Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0099
DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:R., W.: Heraldik und Wappengravierkunst
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0099
Ur. 11.
Leipzig, 13, fflärz 1909.
30. Jatjrg.
Journal her Golbsdjmieb ekunst
■I @ □ □ □ Zenfralorgan □ □ □ K ||
|| U für bie gesamten Interessen Deutscher ® ]|
fc-l ö Juweliere, öolb- unb Silbersdjmiebe L*
- -
Erscheint wödgcnflidg einmal unb zwar Sonnabenbs in abwedjselnber Ausgabe
Herrn. Sdj lag ftadjl twrei^Hentze) Leipzig
Uatfibruck aller Artikel otyne Genehmigung ber Kebakfion ist verboten.
Heraldik und Wappengravierkunst,
it der Wappenkunde vertiefen wir uns in
eine Wissenschaft, die sich mit den
Regeln der Wappendarstellung und der
Wappenführung befasst. Ein Hauch
aus dem Mittelalter strömt uns dabei
entgegen, schaurige Balladen und begeisternde Heldensagen
vernimmt unser Ohr und dröhnendes Kampfgetöse. Wir
sehen trutzige Burgen entstehen, feudale Geschlechter
kommen und wieder untergehen. Doch ihre Wappen sind
zum grössten Teil erhalten geblieben und erzählen uns
noch heute von Unerschrockenheit und dem Mut jener
Recken, aber auch von prunkenden Zechgelagen und ge-
fahrvollem Minnedienst.
Manche der ruhmreichen Geschlechter bestehen noch
zur Gegenwart, das mit der Wappengeschichte verknüpfte
farbenprächtige Bild ist jedoch längst ver-
blasst im prosaischen Getriebe unserer Zeit.
Ein Spezialgebiet der Wappenkunde ist
die Wappenkunst; hierher gehört die prak-
tische Ausübung der Heraldik, das Entwerfen
und Zeichnen von Wappen.
Für unser Kunstgewerbe hat besonders
derjenige Teil der Wappenkunde Interesse,
der sich mit der Wappendarstellung befasst,
und zwar speziell die Art der Gravierung.
Wir wollen deshalb im folgenden gerade
dieses Gebiet eingehender berücksichtigen
und das Verständnis durch übersichtliche
Abbildungen unterstützen. Doch wir wollen
auch jenes Wissenswerte über die Ent-
stehungsgeschichte und das Wappenwesen
einschalten, was für den ausübenden
Künstler nicht direkt belanglos ist.
Unter Wappen versteht man nach ganz
bestimmten Grundsätzen aufgestellte Ab-
zeichen, zu deren Führung gewisse Personen, Familien und
Körperschaften berechtigt sind. Der Ursprung der Wappen
fällt in die Zeit der Kreuzzüge und steht im engsten Zu-
sammenhang mit den alten Gebräuchen des Rittertums —
den Kampfspielen und Turnieren —. Auch die Beigabe
des Zunamens zum Taufnamen sowie der korporative Zu-
sammenschluss des Adels waren wesentliche Erscheinungen,
die zur Entstehung beitrugen.
Die Wappen, die damals entstanden, und welche nachher
ohne Widerspruch anerkannt wurden, heissen „Urwappen“.
„Briefwappen“ nennt man diejenigen, die durch Wappen-
brief von fürstlichen Personen verliehen wurden. Äusser
den adeligen Ständen waren auch die sogenannten Wappen-
genossen, die nichtadeligen Personen und Geschlechter
(die Patrizier) zur Führung berechtigt.
Man unterscheidet redende und halb-
redende Wappen, je nach der Vollkommen-
heit des Ausdrucks, in der die Namen der
Träger in den Wappenschildern versinnbild-
licht sind. Eine weitere Einteilung ergeben
die angewandten, verschiedenen Stilarten
in der Zeichnung. Doppelwappen, soge-
nannte Ehe- oder Alliance-Wappen, werden
aus der Vereinigung zweier Wappen der-
jenigen Personen gebildet, die sich mitein-
ander verehelicht haben.
Die Hauptepoche des Wappenwesens
und mit ihr die Entwickelungszeit der
Heraldik reicht zurück bis auf das 11. Jahr-
hundert und dauerte bis in das 13. Jahr-
hundert. Damals stellte allein der Schild
mit seinem Bilde das Wappen dar. Die
Blütezeit der Heraldik fällt in das 13. bis
15. Jahrhundert, jetzt machte der Schild
mit Helm und Helmschmuck das Wappen
Leipzig, 13, fflärz 1909.
30. Jatjrg.
Journal her Golbsdjmieb ekunst
■I @ □ □ □ Zenfralorgan □ □ □ K ||
|| U für bie gesamten Interessen Deutscher ® ]|
fc-l ö Juweliere, öolb- unb Silbersdjmiebe L*
- -
Erscheint wödgcnflidg einmal unb zwar Sonnabenbs in abwedjselnber Ausgabe
Herrn. Sdj lag ftadjl twrei^Hentze) Leipzig
Uatfibruck aller Artikel otyne Genehmigung ber Kebakfion ist verboten.
Heraldik und Wappengravierkunst,
it der Wappenkunde vertiefen wir uns in
eine Wissenschaft, die sich mit den
Regeln der Wappendarstellung und der
Wappenführung befasst. Ein Hauch
aus dem Mittelalter strömt uns dabei
entgegen, schaurige Balladen und begeisternde Heldensagen
vernimmt unser Ohr und dröhnendes Kampfgetöse. Wir
sehen trutzige Burgen entstehen, feudale Geschlechter
kommen und wieder untergehen. Doch ihre Wappen sind
zum grössten Teil erhalten geblieben und erzählen uns
noch heute von Unerschrockenheit und dem Mut jener
Recken, aber auch von prunkenden Zechgelagen und ge-
fahrvollem Minnedienst.
Manche der ruhmreichen Geschlechter bestehen noch
zur Gegenwart, das mit der Wappengeschichte verknüpfte
farbenprächtige Bild ist jedoch längst ver-
blasst im prosaischen Getriebe unserer Zeit.
Ein Spezialgebiet der Wappenkunde ist
die Wappenkunst; hierher gehört die prak-
tische Ausübung der Heraldik, das Entwerfen
und Zeichnen von Wappen.
Für unser Kunstgewerbe hat besonders
derjenige Teil der Wappenkunde Interesse,
der sich mit der Wappendarstellung befasst,
und zwar speziell die Art der Gravierung.
Wir wollen deshalb im folgenden gerade
dieses Gebiet eingehender berücksichtigen
und das Verständnis durch übersichtliche
Abbildungen unterstützen. Doch wir wollen
auch jenes Wissenswerte über die Ent-
stehungsgeschichte und das Wappenwesen
einschalten, was für den ausübenden
Künstler nicht direkt belanglos ist.
Unter Wappen versteht man nach ganz
bestimmten Grundsätzen aufgestellte Ab-
zeichen, zu deren Führung gewisse Personen, Familien und
Körperschaften berechtigt sind. Der Ursprung der Wappen
fällt in die Zeit der Kreuzzüge und steht im engsten Zu-
sammenhang mit den alten Gebräuchen des Rittertums —
den Kampfspielen und Turnieren —. Auch die Beigabe
des Zunamens zum Taufnamen sowie der korporative Zu-
sammenschluss des Adels waren wesentliche Erscheinungen,
die zur Entstehung beitrugen.
Die Wappen, die damals entstanden, und welche nachher
ohne Widerspruch anerkannt wurden, heissen „Urwappen“.
„Briefwappen“ nennt man diejenigen, die durch Wappen-
brief von fürstlichen Personen verliehen wurden. Äusser
den adeligen Ständen waren auch die sogenannten Wappen-
genossen, die nichtadeligen Personen und Geschlechter
(die Patrizier) zur Führung berechtigt.
Man unterscheidet redende und halb-
redende Wappen, je nach der Vollkommen-
heit des Ausdrucks, in der die Namen der
Träger in den Wappenschildern versinnbild-
licht sind. Eine weitere Einteilung ergeben
die angewandten, verschiedenen Stilarten
in der Zeichnung. Doppelwappen, soge-
nannte Ehe- oder Alliance-Wappen, werden
aus der Vereinigung zweier Wappen der-
jenigen Personen gebildet, die sich mitein-
ander verehelicht haben.
Die Hauptepoche des Wappenwesens
und mit ihr die Entwickelungszeit der
Heraldik reicht zurück bis auf das 11. Jahr-
hundert und dauerte bis in das 13. Jahr-
hundert. Damals stellte allein der Schild
mit seinem Bilde das Wappen dar. Die
Blütezeit der Heraldik fällt in das 13. bis
15. Jahrhundert, jetzt machte der Schild
mit Helm und Helmschmuck das Wappen