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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 27
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Bindhardt, Georg: Über Stil und Geschmack
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Hn., H.: Wiener Schmuckmode
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0242

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224 o._JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST 27

verbunden werden, erlauben daher auch eine ornamentale
Auflösung der strengen architektonischen Grundform. Aus
der technischen Verarbeitung des Metalles heraus, aus
Stilgefühl ist es falsch, einem metallischen Gegenstand
strenge Architekturformen zu geben.
Was die Ornamentation der Arbeit betrifft, so ist auch
das Ornament da zuerst am Platze, wo es technisch bedingt
und im formalen Sinn eine Tätigkeit symbolisiert, also, wo
es z. B. umbindet, umrahmt oder eine freie Endigung
darstellt etc.
Es war meine Absicht, mit diesen Beispielen nur an-
zudeuten, dass der formale Begriff aller schmückenden

Form als Grundlage den logischen handwerklichen Ge-
danken hat und ich möchte darauf hinweisen, dass die
stilistische Formenlehre auch in der Goldschmiedekunst zum
Ausgangspunkt der künstlerischen Ausbildung gemacht
werden muss.
Eine Besprechung der verschiedenen Spezialtechniken
der Goldschmiedekunst als Grundlage für die künstlerische
Form würde hier zu weit führen. Den Begriff „Stil“
möchte ich dahin präzisieren, dass dieser vor allem
die richtige Erkenntnis für die charakteristischen Eigen-
schaften des Materials und seiner dementsprechenden Be-
arbeitung ist.


Wiener Schmuckmoden.

Während der Sommerszeit treten die grossen Stücke
der Auslagen in den Hintergrund und machen kleineren
Schmuckgegenständen, die für den Alltag und für die Strasse
getragen werden können, Platz. Man ist heute wohl weit
entfernt, seine Auswahl wie einst unter dem Trio — Brosche,
Ring und Armband — treffen zu müssen, denn zu den un-
zähligen Gebrauchsgegenständen, die bisher von der Mode
begünstigt in Schmuckform umgewandelt wurden, kommen
immer weitere Neuheiten. Die verfeinerte Geschmacksrich-
tung bringt es eben mit sich, dass Schmuckgegenstände ohne
Zweck, bloss der dekorativen Wirkung wegen, nur bei
grossen festlichen Gelegenheiten am Platze sind; alle
Schmucksachen für den Alltag und zur Strassentoilette
müssen einen bestimmten Zweck erfüllen, um vornehm zu
wirken, und dies wird nur erreicht, wenn ihr Dasein an
einer bestimmten Stelle nicht einer Überflüssigkeit, sondern
als vollendender Teil einer Selbstverständlichkeit gleich-
kommt. Wie weit sich die Moderichtung in dieser Be-
ziehung entfaltet, zeigen Halbhandschuhe aus Goldnetzarbeit,
deren Handrücken eine Ausnäherei in Goldarbeit schmückt,
jede einzelne der drei Reihen oben mit einem eingearbei-
teten Dreieck aus grösseren Edelsteinen abschliessend;
der obere Rand des Handschuhes und des Daumens ist
mit kleinen weissen Perlen besetzt, die an je einem goldenen
Kettenglied hängen. Von sehr feiner Wirkung ist eine
Brillantschliesse, die die so modernen Bänder aus
farbigem oder schwarzem Sammet lose Zusammenhalten,
welche die vornehmen Damen neuestens über Hals und

Brust lang herabhängend tragen. Eine solche Schliesse
hat beispielsweise die Form von zwei, an kurzem Stiel in
entgegengesetzter Richtung befestigten Lorbeerblättern, der
Aussenrand ist dicht mit kleinen Brillanten besetzt, die
Füllung ist ä jour gearbeitet, das zarte Gitter mit Brillant-
splittern ausgefüllt, das Ganze ruht auf einer leicht gewölbten
Goldstange, so dass sich ein Zwischenraum ergibt, durch
die die Bänder gezogen werden. Eine zweite Schliesse
zeigt die Form von zwei Efeublättern aus grünem Email
mit Brillantgeäder und Brillantenrand. Beide Blätter ver-
bindet ein Zweig Vergissmeinnicht aus blassblauem Email,
mit kleinen Smaragdblättchen und smaragdenbesetztem
Stengel; die langherabhängenden Sammetbänder werden
mitunter noch am unteren Rande mit edelsteinbesetzten
Ecken abgeschlossen. Eine Neuheit ist auch das Sammet-
band, an dem eine Uhr, die die Dame in der Westentasche
oder im Gürtel trägt, befestigt ist. Dieses, nach Art der
Herrensportkette hängende, aber etwas breitere Band, wird
durch eine Brillantschnalle gezogen, das Ende des Bandes
mit einer Brillantecke, an der eine seidene, mitunter auch
eine Perlenquaste hängt, abgeschlossen. Diese Schnallen
zeigen ein sehr zartes ä-jour-Dessin oder ein Schleifen-
ornament, von dem ein Perlen- oder Brillanttropfen herab-
hängt, auch ein ovales Brillantkränzchen, zu beiden Seiten
mit einem Schleifchen aus Perlen festgehalten. Broschen
sind wieder sehr modern; zu den kostbareren Neuheiten
zählt eine grosse Schleife aus weissem Email, an der
oberen Kante von einem Spitzenzäckchen aus Brillanten
 
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