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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 41
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Heyck, Eduard: Wilhelm Widmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0371

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30. JAHRG.

LEIPZIG, 9. OKTOBER 1909

Nr. 41

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GOLDSCHMIEDEKUNST

0

VERLAG: HERM. SCHLAG NACHE
INH. FELIX HENTZE
LEIPZIG


NACHDRUCK ALLER ARTIKEL OHNE GENEHMIGUNG DER REDAKTION IST VERBOTEN.

WILHELM WIDEMANN

Professor Wilhelm Widemann in Berlin, der vor
einigen Jahren durch das Ehrenbürgerrecht der Stadt-
gemeinde von Gmünd ausgezeichnet worden, ist ein
Sohn dieser altberühmten Gold- und Silberschmiede-
stadt. Am 28. Oktober 1856 wurde er in der alten
schwäbischen Reichsstadt geboren.
Hier trat er, nach durchlaufener Schule, seiner
Neigung folgend in die Lehre als Ziseleur, bei Er-
hard & Söhne, und nebenbei besuchte er unter der
vortrefflichen Leitung des verstorbenen Prof. Bauer
die Fortbildungsschule. Nach zurückgelegter Lehr-
zeit ging er nach München, zu Fritz von Miller, und
er selber hebt hervor, dafz er die entscheidenden
Einflüsse durch diesen Mann empfangen hat, dessen
Dahnbrechende Wirksamkeit erst kürzlich im Journal
der Goldschmiedekunst geschildert worden ist. An-
regung des Meisters und Talent des Schülers fielen
in glücklicher Weise hier in dieselbe Richtung. Von
Anfang ist der in Widemann lebendige schönheits-
gestaltende Trieb bestimmt gewesen durch sein un-
gewöhnlich intimes Verhältnis — wovon noch die
Rede sein wird — zu den edlen und ziervollen
Zweckformen der Natur. So ward mit das Wich-
tigste, was der jüngere Künstler seinem verehrten
Münchener Lehrer verdankt, das in dieser Führung
sich klärende Verständnis für seine eigenste stilistische
Veranlagung. Freilich sollten noch Jahre darüber
vergehen, bis er in die Lage kam, diejenigen Werke
zu schaffen, die von allen am eigenartigsten aus jenem
poetisch-ästhetischen Verlangen entsprungen sind.
1877 nahm Widemann von München Abschied
und zog nach Rom. Sieben Jahre blieb und wohnte
er dort, als nunmehr selbständiger Künstler, mit dem
äufzeren Leben kämpfend und innerlich mit der Ver-
arbeitung dessen ringend, was ihm Rom, Italien über-
haupt, zu geben hatten.

In diesem Lande, das nicht blofz mit seiner Monu-
mentalität, sondern gerade auch mit seinen Klein-
künsten und Handfertigkeiten, und nicht zuletzt mit der
einfachsten Geste und Haltung seiner Menschen von
der feinfühligen, innerlich vornehmen Kultur so vieler
Jahrhunderte kündet, gewann er die vollendende
Erziehung seines Schönheitssinnes. Italien gab ihm,
was es so lange Zeiten den Malern und Bildhauern
gegeben hatte, bis zum Übergewicht neuerer, ver-
ändeter Richtungen, die in ihrer jungen entdeckenden
Kraft nicht zugleich ausgeglichen sein können mit
jener alten Tradition, die darum keine schlechtere
ist, wenn sie zuletzt in den Händen der Epigonen
verflacht und herabgewürdigt worden.
Der junge Ziseleur und Feinmetallkünstler, der
mit durstigen Augen die ruhevollen Herrlichkeiten
des grofzen alten Rom und den plastischen Reich-
tum seines bewegten Lebens schaute, befand sich
zwischen jenen Gegensätzen in der glücklichen
Lage, sich um sie nicht kümmern zu müssen. Er
kam weder aus einer engeren historischen Schule
mit ihrem üblichen unvermerkten Übergewicht über
die Persönlichkeit, noch kam er aus den modernen
Gegenströmungen gegen die Tradition, die so leicht
ihrem Anhänger nicht minder etwas Unpersönliches,
nur Mitmachendes aufzuzwingen vermögen. Seine
allein bestimmende Schule war das Wesen seinerTech-
nik. Er kam aus der unvergleichlich erzieherischen
Lehre der Arbeit mit fühlender Hand, aus der Hinein-
empfindung in das Material: dieser Grundbedingung
alles Künstlerischen, die in der heutigen bildenden
Kunst vielfältig so schmerzlich noch immer vermifzt
wird. Und anstatt von Naturalismen oder sonstigen
Ismen unfrei gemacht zu sein, brachte er die regste,
froheste Empfänglichkeit mit für die allein lebendigen
Formen- und Schönheitsgesetze, die die wirklichste
 
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