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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 21
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Bindhardt, Georg: Künstler, Fabrikanten und Konsumenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0183

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Ur. 21.

Leipzig, 22. Hlai 1909.

30. Jctfjrg.

Journal her öolbsdjmicbeknnst

□ □ □ Zentralorgan □ □ □
für öle gesamten Interessen Deutscher
Juweliere, öolb- unb Silbersdjmiebe
- -
Erscheint wödjenflid} einmal unb zwar Sonnabends in abwechselnder Ausgabe
Herrn. Sdjlag Hadjf. (w reit? Hentze) Leipzig


Tlactibrud? aller Ärfikel otjne Genehmigung ber Kebakfion isf verboten.

Künstler, Fabrikant und Konsument.
Von Georg Bindhardt.

u den viel erörterten Fragen unseres Volkes
gehört das Verlangen nach einer zeitgemässen
Kunst, die moderne ethische Begriffe in reiner
Form wiedergibt. — Ich glaube sagen zu
dürfen, diese Kunst haben wir nicht. Wir
und tüchtige Künstler, und wenn wir trotz-
dem keine eigentliche Volkskunst haben, so ist dies darin
begründet, dass die Kunst unserer Zeit das Bestreben hat,
nur künstlerische Individualität zu entwickeln. Die Künstler
wollen dem Volke ihr persönliches Gesicht zeigen, nicht
aber das seelische Antlitz des Volkes formen.
L’art pour l’art ist die Devise. Infolgedessen wird
unsere Kunst von heute im Volke selbst auch wenig ver-
standen.
Der Gebildete der Jetztzeit sieht in den Werken der
heutigen Kunst nicht die Befriedigung seiner Sehnsucht
nach Schönheit und bleibt leicht mit einseitiger Vorliebe
nur bei dem, was vergangene Zeiten geschaffen.
Was der „Kunst im höheren Sinne“ eigen ist, gilt
ebenso für das künstlerische Handwerk.
Trotzdem bei uns viel kunstgewerbliche Arbeit produ-
ziert wird, ist das Verständnis dafür dennoch gering.
Man begegnet in Künstlerfachkreisen oft Aussprüchen
wie: das Publikum hat kein Verständnis für Kunst, oder:
es hat eine instinktive Vorliebe für das eigentlich Un-
künstlerische, es besitzt keinen guten Geschmack. Die
Künstler, die im Kunsthandwerk arbeiten, wollen gern einen
anderen Faktor mit verantwortlich machen, das ist die
Industrie als Zwischenglied zwischen dem eigentlich
schaffenden Künstler und dem Publikum.
Schon unzählige Mal hörte ich in Fachkreisen die
Redensart: Die Fabrikanten tragen dazu bei, den Ge-
schmack des Volkes nicht nur nicht zu heben, sondern

direkt zu verderben. Eines steht fest, dass von einem
gegenseitigen Verständnis zwischen dem Volk und den
schaffenden Künstlern zur Zeit keine Rede ist. Es wäre
interessant nachzuforschen, wo die Ursache sitzt. Ich für
meine Person glaube, dass der innige Konnex zwischen
Publikum und Künstler, wie er bestehen soll, und bei
den Alten bestanden hat, erst von neuem wieder ge-
schaffen werden muss.
Vorläufig hat die Art und Weise unserer heutigen Pro-
duktion, der Umweg durch den Handel, auf dem die
Ware erst wieder ins Publikum gebracht wird, Künstler
und Publikum einander entfernt.
Für unsere heutigen Existenzbedingungen ist es selbst-
verständlich, dass wir nicht mehr von unseren engsten
nachbarlichen Beziehungen leben können. Wo wir früher
ein Handwerk hatten, das ausschliesslich für die Stadt
arbeitete, in der es ansässig war, haben wir jetzt eine
Industrie, deren Markt die ganze Erde ist. Die wenigsten
Artikel werden im Hinblick auf einen ganz bestimmten
Besteller angefertigt. Die Arbeit soll nicht einen zufrieden
stellen und einem gefallen, sie soll, und das ist das Ge-
heimnis der Fabrikation überhaupt, möglichst vielen zu-
sagen. In Bezug auf Anwendung und Schönheit soll sie
das enthalten, was so zu sagen jeder ohne weiteres begreift.
Vom künstlerischen Standpunkt aus wird ein derartiges
Produkt als banal bezeichnet. Die Industrie muss aber
den möglichst allgemeinen Geschmack berücksichtigen, um
wirtschaftlich reüssieren zu können; sie muss, um die
grossen materiellen Werte, die sie umsetzt, richtig zu ver-
rechnen, in erster Linie vom kaufmännischen Standpunkt
aus geleitet werden, d. h. jeder Artikel, den der Hand-
werkskünstler schafft, hat für die vermittelnde Industrie in
dem Masse wert, wie er gekauft wird, wie er sich rentiert.


besitzen viele
 
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