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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 13
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R., W.: Moderne Kunstbestrebungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0115

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Ur. 13.

Leipzig, 27. fflärz 1909.

30. Datjrg.

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nadjbruck aller Artikel ohinc öenehimigung ber Refraktion ist verboten.

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Herrn. Sdj lag Fladjf. (wreifcHentze) Leipzig

Moderne Kunstbestrebungen.

s sind kaum einige Jahre verflossen, da setzte
auf künstlerischem Gebiete eine Strömung
ein, die eine gänzliche Wandlung des herr-
schenden Geschmacks durchzuringen ver-
suchte und dieserhalb im gesamten Kunst-
gewerbe zunächst einen heissen Kampf entfachte. Die
geheiligten Traditionen wurden achtlos beiseite geschoben,
um ganz eigenartigen Motiven Platz zu machen; neue
Ideen und Formenbildungen suchten sich energisch Bahn
zu brechen, die viel Bewunderung aber auch viele Wider-
sacher fanden.
Ein dornenvoller Weg im Vorwärtsstreben der neuen
Richtung, der vielfach noch dadurch erschwert wurde,
dass mancher schaffende Künstler in seinem inneren Streben
nach Erkenntnis auf Irrwege geriet, deren Verfehlungen
jene bizarren Geschmacklosigkeiten hervorbrachten, die zur
Ursache einer weitverzweigten Missbilligung wurden.
Grauenhaft verzerrte Fratzen grinsten dem Beschauer an da-
maligen Erzeugnissen entgegen, ein sinnlos wildes Blumen-
und Blättergeranke verletzte das primitivste ästhetische
Empfinden. Es war ein unsicheres Tasten, ein Irrgarten,
in dem manche Kraft erlahmte und zu Grunde ging. Nur
wenige Künstler schufen auf dem neuen Fundamente wahre
Wunderwerke, die eine berechtigte Sensation und hohe
Bewundernng erregten, obschon es auch hier an heftigem
Widerspruch nicht fehlte. Doch trotz aller Anfeindungen
schritten einige starke Charaktere rüstig weiter auf eigener
Bahn, um so nach allen Richtungen veredelnd einzuwirken.
Allmählich kam ein geläutertes System und strenge Ordnung
in das Wirrwarr der Kunstbetätigung. Die junge Pflanze
musste zwar viele Umwandlungen durchmachen, um zur
köstlichen Blüte und der jetzigen Reife zu gedeihen.
Nunmehr ist das Bewusstsein einer neuen bedeutungs-
vollen Kunstepoche in die weitesten Volksschichten ge-
drungen, man spricht heute von einer „Volkskunst“. In
allen Wirkungskreisen trachtet man nach idealer Gestaltung

sämtlicher Gegenstände, sei es Schmuck, Bauten, Möbel oder
einfaches Hausgerät. Einem feinsinnigen Verständnisse und
praktischen Erwägungen folgend, wird anstelle der früheren,
überladenen und prunkenden Verzierungen eine zweck-
mässige Ornamentik geübt. Es wird dabei zunächst be-
rücksichtigt, dass alle Erzeugnisse ihre praktische Ver-
wendungsmöglichkeit behalten, die durch zweckwidrige
Gestalt und Ausschmückung nicht beeinträchtigt werden
darf. Dieser ganz natürlich erscheinenden Auffassung soll
sich die Formenbildung ständig unterordnen. Griffe sollen
Griffe sein, die man auch anfassen kann, an denen
man den Gegenstand auch wirklich zu halten vermag und
keine Zierstücke, woran man sich die Finger verletzt oder
die infolge ihrer schwächlichen Konstruktion sofort ab-
brechen würden, wollte man das Stück daran heben. Die
Füsse sollen dem Gefäss eine gute Standfestigkeit verleihen
und ein stabiles Aussehen besitzen, damit man sofort den
Eindruck gewinnt, dass auch das Ganze auf einer soliden
Unterlage ruht und nicht scheinbar halb in der Luft
schwebt. Man soll nicht vergessen, dass die Hohlräume
an Kannen, Blumenhaltern usw. auch zeitweilig gereinigt
werden müssen, sie sollen deshalb genügend weit gehalten
sein, um diese Notwendigkeit auch zu ermöglichen.
Mehr als auf eine stilistische Teilbehandlung wird auf
einen sympathisch wirkenden, architektonischen Aufbau
Wert gelegt, eine grosszügige Flächenanordnung dominiert.
Wenn auch das fernere Streben, eine völlig individuelle
Materialbehandlung, an sich zu begrüssen ist, so muss
doch gerade hierin vor Übertreibungen gewarnt werden,
wenigstens vom nationalökonomischen Standpunkt aus.
Denn gerade die pekuniäre, wirtschaftliche Seite ist ein
Faktor, dem unbedingt Rechnung getragen werden muss.
Es ist durchaus lobenswert, wenn man überall aufrichtige
Wahrheit zum Ausdruck bringen und Nachahmungen ver-
drängen will. Völlig berechtigt sind ferner die Bestre-
bungen, die verschiedenartigen Metalle auch nach speziellen
 
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