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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 43
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Rée, Paul Johannes: Meisterkurse der bayrischen Landesgewerbeanstalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0393

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30. JAHRG.

LEIPZIG, 23. OKTOBER 1909

Nr. 43

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VERLAG: HERM. SCHLAG NACHE
INH. FELIX HENTZE
LEIPZIG


NACHDRUCK ALLER ARTIKEL OHNE GENEHMIGUNG DER REDAKTION IST VERBOTEN

MEISTERKURSE DER BAYERISCHEN LANDESGEWERBEANSTALT
von Paul Johannes Ree.

Die Kunstgewerblichen Meisterkurse sind eine vor
acht Jahren vom Direktor der Bayerischen Landes-
gewerbeanstalt (bisher Bayerisches Gewerbemuseum)
in Nürnberg, Herrn Oberbaurat Theodor von
Kramer, getroffene Einrichtung, die Nürnberger
Kunsthandwerker in unmittelbare Fühlung mit den
Führern der kunstgewerblichen Bewegung unserer
Tage zu bringen, um sie auf diese Weise vor
Irrungen zu bewahren. Wie überall, so bestand
damals auch in Nürnberg für das Kunsthandwerk
die doppelte Gefahr, entweder immer tiefer in das
Gestrüpp einer kultur- und deshalb auch stilwidrigen
Nachahmung aller Kunst zu geraten oder von dem
Lianengeschlinge des sogenannten Jugendstils er-
stickt zu werden, denn nicht leicht war es, in dem
Wirrsal der nach den verschiedensten Richtungen
auseinandertretenden Kunstmeinungen den Weg zum
rechten zeitgemäfzen Kunstschaffen zu finden. —
Nur einzelne waren es gewesen, die sich diesen
gebahnt hatten, und das einzige Mittel, die dabei
gemachten künstlerischen Errungenschaften vielen
zugute kommen zu lassen und dem immer mehr
um sich greifenden Stilchaos entgegenzuarbeiten,
war es, die künstlerischen Kräfte, die, weil sie von
Jugend auf an die historische Schaffensweise ge-
wöhnt waren, in willkürliche Formenspielereien ge-
rieten, sobald sie aus den ihnen vertrauten Stilkreisen
heraustraten, zu sammeln und unter die Führung
jener Bahnbrecher zu stellen. Nicht dazu geschah
es, um von diesen Meistern einen Formenvorrat
zu empfangen und mit diesem weiterzuwirtschaften,
sondern um durch methodische Anleitung zu einer
Schaffensweise gebracht zu werden, die, frei von
jedem Formalismus, weder eine Grund- noch eine
Schmuckform von vornherein als gegeben betrachtet,

sondern jede mit genauer Überlegung und lebhafter
Empfindung aus dem Wesen der Sache gestaltet.
Es kam darauf an, die technisch auf der Höhe der
Zeit und auf dem Boden einer gesunden Handwerks-
tradition stehenden Meister darauf aufmerksam zu
machen, dafz die sich bei der zweck- und material-
gerechten Durchbildung ihrer Stücke von selbst er-
gebenden Schönheitswerte viel höher anzuschlagen
seien, als alle antiquarischen oder sich für modern
ausgebenden Formenspielereien, und es mufzte mit
Nachdruck gezeigt werden, wie bei der Befruchtung
des technisch gediegen durchgebildeten Stückes
durch die in einem lebendigen Naturgefühl wurzelnde
Phantasie aus der technischen die künstlerische
Schönheit hervorgeht. Es galt, aus einem kultur-
und naturwidrigen Kunstgewerbe, dem jede innere
Verbindung mit dem wirklichen Leben fehlte, eine
gesunde Handwerkskunst zu machen, die der
natürliche und ungesuchte Ausdruck der das Leben
beherrschenden materiellen und geistigen Mächte ist.
Acht Kurse von vier- bis fünfwöchentlicher Dauer
haben seitdem stattgefunden, und der Segen, den sie
gestiftet haben, ist ganz unberechenbar. Die Nürn-
berger Handwerkskunst, die es allen Anstrengungen
zum Trotz im 19. Jahrhundert zu keiner Neublüte
gebracht hat, fängt wieder an wie einst die Augen
der Welt auf sich zu lenken. Man empfindet es
wohltuend, dafz an dieser alten Kunststätte, an die
jeder in erster Linie denkt, wenn von alter deutscher
Art und Kunst die I^ede ist, wieder Meister am
Werke sind, die ihrer Zeit geben, was diese braucht.
Zu Kursleitern wurden der damals in Darmstadt
wirkende Peter Behrens, zwei Jahre später der
Münchener Richard Riemerschmid und nach-
dem dieser drei Kurse geleitet hatte, Paul Haustein
 
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