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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 31
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M.-L., K.: Das Recht an abhanden gekommenen Juwelen
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0294

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ag JOURNAL DER GQLDSCHMIEDEKUNST

tum gebliebenen Wertgegenstände. Die Klägerin beruft
sich hierbei noch auf § 855 des Bürgerlichen Gesetzbuches,
nach welcher Vorschrift trotz der Gewaltausübung eines
anderen über die Sache, diese doch im Besitze des ur-
sprünglichen Eigentümers bleibt, wenn der andere in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu dem Auftraggeber steht. So
seien die in Rede stehenden Juwelen nicht auf die Tochter
übergegangen, vielmehr habe diese strengen Auftrag und
Weisung erhalten, was sie damit tun sollte. Die Sachen
seien deshalb stets im Eigentume der Klägerin verblieben.
Das Landgericht Nürnberg erkannte schliesslich auch
dahin, dass der beklagten Firma S. kein Recht an den
Juwelen zusteht, und dass die in Berlin und Nürnberg
hinterlegten streitigen Gegenstände an die Klägerin
herauszugeben sind. Die Berufung der Beklagten wurde
vom Oberlandesgericht Nürnberg zurückgewiesen.
Gegen das oberlandesgerichtliche Urteil hatte die Be-
klagte Revision beim Reichsgericht eingelegt, jedoch ohne
Erfolg. Der VII. Zivilsenat erkannte auf Zurückweisung
der Revision. Aus den Entscheidungsgründen des er-
kennenden Senats ist hierzu folgendes von Interesse:
„Darüber, dass die Tochter der H. bei ihrer Beschäftigung
im Handelsgewerbe ihrer Mutter, soweit sie hierbei die
tatsächliche Gewalt über die zum Geschäfte gehörigen
Sachen erlangte, nur Besitzdienerin ihrer Mutter im Sinne
des § 855 des Bürgerlichen Gesetzbuches war, kann ein
Zweifel nicht bestehen. Auf ihre Stellung im Haushalt
ihrer Mutter kommt es hierbei nicht an, es genügt der Hin-
weis auf ihre Stellung in deren Erwerbsgeschäfte. Wenn
sie auch nicht, in diesem Geschäfte förmlich als Gehilfin
angestellt war, so nahm sie doch eine einem Gehilfen-
posten ähnliche Stellung ein, vermöge deren sie in gleichem
Masse wie ein Angestellter den sich auf die Sachen be-
ziehenden Weisungen ihrer Mutter als der Geschäftsherrin
Folge zu leisten hatte. Fraglich kann nur sein, ob sie
die Stellung einer blossen Besitzgehilfin auch während der
in Rede stehenden Sendung nach Nürnberg beibehielt und
beibehalten konnte. Auch dies ist vom Berufungsgerichte
mit Recht bejaht worden. Zunächst ist nichts beigebracht,
worauf sich die Annahme gründen könnte, dass das soziale
Abhängigkeitsverhältnis, in dem sie zu ihrer Mutter als
deren Gewerbegehilfen stand, für die Dauer dieser Reise
aufgehoben sein sollte. Im Gegenteil, sie hat gerade in

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dieser Eigenschaft den Auftrag zur Reise erhalten, ihr
Verhältnis zu ihrer Mutter war auch während ihrer Reise
nicht anders zu beurteilen, als wenn ein beliebiger (anderer)
Angestellter des Geschäfts mit der Sendung betraut
worden wäre. Die ihr nach Feststellung des Berufungs-
gerichts erteilten strengen Weisungen, denen sie Folge zu
leisten verpflichtet war, lassen hierüber keinen Zweifel.
Die erhebliche Entfernung zwischen Wien und Nürnberg
schloss die Fortdauer des Besitzdienerverhältnisses nicht
aus. Massgebend für das Bestehen eines solchen Verhält-
nisses ist nicht die ununterbrochene Möglichkeit, sondern
das in § 855 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichnete
soziale Abhängigkeitsverhältnis, kraft dessen der Besitzer
die tatsächliche Gewalt über die Sachen durch den Besitz-
diener als sein Werkzeug ausübt. Ähnlich ist es beim
Handlungsreisenden. Dieser hat den Weisungen seines
Prinzipals in Bezug auf die in seinen Händen befindlichen
Muster, Musterkoffer und dergl. während der Reise ebenso
Folge zu leisten, wie während seiner Anwesenheit im
Geschäfte.
Ist sonach die Annahme, dass die Tochter der H.
auch während der Reise nach Nürnberg und während
ihres dortigen Aufenthaltes nur Besitzgehilfin der Klägerin
war, rechtlich nicht zu beanstanden, so gilt das Gleiche
für die Folgerung, die Juwelen seien der Klägerin ab-
handen gekommen. Abhanden gekommen ist eine Sache
im Sinne des § 935 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn
der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen den Besitz
verloren hat. Daraus folgt, dass bei einem Besitzdiener-
verhältnis für die Frage, ob unfreiwilliger Besitzverlust
vorliegt, nur der Wille des Besitzherrn, nicht der des Be-
sitzdieners, in Betracht kommt. Der Besitzdiener ist aller-
dings tatsächlich in der Lage, die tatsächliche Gewalt
und damit den Besitz einem anderen einzuräumen; er
überträgt damit aber weder eigenen Besitz, da er solchen
nicht hat, noch den unmittelbaren Besitz des Besitzherrn,
da er hierzu nicht berechtigt ist, sondern er entzieht dem
Besitzherrn gegen dessen Willen den unmittelbaren Besitz,
er bringt ihm die Sache abhanden.
Die Beklagte konnte deshalb, wie nach § 935 des
Bürgerlichen Gesetzbuches nicht das Eigentum, so nach
§ 1207 nicht ein Pfandrecht an den Juwelen erlangen“.
(18. Mai 1909, Akt.-Z. VII. 88/09.) K. M.-L.



Ausstellungen.

Das Kunstgewerbemuseum der Stadt Zürich hat kürz-
lich die zweite Hälfte der holländischen und deutschen
Raumkunstausstellung eröffnet. Es sind insgesamt 16 Räume
ausgestellt, die alle eine verschiedene Zweckbestimmung
haben und wo das Prinzip der Raumkunst vollauf zur
Geltung kommt. Eine grosse Kollektion niederländischer
Töpfereien und eine Abteilung Gold- und Silberschmiede-
kunst sind ebenfalls zur Ausstellung gelangt. Jeder,
welcher die „Erste Züricher Raumkunst-Ausstellung“ ge-

sehen hat, wird auch diese sehr interessante Gelegenheit
nicht vorübergehen lassen wollen, ohne dieselbe besichtigt
zu haben. * * *
Schwerin. Die 3. mecklenburgische Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung 1911 veröffentlicht soeben ihr Pro-
gramm. Das Kunstgewerbe ist in Gruppe 14 vertreten.
Die Anmeldung hat bis zum 1. Juli 1910 zu erfolgen.
Zum geschäftsführenden Ausschuss gehört Herr Bürger-
meister Geheimer Hofrat Tackert als Vorsitzender.
 
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