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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
Nr. 43
Weiterentwicklung begriffenen grofzen Kunst. Ge-
nötigt, der leider meist mit dieser in Widerspruch
stehenden Tagesmode zu huldigen, verlieren sie
nur zu leicht den Blick für das Einfache und
künstlerisch Natürliche. In erster Linie täte es not,
dafz unsere Kunstindustriellen, die wie zur Ver-
schlechterung so auch viel zur Verbesserung und Ver-
edlung des Geschmacks beitragen können, mehr von
den Grundsätzen erfahren und annehmen würden, von
denen die Meisterkurse beherrscht sind. Man braucht
ja nur einen Blick in die Schaufenster unserer kunst-
gewerblichen Magazine hineinzuwerfen, um diesen
Wunsch zu teilen. Neben einzelnen schönen und
charaktervollen Stücken ein Wust von Dingen, die
zwar den Schein des Künstlerischen an sich tragen,
aber in Wirklichkeit mit Kunst wenig oder gar nichts
gemein haben. Ganz stilvoll nehmen sich im Ver-
gleich damit die Dinge aus, welche die Schaufenster
unserer Modemagazine, Hutmacher und Schuhwaren-
händler füllen. Unsere, für den Schmuck des Heims
bestimmten Kunstsachen sollten doch mindestens
so viel Schönheit haben, wie die Bestandteile unserer
Toilette. Dafz hier eine Stilverschiedenheit herrscht
und dafz die Geschmackswertung in den meisten
Fällen zugunsten der Toilettesachen ausfällt, ist un-
natürlich und es erklärt sich, dafz der Tertius, der
sich darüber freut, der Antiquar ist, denn was kann
der auf den Besitz von echter Kunst bedachte Kunst-
freund, wenn die eigene Zeit versagt, besseres tun,
als zur Vergangenheit seine Zuflucht zu nehmen.
Unserem künstlerischen Leben ist damit freilich
wenig gedient.
ETWAS VOM PERLENSCHMUCK.
Die Perle, dieses unvergleichlich schöne Kleinod,
wurde von den Dichtern aller Zungen verherrlicht.
Der eine nannte sie einen Tautropfen, der vom
Himmel zwischen die geöffneten Schalen einer von
der Meeresflut zum Strand emporgehobenen Muschel
fiel; ein anderer besang sie als das schaumgeborene
Juwel, wie die göttliche Aphrodite selber, ein dritter
verglich sie mit den Tränen der Aurora, in denen
sich ein Mondstrahl widerspiegelt. So könnte man
die poetischen Benennungen der Perlen noch ins
Unendliche vermehren, und in allem liegt etwas
Wahres, denn selbst für den Juwelier, falls er den
Wert dieses Kleinods richtig einschätzen will, handelt
es sich vor allem, die Nuance des leuchtend sanften
Scheines zu taxieren, der die seltsamen Mysterien
der Meerestiefen zu symbolisieren scheint.
Heute, wo die Wissenschaft sich so fieberhaft
bemüht, die Edelsteine auf künstlichem Wege her-
zustellen, hat man selbstverständlich auch den Perlen
ein erhöhtes Augenmerk zugewandt. Aber all dieses
„Rekonstruieren" ist doch nur auf den Augenschein
berechnet, kann ein erfahrenes Auge nicht täuschen
und ist nicht imstande, auch nur annähernd den
Marktwert der Perlen anzutasten. Im Gegenteil I
Man kann behaupten, dafz ihre Fabrikation stets
eine Chimäre bleiben wird, denn die Perle verdankt
ihre Entstehung einem organischen Prozefz, ein
Wachstum, dem durch die Geheimnisse der Alchy-
mistenküche, Hitzegrade und Schmelztiegel nicht
beizukommen ist. Um so mehr ist man heutzutage
von diesem Umstande überzeugt, dafz der Perlen-
schmuck, ebenso wie Diamanten und Rubine, heute
die wertvollste Kapitalsanlage bildet.
Die Entstehung der Perlen, im Altertum und
Mittelalter als eine Art von Naturwunder angestaunt,
ist schon seit längerer Zeit bekannt und im Grunde
genommen recht prosaisch. Man hat es einer Krank-
heit der Muschel, einer Art von Abszefz zu danken,
der dadurch entsteht, dafz sich in das Innere der
Muschel Fremdkörper einnisten, wie Sand, Bruch-
stücke von Korallen und dergl. mehr, oder dafz
Parasiten das Leben der Muschel bedrohen, ein
winzig kleiner Fisch vor allem und ein Krusttierchen.
Die Eindringlinge sucht die Muschel dadurch
unschädlich zu machen, dafz sie diese mit einer
kalkigen Absonderung überzieht, die genau die
Form des Fremdkörpers annimmt, worin man auch
den Grund für die oft so bizarren Formen der
Perlen zu suchen hat. In vielen Fällen gelingt es
der Muschel, diese Inwohner abzustofzen, und es
mögen dergestalt ungezählte Tausende dieser Klei-
node in den Tiefen des Meeres zerstreut liegen, die
wohl für immer verloren sind, was man um so mehr
bedauern kann, als die Resultate der Perlenfischerei
immer mehr im Abnehmen sind und die künstlich
angelegten Muschelbänke nicht reüsierten. Einige
Zeit hoffte man, in der Flulzperlmuschel, die sich
im nördlichen Europa und Amerika vorfindet, einen
Ersatz gefunden zu haben, besonders als im
Jahre 1856 ein Schuster namens Howell in einem
Flüfzchen von New-Yersey eine Muschel fand, die
eine grofze Perle enthielt und von einem Juwelier
für die artige Summe von 3000 Dollar erstanden
wurde. Dies erzeugte in Amerika ein wahres Fieber
unter den Glücksjägern und Abenteurern, alle Flüsse
von Kentucky, Tenessee und Texas wurden abge-
sucht und in der Tat eine ziemlich grofze Ausbeute
an Perlen gemacht, da eine der grofzen Firmen von
JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST
Nr. 43
Weiterentwicklung begriffenen grofzen Kunst. Ge-
nötigt, der leider meist mit dieser in Widerspruch
stehenden Tagesmode zu huldigen, verlieren sie
nur zu leicht den Blick für das Einfache und
künstlerisch Natürliche. In erster Linie täte es not,
dafz unsere Kunstindustriellen, die wie zur Ver-
schlechterung so auch viel zur Verbesserung und Ver-
edlung des Geschmacks beitragen können, mehr von
den Grundsätzen erfahren und annehmen würden, von
denen die Meisterkurse beherrscht sind. Man braucht
ja nur einen Blick in die Schaufenster unserer kunst-
gewerblichen Magazine hineinzuwerfen, um diesen
Wunsch zu teilen. Neben einzelnen schönen und
charaktervollen Stücken ein Wust von Dingen, die
zwar den Schein des Künstlerischen an sich tragen,
aber in Wirklichkeit mit Kunst wenig oder gar nichts
gemein haben. Ganz stilvoll nehmen sich im Ver-
gleich damit die Dinge aus, welche die Schaufenster
unserer Modemagazine, Hutmacher und Schuhwaren-
händler füllen. Unsere, für den Schmuck des Heims
bestimmten Kunstsachen sollten doch mindestens
so viel Schönheit haben, wie die Bestandteile unserer
Toilette. Dafz hier eine Stilverschiedenheit herrscht
und dafz die Geschmackswertung in den meisten
Fällen zugunsten der Toilettesachen ausfällt, ist un-
natürlich und es erklärt sich, dafz der Tertius, der
sich darüber freut, der Antiquar ist, denn was kann
der auf den Besitz von echter Kunst bedachte Kunst-
freund, wenn die eigene Zeit versagt, besseres tun,
als zur Vergangenheit seine Zuflucht zu nehmen.
Unserem künstlerischen Leben ist damit freilich
wenig gedient.
ETWAS VOM PERLENSCHMUCK.
Die Perle, dieses unvergleichlich schöne Kleinod,
wurde von den Dichtern aller Zungen verherrlicht.
Der eine nannte sie einen Tautropfen, der vom
Himmel zwischen die geöffneten Schalen einer von
der Meeresflut zum Strand emporgehobenen Muschel
fiel; ein anderer besang sie als das schaumgeborene
Juwel, wie die göttliche Aphrodite selber, ein dritter
verglich sie mit den Tränen der Aurora, in denen
sich ein Mondstrahl widerspiegelt. So könnte man
die poetischen Benennungen der Perlen noch ins
Unendliche vermehren, und in allem liegt etwas
Wahres, denn selbst für den Juwelier, falls er den
Wert dieses Kleinods richtig einschätzen will, handelt
es sich vor allem, die Nuance des leuchtend sanften
Scheines zu taxieren, der die seltsamen Mysterien
der Meerestiefen zu symbolisieren scheint.
Heute, wo die Wissenschaft sich so fieberhaft
bemüht, die Edelsteine auf künstlichem Wege her-
zustellen, hat man selbstverständlich auch den Perlen
ein erhöhtes Augenmerk zugewandt. Aber all dieses
„Rekonstruieren" ist doch nur auf den Augenschein
berechnet, kann ein erfahrenes Auge nicht täuschen
und ist nicht imstande, auch nur annähernd den
Marktwert der Perlen anzutasten. Im Gegenteil I
Man kann behaupten, dafz ihre Fabrikation stets
eine Chimäre bleiben wird, denn die Perle verdankt
ihre Entstehung einem organischen Prozefz, ein
Wachstum, dem durch die Geheimnisse der Alchy-
mistenküche, Hitzegrade und Schmelztiegel nicht
beizukommen ist. Um so mehr ist man heutzutage
von diesem Umstande überzeugt, dafz der Perlen-
schmuck, ebenso wie Diamanten und Rubine, heute
die wertvollste Kapitalsanlage bildet.
Die Entstehung der Perlen, im Altertum und
Mittelalter als eine Art von Naturwunder angestaunt,
ist schon seit längerer Zeit bekannt und im Grunde
genommen recht prosaisch. Man hat es einer Krank-
heit der Muschel, einer Art von Abszefz zu danken,
der dadurch entsteht, dafz sich in das Innere der
Muschel Fremdkörper einnisten, wie Sand, Bruch-
stücke von Korallen und dergl. mehr, oder dafz
Parasiten das Leben der Muschel bedrohen, ein
winzig kleiner Fisch vor allem und ein Krusttierchen.
Die Eindringlinge sucht die Muschel dadurch
unschädlich zu machen, dafz sie diese mit einer
kalkigen Absonderung überzieht, die genau die
Form des Fremdkörpers annimmt, worin man auch
den Grund für die oft so bizarren Formen der
Perlen zu suchen hat. In vielen Fällen gelingt es
der Muschel, diese Inwohner abzustofzen, und es
mögen dergestalt ungezählte Tausende dieser Klei-
node in den Tiefen des Meeres zerstreut liegen, die
wohl für immer verloren sind, was man um so mehr
bedauern kann, als die Resultate der Perlenfischerei
immer mehr im Abnehmen sind und die künstlich
angelegten Muschelbänke nicht reüsierten. Einige
Zeit hoffte man, in der Flulzperlmuschel, die sich
im nördlichen Europa und Amerika vorfindet, einen
Ersatz gefunden zu haben, besonders als im
Jahre 1856 ein Schuster namens Howell in einem
Flüfzchen von New-Yersey eine Muschel fand, die
eine grofze Perle enthielt und von einem Juwelier
für die artige Summe von 3000 Dollar erstanden
wurde. Dies erzeugte in Amerika ein wahres Fieber
unter den Glücksjägern und Abenteurern, alle Flüsse
von Kentucky, Tenessee und Texas wurden abge-
sucht und in der Tat eine ziemlich grofze Ausbeute
an Perlen gemacht, da eine der grofzen Firmen von