Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909
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Nr. 11
DOI article:Jessen, Jarno: Bäuerischer Schmuck
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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST g»
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Spangen spielen auch hier eine wichtige Rolle. Vielerlei
schöne Knöpfe gehören zur Ausstattung der reichen Braut,
aber die Holsteinschen Schmuckkünstler suchten auch das
heimische Ziergut zu mehren. Nur in dieser Provinz finden
wir die gewichtigen Schuhschnallen, die an Formen so
reichen zweigliedrigen Gürtelschlösser. Gerade hier erstrebt
religiöses Empfinden auch im Schmuck seine Äusserungen,
denn der holsteinsche Goldschmied wählt oft das Kreuz
als Zierglied. Es hat auch allerhand neue Zweckdinge
geschaffen, Rockhalter und Schürzenaufstecker, die er mit
Eleganz auszustatten wusste, und oft hat er den reizenden
Herzspangen mit ihren Krönchen eine lange Nadel ange-
lötet und sie so zu Hefteln verwandelt.
Wir können mit besonderem Stolz auf Leistungen der
Bauernkunst in den rührigen Vierlanden blicken. In diesen
gesegneten Elbniederungen des Hamburger Bereiches, in
die noch immer Ebbe und Flut hereindringen, hat sich
eine wahre Hochkultur der Landbevölkerung herausgebildet.
Hier besitzt der Bauer sein vielbewundertes Eigenhaus
sowie vornehme Tracht, seine kunstgehobenen Möbel und
Stickereien, wie er ebenso der Grossackerbauer und der
Grossgärtner ist. Seine Kleidung meidet das Grelle, hat
tiefe ruhige Farben und ist mit edlem Schmuck reich
geziert. Wir finden bekannte Formen und die üblichen
Schmuckstücke an Hals und Brust, an den Westen, Jacken-
rändern, Ärmeln, Hüten, Miedern und Schuhen. Kreisrunde,
hochgewölbte Hemdspangen tragen einen runden Ausschnitt
in der Mitte, längliche Hals- und Miederspangen zeigen
gegossene Endstücke und luftig wirkende Verbindungsteile
aus Kettenwerk. Gerade diese Art der Arbeit verleiht
dem Vierländer Schmuck ein eigenes graziöses Wesen,
das über jede Handfestigkeit hinwegtäuscht. Das Filigran
ist sehr fein, vielfach umspinnt es farbige Steine, auch
zuweilen Emailbildchen oder auch nur eingekapselte Papier-
miniaturen. An den schönen Knöpfen schwingen oft
reizende Behänge, und in den Motiven der Ornamentik
wiederholen sich schnäbelnde Täubchen, Krönlein, Vasen
und Blumen, die wir längst vom Bauernschmuck kennen.
Hier wird das Treiben, das Giessen, das Löten, Draht-
werkarbeit in hoher Vollendung von dem ländlichen Gold-
schmied geübt. Aber er fusst auf alten Überlieferungen,
denn in manchen Orten hat sich das Kunsthandwerk seit
Jahrhunderten von Geschlecht zu Geschlecht vererbt. Wie
schade, dass auch in solch’ wohlgehütete Bollwerke volks-
künstlerischen Schaffens langsam ihr Zerstörer, der Indu-
striealismus der Städte, einzudringen beginnt. (Forts, folgt.)
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Spangen spielen auch hier eine wichtige Rolle. Vielerlei
schöne Knöpfe gehören zur Ausstattung der reichen Braut,
aber die Holsteinschen Schmuckkünstler suchten auch das
heimische Ziergut zu mehren. Nur in dieser Provinz finden
wir die gewichtigen Schuhschnallen, die an Formen so
reichen zweigliedrigen Gürtelschlösser. Gerade hier erstrebt
religiöses Empfinden auch im Schmuck seine Äusserungen,
denn der holsteinsche Goldschmied wählt oft das Kreuz
als Zierglied. Es hat auch allerhand neue Zweckdinge
geschaffen, Rockhalter und Schürzenaufstecker, die er mit
Eleganz auszustatten wusste, und oft hat er den reizenden
Herzspangen mit ihren Krönchen eine lange Nadel ange-
lötet und sie so zu Hefteln verwandelt.
Wir können mit besonderem Stolz auf Leistungen der
Bauernkunst in den rührigen Vierlanden blicken. In diesen
gesegneten Elbniederungen des Hamburger Bereiches, in
die noch immer Ebbe und Flut hereindringen, hat sich
eine wahre Hochkultur der Landbevölkerung herausgebildet.
Hier besitzt der Bauer sein vielbewundertes Eigenhaus
sowie vornehme Tracht, seine kunstgehobenen Möbel und
Stickereien, wie er ebenso der Grossackerbauer und der
Grossgärtner ist. Seine Kleidung meidet das Grelle, hat
tiefe ruhige Farben und ist mit edlem Schmuck reich
geziert. Wir finden bekannte Formen und die üblichen
Schmuckstücke an Hals und Brust, an den Westen, Jacken-
rändern, Ärmeln, Hüten, Miedern und Schuhen. Kreisrunde,
hochgewölbte Hemdspangen tragen einen runden Ausschnitt
in der Mitte, längliche Hals- und Miederspangen zeigen
gegossene Endstücke und luftig wirkende Verbindungsteile
aus Kettenwerk. Gerade diese Art der Arbeit verleiht
dem Vierländer Schmuck ein eigenes graziöses Wesen,
das über jede Handfestigkeit hinwegtäuscht. Das Filigran
ist sehr fein, vielfach umspinnt es farbige Steine, auch
zuweilen Emailbildchen oder auch nur eingekapselte Papier-
miniaturen. An den schönen Knöpfen schwingen oft
reizende Behänge, und in den Motiven der Ornamentik
wiederholen sich schnäbelnde Täubchen, Krönlein, Vasen
und Blumen, die wir längst vom Bauernschmuck kennen.
Hier wird das Treiben, das Giessen, das Löten, Draht-
werkarbeit in hoher Vollendung von dem ländlichen Gold-
schmied geübt. Aber er fusst auf alten Überlieferungen,
denn in manchen Orten hat sich das Kunsthandwerk seit
Jahrhunderten von Geschlecht zu Geschlecht vererbt. Wie
schade, dass auch in solch’ wohlgehütete Bollwerke volks-
künstlerischen Schaffens langsam ihr Zerstörer, der Indu-
striealismus der Städte, einzudringen beginnt. (Forts, folgt.)
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