMIEDEKUNST

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VERLAG: HERM. SCHLAG NACHE
INH. FELIX HENTZE
LEIPZIG


NACHDRUCK, AUCH EINZELNER ARTIKEL, OHNE GENEHMIGUNG DER SCHRIFTLEITUNG VERBOTEN

PAUL HAUSTEIN
Von Paul Johannes Ree

Es kann gar nicht oft und ausdrucksvoll genug
betont werden, dafz, wenn heute von einem neuen
Stil die Rede ist und dieser der Nachahmung
historischer Stilformen gegenüber gestellt wird, damit
nicht eine fest umschriebene, in sich abgeschlossene,
fertige Kunstweise gemeint ist, die, wie der antike,
der gotische und der Rokokostil sich formal genau
bestimmen läfzt, sondern dafz dieser vielmehr ein
Ideal bedeutet, auf welches das künstlerische Schaffen
unserer Tage, ohne es zu wissen und zu wollen, unbe-
wußt lossteuert. Wie der gute, klare, gehaltvolle Wein,
so ist auch ein Stil immer das Endprodukt eines
Gärungsprozesses, und wie zu dessen Bereitung, so
bedarf es auch zur Bildung eines Stils eines Gärungs-
ferments, das in die Zeit hineingeworfen wird und
das künstlerische Gestalten frei macht von den stil-
widrigen Verbindungen, welche es im Laufe der Zeit
unter dem Einflufz der Mode und infolge anderer
kunstwidriger Einflüsse eingegangen ist. z Ein
solches Ferment war die in den neunziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts ausgegebene Parole
„Schafft modern", die nötig war, um dem kunst-
und kulturwidrigen Historismus Paroli zu bieten,
den das neunzehnte Jahrhundert grofzgezogen und
auf dem Gebiete der Baukunst und der technischen
Künste bis zum Uberdrufz gepflegt hatte. Nicht
kpm es jetzt darauf an, an Stelle der alten Stilweisen
einen neuen Stil zu setzen — Stile entstehen nicht
von heute auf morgen — sondern mit ganzer Kraft
darnach zu trachten, die Grundlagen zu schaffen,
die ein freies stilvolles Gestalten ermöglichten.
Meister mufzten kommen, die den Mut und die
Kraft besafzen, aus den ausgefahrenen Gleisen der
bisherigen Kunstübung herauszutreten und die Kunst
mit sicherem Blick und fester Hand in die Bahnen

zu leiten, die nicht in die Vergangenheit, sondern
in die Zukunft führten und dabei so künstlerisch
und zeitgemäfz waren, wie jene, in denen sich einst
die bewunderten Altmeister bewegt hatten. Nicht
einen neuen Stil begehrte man, sondern starke
Künstlerpersönlichkeiten, in denen die Kraft der
alten Kunst lebendig war, deren Schaffen deshalb
stilvoll war wie das der Altmeister und deren
Schöpfungen sich nur deshalb äufzerlich von den Alt-
sachen unterschieden, weil die äufzeren und inneren
Bedingungen, unter denen sie entstanden, andere
waren als die, aus denen jene hervorgegangen sind.
Was wir brauchten, waren ganze Persönlichkeiten, die
bei aller Ehrfurcht vor dem Können der Alten sich
ihres eigenen Wertes bewufzt waren und mit dem
rechten Spürsinn die Quellen aufzufinden wufzten,
die den künstlerischen Durst unserer Tage stillen.
Eine solche Persönlichkeit ist Paul Haustein,
dem dieses Heft gewidmet ist. Vor mir liegen ver-
schiedene ornamentale Zeichnungen des Meisters,
darunter solche, welche Ende der neunziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts als Umrahmungen in der
Münchner „Jugend" erschienen sind und andere, die er
im Verein mit den Entwürfen anderer junger Künstler
damals als „Moderne Ziermotive" herausgab. Sie
lehren, dafz Haustein, der damals noch nicht 20 Jahre
alt war, schon gleich mit gesundem künstlerischen
Sinn erkannt hatte, was der Kunst not tat, und sich
gleich mit sicherem Gefühl auf dem neuen Boden, den
er hier betrat, bewegte. Während so vieles, was im
Sturm und Drang jener Tage geschaffen wurde, nur
eine ephemere Erscheinung war, hat das meiste, was
er hier geschaffen hat, der Zeit stand gehalten und
erscheint als die herbe Knospe seiner in den darauf-
folgenden Jahren zu voller Entwicklung gebrachten
 
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