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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 30.1909

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Nr. 33
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Grosz., Karl: Fritz von Miller
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https://doi.org/10.11588/diglit.55857#0295

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30. JAHRG.

LEIPZIG, 14. AUGUST 1909.

Nr. 33.

’W*JOURNAL DER./
G0LDSC1 IM IEDEKUNST



VERLAG: HERM. SCHLAG NACHE
INH. FELIX HENTZE
LEIPZIG


NACHDRUCK ALLER ARTIKEL OHNE GENEHMIGUNG DER REDAKTION IST VERBOTEN.

FRITZ VON MILLER.

Wenn unsere Enkel einst eine Geschichte des
deutschen Kunstgewerbes im 19. Jahrhundert schreiben
werden, wird darin zu lesen sein: Der Wieder-
erwecker deutscher Goldschmiedekunst im
19. Jahrhundert ist Fritz von Miller.
Geboren als Sohn des bekannten Erzgiefzers
Ferdinand von Miller sen. in München, lernte er zu-
nächst als Erzgiefzer in der Kgl. Erzgiefzerei beim
Vater, besuchte die Akademien in München und
Berlin und arbeitete dann als Goldschmied bei Hund
& Rofzkehl in London, sowie drei Jahre in Paris als
Modelleur und Emailleur. Ein längerer Aufenthalt
in Italien vollendete seine künstlerischen Studien.
1868 als Professor für Metallarbeiten an die
neugegründete Kunstgewerbeschule in München be-
rufen, wirkt er als erfolgreicher Lehrer, während er
in seiner Privatwerkstätte durch seine Arbeiten die
Praxis befruchtet und tüchtige Gehilfen heranzieht.
So ungefähr wird die Nachwelt künden, während
wir uns freuen, unseren verehrten Fritz von Miller
als getreuen Ekkehardt und Altmeister der Gold-
schmiedekunst noch in rüstiger Arbeit unter uns zu
haben.
Seine Entwickelung ist auch die Entwicke-
lung unserer heutigen Goldschmiedekunst,
soweit sie sich in künstlerisch handwerklicher
Richtung vollzieht.
Die andere Richtung bewegt sich in der breiten
Strömung industriellen Fleifzes.
Beide beginnen sich jetzt gegenseitig etwas mehr
zu verstehen und sich auf ihre besondere Eigenart
zu besinnen.
Blicken wir etwas zurück in die Geschichte der be-
währten Lehrmeisterin, so werden wir das Lebenswerk
Fritz von Millers recht verstehen und schätzen lernen.

Was unsere Kunstgelehrten aus Jahrtausend alten,
verschütteten Kulturstätten und Gräbern an Gold-
schmiedekunst ans Licht fördern und in Museen
bewahren, erregt unsern Neid, und ein Sehnen über-
kommt uns vor dieser Vollendung in Geschmack
und reizvoller Technik. Und wie einfach sind die
technischen Mittel zunächst I Dünnes Goldblech, ge-
trieben in Buckeln und Linien, und Filigranarbeit.
Können wirs heute besser machen, trotz all
unserer neuzeitlichen technischen Errungenschaften,
auf die wir so stolz sind?
Nein, denn in erster Linie ist es der feine Ge-
schmack, der die Arbeit adelt für Jahrtausende,
und nicht das technische Raffinement.
Rufen wir uns die prächtige Goldschmiedekunst
der romanischen und gotischen Zeit in die Erinnerung
mit ihrer Vollsaftigkeit der dekorativen Wirkungen I
Alles ist da erreicht durch rein goldschmiedmäfzige,
aus dem Material entwickelte Techniken — ohne
Zeichen- oder Bildhauerkunst. Wo dabei Menschen-
oder Tiermotive verwendet sind, sind sie meist
so primitiv und anatomisch unbeholfen, dafz unser
Publikum derartiges heute ohne weiteres als un-
saubere und unrichtige Arbeit zurückweisen würde.
Warum entzückt sie aber doch den Kenner?
Weil sie so prächtig auf dekorative Wirkung hin
gearbeitet und so rassig in der Technik sindl
Der um den guten Geschmack ringende Gold-
schmied weifz, dafz in obigem ein Problem verborgen
liegt, das wir erst noch in langer praktischer Er-
fahrungsarbeit völlig lösen müssen.
Für uns Deutsche ist die gotische Goldschmiede-
kunst der Endpunkt einer hohen Entwicklung der
„Werkstattkunst". Alles ist hier aus der
Materialbearbeitung und Wirkung herausge-
 
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