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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 15
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Jessen, Jarno: Bäurischer Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0145

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Bäuerischer Schmuck.
Von Jarno Jessen.

Um die Schönheit des deutschen Bauernschmucks recht
zu würdigen, müssen wir das Gebiet der Elbniederungen
eingehender durchforschen. In so manchem Städtchen des
schleswig-holsteinischen und hannöverschen Landes, auch in
manchem der reicheren Dörfer sind wahre Ehrenzeugnisse
deutscher Volkskunst geschaffen worden. Oft genug tut
der heutige Goldschmied gut, hier edle Vorbilder zu
suchen, statt nach ausländischen Aussergewöhnlichkeiten
Umschau zu halten. „Ans Vaterland, ans teure, schliess’
dich an“, auch wenn es heisst, köstliche Erbgüter der
Edelmetallschmiede für neue Leistungen fruchtbar zu
machen. In den Gegenden der unteren Elbe, wo sich der
eingeborene Stamm der Niedersachsen mit niederländischen
Kolonisten mischt, zeugen besonders schöne Schmuckgüter
für selbstbewusstes und geschmackbegabtes Volkstum.
Wir können sagen, dass überall, wo der edle Sachsen-
stamm die Oberhand hat, der Charakter alles äusseren
Wesens, des Hauses, der Kleidung, der Zierdinge ein Ge-
präge des Ernsthaften zeigt. Freudiger und bunter gibt
sich das niederländische Element. In den Dithmarschen,
Kehdingen und Gadeln, die um den äussersten Eibausfluss
herumgelagert liegen, hat der Verlauf der Geschäfte ein
besonders selbstsicheres Bauerntum herausgebildet. Gerade
diese Marschgebiete hatten sich gegen feindliche Eingriffe
am hartnäckigsten zu wehren, erhielten sich als freie
Republiken, und die Historie der Ditmarschen stellt ein
wahres Heldentum in kleinem Rahmen dar. Hier bezeugen
auch erstaunliche Schmuckgüter ein Landvolk, das sich
eigenen Wertes bewusst war. Hier lieferten Gold- und
Silberschmiede Feinmetallsachen, die noch heute dem

(Fortsetzung und Schluss.)
Luxussinn begehrenswerter Besitz erscheinen. Echter
Bauernschmuck, der an die reife Kunst der Friesen er-
innert, ist Vieles, Manches berichtet von eifrigen Renais-
sancestudien kleinstädtischer Meister. Im Städtchen Mel-
dorf fand bäuerische Noblesse ihre befriedigendsten
Lieferanten, von hier aus wurde die ganze nördliche
Westküste mit Schmuck versorgt. Stücke aus dortigen
Vorräten, Bucheinbände, Messer und Gabeln mit ihren
prächtigen Scheiden, Ketten und Zierstücke aller Art
erregten den Neid manches Museumsdirektors auf der
Berliner Volkskunst-Ausstellung, es wären würdige Schau-
objekte des Grünen Gewölbes gewesen. Das Bremer
Gewerbemuseum hat es verstanden, besonders charakte-
ristische Stücke alten holsteinschen Bauernschmucks zu-
sammen zu bringen. Deutlich unterscheidet sich hier eine
grössere Prunklust der westlichen Landesteile von den
festgeschlossenen, schlichteren Arbeiten des Ostgebietes.
Im Westen glauben wir an prächtigen Filigranen fast
eine südländische Dekorfreudigkeit zu entdecken. Die
Flächen der Schnallen und Schliessen sind wie die Fassaden
gewisser italienischer Kirchen ganz und gar mit natura-
lisier und geometrischer Ornamentik übersponnen. Nir-
gends wird hier ein glattes Teilchen geduldet, am Gürtel-
schloss wie an den Hefteln der „Rockopholder“, und die
Umrisslinien geberden sich oft ziemlich ruhelos. Gerade
die feste Kontur kennzeichnet unsere Abbildungen Ost-
Holsteinscher Leistungen. Hier ist der Filigran wie beim
friesischen Schmuck innerhalb der Fläche geblieben, der
Goldschmied liebt kleine glatte Metallteile wie feste Ruhe-
punkte zwischen luftiges Drahtwerk zu fügen. Hier sehen
 
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